Ex-CDU-Kanzlerkandidat Laschet: "Eigentlich wäre die Ampel unschlagbar"
Wie sehr trifft Deutschlands Rezession Österreich? Und welche Fehler macht die Ampelregierung? Der Präsident der WK Wien Walter Ruck und der Ex-CDU/CSU-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Gespräch.
Armin Laschet, seit Kurzem im Strategic Advisory Council des European Forum Alpbach vertreten, sprach in der Veranstaltungsreihe "Salon Stubenring" der WKW – und zuvor mit dem KURIER – gemeinsam mit WKW-Präsidenten Walter Ruck über die wirtschaftliche Lage Europas – just an jenem Tag, als die angekündigten Werksschließungen von VW die Nachrichten dominierten.
KURIER: Es heißt, wenn Deutschland hustet, hat Österreich eine Lungenentzündung. Deutschland ist in einer Rezession; das Zugpferd, die Automobilindustrie, schließt Werke und entlässt Zehntausende Arbeitskräfte. Wie schwer ist Österreichs Lungenentzündung gerade Deutschland geschuldet?
Walter Ruck: Wir exportieren 70 Prozent unseres Gesamtvolumens in die Europäische Union, davon ein Drittel nach Deutschland. Österreich ist ein wichtiger Zulieferer der deutschen Automobilindustrie. Die wirtschaftliche Lage ist eine Herausforderung, die man annehmen muss. Österreich muss da künftig mehr diversifizieren. Ich nenne die Wiener Wirtschaft gern als Modell, die viel diversifizierter aufgestellt und so besser durch die letzten Krisen gekommen ist als Österreich im Durchschnitt.
Herr Laschet, wäre unter einer CDU-geführten Regierung die wirtschaftliche Lage in Deutschland eine bessere?
Armin Laschet:Die Frage ist, welche Faktoren sind globale, und welche sind hausgemacht? Wenn in fast allen europäischen Ländern die Wirtschaft wächst, aber in Deutschland schrumpft, muss es bestimmte politische Entscheidungen geben, die die Lage im Moment zusätzlich erschweren. Das hätten wir besser gemacht.
Bauunternehmer Walter Ruck ist seit 2014 Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, sie vertritt 118.000 Wirtschaftstreibende. Bundestagsabgeordneter Armin Laschet, 2017 bis 2021 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, war Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl 2021.
Österreich spürt die schwache internationale Nachfrage nach Industriegütern: Laut Statistik Austria gingen die Exporte nach Deutschland bis Juni 2024 um 7,6 Prozent zurück, mehr als insgesamt (5,5 Prozent). Sechs Prozent der Arbeitsplätze in Österreich hängen von der Güternachfrage aus Deutschland ab. Die österreichische Wirtschaft dürfte heuer um 0,6 Prozent schrumpfen – zum zweiten Mal in Folge.
Deutschland kämpft ebenfalls im zweiten Jahr mit einer Rezession. Energie ist teuer, die Inflation wieder gestiegen. 2,8 Mio. Menschen sind arbeitslos, 183.000 mehr als im Vorjahr. Im dritten Quartal ist die Wirtschaft überraschend um 0,2 Prozent gewachsen, trotzdem wird im Jahresvergleich mit einer Rezession oder Stagnation gerechnet (-0,2 Prozent).
Die Ampel-Regierung versucht, mit Wirtschaftsgipfeln und Investitionspakten die Wirtschaft anzukurbeln. Warum gelingt ihr das nicht?
Laschet: Diese Gipfel sprechen für den Zustand der Regierung. In dieser Zeit müsste man die Kräfte bündeln, sowohl Industrie als auch Gewerkschaften und Bundesregierung müssten zusammenarbeiten. Aber der Kanzler wurschtelt alleine und nimmt nicht einmal den Wirtschafts- oder den Finanzminister dazu. Und die machen dann eigene Parallelgipfel. Absurd! Würde die Ampel funktionieren, wäre sie unschlagbar: Sie hat den sozialen Teil, den wirtschaftsliberalen und den ökologischen, würde so viele gesellschaftliche Positionen vereinen und versöhnen. Dann hätte die Opposition keine Chance.
Ihr Problem ist: In einer Regierung muss man dem anderen auch mal etwas gönnen. Als Robert Habeck mit seiner Wärmepumpe scheiterte, hat man sich in der SPD gefreut, dass der strahlende Habeck auch mal eine abkriegt. Gute Presse aber hilft am Ende der ganzen Regierung. Dieser Geist fehlt. Das müsste eine nächste CDU-geführte Regierung besser machen. Jemand, der das trotz aller Kritik im Nachhinein verstanden hat, war Angela Merkel.
Es wäre aber zu leicht zu sagen, dass mit der CDU alles besser wäre, vieles ist auch strukturell.
Zum Beispiel? Hat sich Deutschland unter einer 16 Jahre lang von der CDU geführten Regierung zu sehr auf eine Branche – die Automobilindustrie –, einen Absatzmarkt – den chinesischen – und eine billige Energiequelle – Russland – verlassen?
Laschet: Die CDU hat stets mit der SPD oder vier Jahre mit der FDP regiert, davor die SPD mit den Grünen. Der Vorwurf trifft also alle. Bei der Energiepolitik sagt man heute, man hätte mehr diversifizieren sollen. Nur wie hätte man erklären sollen, als Gas günstig war, dass man in teureres, klimaschädlicheres, durch Fracking gewonnenes LNG investiert? Da hätte ich die Grünen hören wollen.
