Österreich soll 565 Millionen Euro EU-Rabatt jährlich erhalten
Noch ehe die Gipfelverhandlungen am Montag in ihren voraussichtlich letzten Tag und auch letzte Nacht gingen, frohlockte Kanzler Sebastian Kurz: „Wir können mit dem heutigen Ergebnis sehr zufrieden sein.“ Da wusste Kurz bereits, dass Österreich beim EU-Gipfel in Brüssel einen vier Mal so großen Rabatt auf die jährlichen EU-Beitragszahlungen ausgehandelt hatte. Doch bei den Marathonverhandlungen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs ging es um viel mehr – um einen 750 Mrd. Euro schweren Wiederaufbaufonds nach der Corona-Krise und das EU-Budget. Vier Tage und Nächte bedurfte es, bis eine Einigung machbar schien.
Kredite versus Zuschüsse hieß es beim Wiederaufbaufonds. Wie könnte der Kompromiss nun aussehen?
750 Milliarden Euro sollen den EU-Staaten zur Verfügung stehen. Diese gewaltige Summe werden die 27 Staaten gemeinsam auf den Kapitalmärkten aufnehmen, sich also in bisher nie da gewesenem Ausmaß gemeinsam verschulden. Ein Anteil von 500 Milliarden, die als Zuschüsse an die besonders von der Coronakrise betroffenen Länder fließen sollen, war den „sparsamen Ländern“ zu hoch. Auf 350 Milliarden wollten sie diesen Anteil herunter verhandeln. Doch das war überzogen, alle anderen EU-Staaten legten sich kategorisch quer. Die Kompromisssumme scheint nun bei 390 Milliarden an Zuschüssen zu liegen.
Was wird aus dem Österreich-Rabatt?
In diesem Punkt konnte Bundeskanzler Sebastian Kurz einen Erfolg verbuchen: Künftig soll Österreich einen jährlichen Rabatt von 565 Millionen Euro auf seine Beiträge fürs EU-Budget bekommen. Der Rabatt vervierfacht sich somit von derzeit 137 Millionen Euro. Alle vier „sparsamen“ Regierungen (Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark) erhielten deutlich höhere Rabatte – wohl auch, um sie bei anderen strittigen Punkten der Gipfelgespräche zur Zustimmung zu bewegen.
Warum gibt es überhaupt Rabatte?
Nachdem sich die Briten einst einen Rabatt herausverhandelt hatten, pochten später auch andere Nettozahler auf Rabatte. Diese hätten eigentlich nach dem Brexit gestrichen werden sollen.
Und wer kontrolliert nun, wie diese Milliardengeschenke eingesetzt werden?
Um Geld zu bekommen, müssen die Staaten nationale Reform- und Investitionspläne in Brüssel vorlegen. Die EU-Finanzminister müssen diese dann mit qualifizierter Mehrheit genehmigen. Mit seiner Maximalforderung ist Rutte gescheitert: Er hatte verlangt, dass jedes Land ein Vetorecht erhält. So hätte ein Nein aus den Niederlanden gereicht, um den Reformplan eines südländischen Staates und damit den Fluss der Milliardenhilfe zu verhindern.
Nächster Knackpunkt: Rechtsstaatlichkeit. Wird es die Verknüpfung geben: Geld für Staaten gibt es nur bei Einhaltung der rechtsstaatlichen Grundprinzipien?
Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe gab es laut Medienberichten einen Deal beim Rechtsstaatlichkeitskriterium, Details waren noch keine bekannt.
Ungarn und Polen lehnten die Variante, Hilfsgelder nurunter Einhaltung der rechtsstaatlichen Grundprinzipien zu bekommen, ab. Weil aber das riesige Finanzpaket, bestehend aus Wiederaufbaufonds und EU-Haushalt, nur zusammen und einstimmig beim Gipfel angenommen werden kann, wussten Ungarns Premier Orbán und sein polnischer Amtskollege Morawiecki um ihre Macht. Die Südländer machten Druck auf eine Einigung, damit die Hilfsmilliarden möglichst bald fließen. Abgezeichnet hat sich daher eine mildere Lösung: Kürzungen der Hilfen müsste demnach eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten beschließen. Das aber könnten Ungarn und Polen wiederum sofort verhindern, wenn einige andere osteuropäische Staaten auch dagegen sind.
Wie sieht es bei den anderen "Sparsamen" aus?
Zumindest Schweden scheint auf den Kompromissvorschlag einzugehen: Ministerpräsident Stefan Löfven hat einem Medienbericht zufolge grünes Licht aus Stockholm für eine Zustimmung zum aktuellen Kompromissvorschlag beim Sondergipfel erhalten.
Nach Kontakten zwischen der Regierung und dem EU-Ausschuss des schwedischen Parlaments habe Löfven das Mandat dafür bekommen, zu dem jetzt auf dem Tisch liegenden Angebot Ja zu sagen, berichtete die schwedische Nachrichtenagentur TT am späten Montagabend unter Verweis auf Angaben der Ausschussvorsitzenden Åsa Westlund.
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