Zittern vor Trump 2.0: Was der deutschen Wirtschaft blühen könnte
Dutzende Holzkreuze haben die Demonstranten vor dem Firmensitz in Duisburg in die Wiese gesteckt, daneben weiße und rote Grabkerzen. Wie ein Massengrab sollte es aussehen. Grund für den makabren Protest: Thyssenkrupp plant eine "Reduzierung der Produktionskapazitäten". Heißt: Stellenabbau bei Deutschlands größtem Stahlerzeuger.
Thyssenkrupp ist nur einer von vielen deutschen Riesen-Konzernen, denen es schlecht geht. So wie der gesamten deutschen Wirtschaft. Sie ist im zweiten Quartal überraschend geschrumpft, die Inflationsrate im Juli unerwartet gestiegen; Investitionen blieben aus, Stellen werden abgebaut, die Arbeitslosigkeit steigt. "Sind wir noch zu retten?", fragt sich wohl nicht nur ein Wirtschaftsjournalist des RND.
Dabei droht der Bundesrepublik noch ein viel größerer Schrecken: eine zweite Amtszeit von Donald Trump. Die treibt Ökonomen gerade tiefe Sorgenfalten auf die Stirn.
"America first": Zölle auf Importe
Trump selbst gilt als unberechenbar, seine "America first"-Politik ist es nicht. Der ehemalige US-Präsident brachte im Wahlkampf bereits einen 10-prozentigen Zoll auf alle Importe ins Spiel – der die exportabhängige Bundesrepublik hart treffen würde. Gerade haben die USA China als wichtigsten bilateralen Handelspartner Deutschlands überholt. Deutschland exportiert vor allem Fahrzeuge, Maschinen und Produkte der Chemiebranche über den Atlantik. Bis 2028 würde das Wachstum der deutschen Wirtschaft durch die angekündigten Importzölle um 1,2 Prozentpunkte reduziert, rechnete das Institut der deutschen Wirtschaft im Frühjahr vor.
Klaus-Jürgen Gern, Leiter der Internationalen Konjunktur am Institut für Weltwirtschaft (IfW) Kiel, nennt diese Zahl zwar "unsicher": "Sie ist das Ergebnis einer Simulation in einem Modell und enthält neben den Zollanhebungen die Annahme eines Vertrauensschocks." Die Größenordnung zeige aber, "dass die deutsche Wirtschaft von US-Zöllen doch erheblich betroffen wäre, und zwar sogar stärker als die US-Wirtschaft selbst."
Markt in USA fällt weg, Importdruck aus China steigt
Die Folgen wären höhere Preise und eine geringere Nachfrage in den USA. Der Absatzmarkt schrumpft, die Notwendigkeit zu produzieren auch, was Unternehmen weiter dazu zwingen könnte, Personal abzubauen. In Folge würde das auch einen Dämpfer der Konjunktur außerhalb der Exportbranchen bedeuten.
Zusätzlich würde ein weiterer Faktor die deutsche Wirtschaft unter Druck setzen: Denn Trumps Ankündigung, den Zoll auf chinesische Waren noch höher setzen zu wollen, nämlich auf 60 Prozent, wäre auch in Europa spürbar.
"China wird dann versuchen, diese Waren zu niedrigeren Preisen in Europa abzusetzen. Das können wir jetzt schon erkennen. Dagegen versucht sich die EU bereits mit Ausgleichzöllen zu wehren, um zu verhindern, dass sich der Druck auf die europäische Produktion zusätzlich verschärft", so der Ökonom zum KURIER.
Protektionismus ist nicht nur in den USA und China am Vormarsch, sondern auch in Ländern Asiens oder des Globalen Südens – alles wichtige Absatzmärkte für Deutschland. "Der Trend hat mit Trump begonnen, wurde unter US-Präsident Biden aber auch nicht zurückgenommen – denken Sie an den Inflation Reduction Act, der wesentliche protektionistische Elemente enthält. Auch die Einstellung von Kamala Harris ist eher protektionistisch." Der Fokus der EU liegt mittlerweile ebenfalls auf geopolitischen und geoökonomischen Risiken und treibt das "De-risking" voran.
Doch bei der Förderung der eigenen, "kritischen" Industrie – bestes Beispiel ist das Chip-Werk Intel in Magdeburg – steht die Bundesrepublik vor der nächsten Herausforderung: Woher das Geld nehmen?