Ein großes Problem in Deutschland sind die Bürokratie und zu viele Regulierungen. Dazu gehören auch europäische Vorgaben wie das Verbrenner-Verbot. Das bewirkt, dass bis zum Zeitpunkt X weniger Motoren gebaut werden. Was die österreichische Zulieferwirtschaft und die deutsche Wirtschaft stark gemacht hat, war die Entwicklung hochkomplexer Motoren, die auch klimafreundlicher wurden in den letzten Jahren. Diese Technologieoffenheit hat man abgewürgt und das trifft uns jetzt.
Hätte es mehr Unterstützung aus Brüssel für die Förderung von Elektromobilität gebraucht?
Laschet: Nein, im Gegenteil. Welche Technologie am Ende überwiegt, entscheidet der Markt. Das ist Technologieoffenheit. Wir sagen jetzt, es ist die Elektromobilität, andere sagen, es könnte Wasserstoff sein.
Ob für die breite Masse einsetzbar, ist unklar.....
Ruck: Das stimmt so nicht. Wien ist beispielsweise sehr stark mit Gasthermen beheizt. Wenn man Wasserstoff versetzt und zu Methanol macht, kann man es so einfach verwenden wie derzeit Gas. Das CO2, das freigesetzt wird, wurde vorher im Prozess gebunden. Wir dürfen Alternativen wie diese nicht ausblenden.
Laschet: Das Problem bei der Elektromobilität ist derzeit, dass die Fahrzeuge zu teuer sind, und die Ladeinfrastruktur nicht ausreichend ausgebaut ist. Da hat Deutschland den Fehler gemacht, zuerst auf den Zwang zu setzen als auf die Sicherstellung der Infrastruktur.
Bei fehlenden Investitionen in die Infrastruktur darf man die Debatte um die Schuldenbremse nicht ausklammern. Knebelt sich Deutschland dadurch selbst?
Laschet: Das stimmt nur begrenzt. Das Problem ist hier wie bei vielen anderen nicht unbedingt das Geld, sondern die Planverfahren und die fehlenden Fachkräfte. Die Schuldenbremse ist keine Sache der Regierung, sie steht in der Verfassung. Sie sichert auch das Abwägen, welche Lasten man der nachfolgenden Generation hinterlässt. Ob es eine Reform braucht, darüber kann man diskutieren, aber nur unter dem Investitionsgesichtspunkt.
Ruck: Stichwort Fachkräftemangel: Da wäre eine gemeinsame Anstrengung der EU sinnvoll. Zuvor aber muss man das Potenzial, das es im Land noch gibt, ausschöpfen, etwa durch die Förderung von Vollzeitbeschäftigung oder den Versuch, das faktische an das gesetzliche Pensionsantrittsalter heranzuführen. Auch wenn jemand nach seinem gesetzlichen Pensionsantrittsalter weiterarbeiten will, sollte er das ohne Abgaben tun dürfen. Damit hätte man schon einen großen Teil des akuten Fachkräftemangels behoben.
Der nächste Unsicherheitsfaktor für die europäische Wirtschaft ist die US-Wahl: Sowohl Trump als auch Harris fahren eine protektionistische Wirtschaftspolitik, kündigen Zölle an. Geht die Wahl also so oder so gegen Europa aus?
Laschet: Die Idee, auf alles Tarife zu legen und europäische Autos von den amerikanischen Straßen fernzuhalten, wird zurückschlagen. Auch die Amerikaner sind auf offene Märkte und Exporte nach Europa angewiesen. Protektionismus hilft keinem Land.
Ruck: Wenn, dann hilft es auf lange Sicht der Wettbewerbsfähigkeit jener, die die Zölle überwinden wollen. Das ist unser Problem mit China. Eine staatlich geförderte, chinesische Exportpolitik wird Zölle als Chance sehen, um wirtschaftlich fitter zu werden.
Laschet: Man hat mal in Europa diskutiert, Zölle auf Stahl zu erheben, der nicht klimaneutral hergestellt wird, und dachte, man trifft damit China. Aber China wird so schnell in der Lage sein, klimaneutralen Stahl herzustellen, dass wir am Ende nicht hinterherkommen. Sanktionen und Zölle sind oft ein Innovationsmotor für den, der sie überwinden will.
Zurück in die USA: Wäre Trump oder Harris schlimmer für Europa?
Laschet: Wir waren zuletzt die demokratischen Regierungen gewöhnt, kennen die Crew von Präsident Biden und ahnen, dass die von Harris ähnlich sein wird. Anspruchsvoll würde es trotzdem werden, denn auch eine Regierung Harris wird mehr von Europa fordern. Trump ist ein wenig unkalkulierbarer. Aber er muss nicht die große Katastrophe sein, die jeder herbeimalt. Außenpolitik heißt, sich mit den Realitäten in der Welt, so wie sie sind, auseinanderzusetzen.
Ruck: Europa muss es gelingen, sich auf seine Stärken zu besinnen, seinen Markt, seine Wirtschaft, die Resilienz der Bevölkerung. Es gibt eine neue britische Regierung, die sich gegenüber Europa anders einstellt als ihre Vorgängerin – das, zum Beispiel, stimmt mich optimistisch.
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