Attentat auf Irans Schattenkrieger: Die wichtigsten Antworten
Er hatte das Flugzeug in Bagdad erst wenige Minuten zuvor verlassen, als den mächtigen iranischen General Kassem Soleimani (62) in der Nacht auf Freitag eine Rakete zerfetzte. Mit ihm starben mehrere Männer, darunter der führende irakische Kämpfer gegen den IS: Abu Mahdi al-Muhandis. Die Stoßwirkung des US-Drohnenangriffs reicht weit über Bagdad hinaus. Mit einem Mal ist die Kriegsgefahr zwischen den USA und dem Iran so groß wie lange nicht mehr.
Soleimani war im Iran populär und dem Revolutionsführer treu ergeben. Entsprechend martialisch drohte Verteidigungsminister Hatami mit „vernichtender Rache“. Hunderttausende Menschen gingen aus Protest auf die Straßen. Die schiitische Hisbollah im Libanon rief zu „weltweiter“ Vergeltung auf.
US-Außenminister Mike Pompeo versucht indes zu beschwichtigten: „Wir wollen keinen Krieg mit dem Iran.“ Der Demokrat und Ex-Vizepräsident Joe Biden ist hingegen angesichts der drohenden Eskalation entsetzt: „Präsident Trump hat soeben eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen.“
Warum war General Soleimani für den Iran so wichtig?
Kassem Soleimani galt im Iran als ein Volksheld und Militärkommandant, der die Interessen Teherans im Nahen Osten brutal vorantrieb. „In der westlichen Berichterstattung wurde er als Mastermind, der den USA Paroli bot, überstilisiert – und im Iran wurde daraufhin ein Kult um ihn entwickelt“, sagt der Iran-Experte Walter Posch vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK). „Jetzt ist er für beide Seiten als Symbol wichtig.“
An der Seite der regulären Armee agiert im Iran die paramilitärische Iranische Revolutionsgarde. Innerhalb dieser bilden die Al-Quds-Brigaden die Elite-Einheit – bisher angeführt von Soleimani. In vielen Ländern vertrat er Irans militärische Interessen – in Afghanistan, im Libanon, nun wieder im Irak. Allein hier sollen seine von ihm geleiteten Militäraktionen mindestens 600 US-Soldaten das Leben gekostet haben.
Warum gab US-Präsident Trump gerade jetzt den Tötungsbefehl?
„Präventive Selbstverteidigung“, lautet das Argument der US-Regierung. Außenminister Pompeo ortete „unmittelbare Bedrohungen“ in der Region gegen US-Interessen, die von Soleimani orchestriert worden seien. Belege legte Washington dafür keine vor. Ein Mitarbeiter im US-Außenministerium versucht das Kalkül des US-Präsidenten zu deuten: „Trump will Teheran – nachdem die wirtschaftliche Sanktionspolitik des ,maximalen Drucks’ keine Verhaltensänderung des Mullah-Regimes gezeitigt hat – jetzt offenbar mit der Ermordung eines Volkshelden an den Verhandlungstisch zwingen. Das ist hochriskant.“
Wie wichtig war der ebenfalls getötete Abu Mahdi al-Muhandis?
Enorm. Der pro-iranische Vize-Chef der irakischen Volksmobilisierungseinheiten (PMU) war laut Posch „im Kampf gegen den IS im Irak die Nummer Eins“. Seine Einheiten haben etwa in Mossul gekämpft. Al-Muhandis stand wegen Anschlägen in der Golfregion in den 80er-Jahren schon lang auf der Terrorliste der USA. Dennoch übertrug ihm die Regierung in Bagdad 2014 die PMU-Führungsrolle. „Das war den USA ein Dorn im Auge“, so Posch.
Wie groß ist der Einfluss des Iran im Irak?
Der sei schwer zu messen, sagt Posch. „Iraner sind im Irak von Norden bis Süden allgegenwärtig. Aber viele Iraker werfen ihnen vor, zu selbstbewusst aufzutreten und zu viel zu wollen.“
Womit ist jetzt zu rechnen? Mit Terroranschlägen? Mit Krieg?
Racheschwüre gab es am Freitag zuhauf aus dem Iran – und von Schiiten in anderen Ländern. Anschläge gegen US-Soldaten seien natürlich möglich, sagt Posch. Aber einen richtigen Krieg Iran gegen die USA hält er für unrealistisch: „Womit wollen die Iraner Krieg führen? Ein Land, das wirtschaftlich am Boden liegt.“ Außerdem sei der Iran bemüht, aus der Isolation zu kommen. „Der Iran will wieder in die internationale Gemeinschaft – aber nach seinen Bedingungen.“
Warum sind überhaupt US-Truppen im Irak?
Rund 5.000 US-Soldaten sind noch im Zweistromland – gut 16 Jahre, nachdem die USA einmarschiert sind und den früheren Diktator Saddam Hussein gestürzt haben. Offizielle Begründung damals: Der Irak beherberge Massenvernichtungswaffen. Zudem sei Saddam Hussein über angebliche Verbindungen zur Terrororganisation El Kaida mitverantwortlich für die Terroranschläge von 9/11. Beides waren falsche Anschuldigungen – was den Verdacht nährte, die USA hätten sich mit Gewalt Zugang zu den riesigen Ölvorkommen des Irak sichern wollen.
Statt dort einen „Leuchtturm der Demokratie“ zu errichten, wie es der damalige US-Präsident George W. Bush versprochen hatte, hinterließen die USA nach ihrem Abzug 2011 einen kaputten Staat, Chaos und extrem gewaltbereite Gruppen.
Knapp 5.000 US-Soldaten hatten bis dahin dort ihr Leben gelassen und mindestens 600.000 irakische Zivilisten. In das Machtvakuum des dysfunktionalen Irak stießen die Fundamentalisten des „Islamischen Staates“ vor – und im Süden iranische Milizen. Hauptaufgabe der verbliebenen US-Soldaten war es dann, den IS zu bekämpfen sowie die US-betriebenen Ölanlagen zu schützen. Letztere wurden in den vergangenen Monaten immer öfter Ziel von Angriffen pro-iranischer Milizen, die alle US-Soldaten aus dem Irak vertreiben möchten.
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