Streitthema Schuldenbremse
Da tut sich das große Streitthema Finanzierung und Schuldenbremse wieder auf, das die Ampel-Regierung aktuell zu einer Neuschnürung des eigentlich schon beschlossenen Budgets 2025 zwingt. Klaus-Jürgen Gern spricht sich für eine Reform der Schuldenbremse aus: "Der Grundansatz, die Neuverschuldung in Zaum zu halten, bleibt zu unterstützen. Gegenwärtig haben wir aber besondere Herausforderungen, die politisch notwendig und ökonomisch wichtig sind und kurzfristige Investitionen erfordern" – etwa die Unterstützung der Ukraine, die Erhöhung der Ausgaben für die Bundeswehr, Ausgaben für Infrastruktur und Energiewende. "Die Herausforderungen dürften noch größer werden, wenn Trump die Wahl gewinnt, und könnten letztlich nur über eine höhere Verschuldung lösbar sein. Eine Finanzierung durch höhere Steuern oder Ausgabenkürzungen im Sozialbereich würde die Bevölkerung wohl nicht mitgetragen", so Gern.
Die Sorge um die deutsche Wirtschaft scheint also absolut berechtigt.
Gern stimmt zu, betont allerdings die Auswirkungen auf den Wechselkurs, den die Importzölle hätten: "Ein allgemeiner Zoll für alle Güter, wie von Trump vorgeschlagen, würde die relative Position Deutschlands gegenüber anderen Ländern nicht verändert. Gleichzeitig würde der Wechselkurs wohl mit einer Aufwertung des US-Dollars reagieren, damit ein Güter- und finanzwirtschaftliches Gleichgewicht entsteht. Die Aufwertung würde die preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produzenten in den USA wieder erhöhen, und der Zolleffekt dadurch gemindert."
Im ersten Halbjahr 2024 summierte sich der Warenaustausch zwischen der Bundesrepublik und den USA auf rund 127 Milliarden Euro. Insgesamt wuchsen die deutschen US-Exporte um 3,3 Prozent auf fast 81 Mrd. Euro.
Auf die USA folgt der Handel mit der Volksrepublik China. Die Exporte und Importe betrugen im selben Zeitraum knapp 122 Milliarden Euro. Das China-Geschäft schrumpfte um fast drei Prozent auf gut 48 Mrd. Euro.
Die Importe aus China brachen um knapp 8 Prozent ein. Grund dafür: die anhaltende wirtschaftliche Schwäche in Deutschland, die Konsumzurückhaltung und die stärkere Diversifizierung der Lieferketten. Die Einfuhren aus den USA gaben nur um 3,4 Prozent nach – gestützt durch die Lieferung von Energierohstoffen wie Flüssigerdgas.
2023 war China mit einem Handelsvolumen von rund 253 Mrd. Euro das achte Jahr in Folge die Nummer 1 – allerdings nur mit wenigen Hundert Mio. Euro Vorsprung vor den USA.
Und der Trend des Protektionismus, wird sich der irgendwann wieder umkehren? Dies könnte auf längere Sicht durchaus der Fall sein, wenn die wirtschaftlichen Kosten des Protektionismus mit der Zeit stärker spürbar würden. Der Aufschwung der Industrie in den USA über alle Branchen hinweg ist nicht so gelungen wie von Trump oder Biden erhofft, "demnach könnte man schon ein Fragezeichen hinter diese Programme setzen."
So oder so müsse sich die EU angesichts Veränderung der Weltwirtschaft rüsten – sonst drohe Deutschland eine längere Phase der schrumpfenden Wirtschaft. Gern sieht da die EU in der Verantwortung: "Wichtig ist, dass die EU den internen Markt zusammenhält und stärkt. Trump hat kein Interesse an einem ebenbürtigen europäischen Handelspartner und dürfte, wie die Chinesen, lieber bilaterale Abkommen mit einzelnen europäischen Ländern schmieden, um diese gegeneinander auszuspielen. Die EU ist gut beraten, nicht in die Dynamik eines Handelskriegs einzusteigen, sondern zu versuchen, die Welthandelsordnung wieder in Takt zu bringen. An einem Zusammenbruch können letztlich auch die USA und China kein Interesse haben."
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