Anschlag auf Trump: Wieso hat der Secret Service so versagt?

Anschlag auf Trump: Wieso hat der Secret Service so versagt?
Der Attentäter gelang unbemerkt auf das Dach eines Gebäudes nahe von Trumps Wahlkampfbühne – ein fatales Versagen, das der professionellste Sicherheitsdienst der Welt erklären muss

Der US-Secret Service, 1865 von Abraham Lincoln gegen die im Bürgerkrieg florierende Geldfälscherei als Spezial-Einheit gegründet, hält sich zugute, der professionellste Sicherheitsdienst der Welt zu sein. Die Zahl der Hollywoodfilme ist Legion, in denen patriotische Agenten erfolgreich Attentate auf den mächtigsten Mann der Welt in letzter Minute verhindern.

Am Samstagabend hat dieses Image metertiefe Kratzer bekommen. Nur durch einen glücklichen Zufall blieb Ex-Präsident Donald Trump in der Kleinstadt Butler im Bundesstaat Pennsylvania nach einem Attentatsversuch am Leben. „Entweder hatte der Schütze das von ihm eingesetzte Sturmgewehr in letzter Sekunde verzogen“, sagte ein Sicherheitsexperte aus Washington dieser Zeitung, „oder es war die minimale Kopfbewegung Trumps unmittelbar, bevor ihn eine Kugel am rechten Ohr streifte.“

Wie dem auch sei: Die aus insgesamt 300 Spezialagenten der „Presidential Protective Division“ bestehende engere Leibgarde des Ex-Präsidenten, steht seither massiv im Feuer. Unprofessionalität bei der Absicherung des Kundgebungsgeländes und angrenzender Gebiete wird der aus insgesamt 6.500 Beamten bestehenden Elite-Einheit vorgeworfen. Elon Musk, Chef des früheren Twitter-Kanals, heute X, fordert in Unkenntnis aller Fakten bereits die Demission von Direktor Kimberly Cheatle. Er suggeriert sogar, dass es „Absicht“ gewesen sein könnte - also unterlassene Hilfeleistung. Die Chefin des Secret Service wird am 22. Juli vor dem Kongress aussagen müssen. Die Republikaner, so Insider in Washington, „wollen sie vorführen“. Es drohe ein „Schlachtfest“.

Präsidentenmorde

Die Sicherheit des Amtsinhabers im Weißen Haus und eines Präsidentschaftskandidaten wie Trump zählt in den Amerika zu den wichtigsten nationalen Aufgaben. Der John F. Kennedy-Mord vor über 60 Jahren, einer von vier Präsidentenmorden bisher, hat das Land über Jahrzehnte traumatisiert. Seither gilt der Kernsatz: Der Secret Service darf sich keinen einzigen Fehler erlauben - ein Attentäter muss nur ein Mal Glück haben. Nach inoffiziellen Angaben von Experten des Heimatschutzministeriums ist in den vergangenen Jahren die Zahl von Extremisten und Wirrköpfen, die sich mit einem Schuss auf „POTUS“ (President of the United States“) in die Geschichtsbücher eintragen wollen, deutlich gestiegen. Daher, so republikanische Kongress-Abgeordneter, sei es „völlig unverständlich“, dass das aus hoch spezialisierten Elite-Kämpfern, Scharfschützen und Bombenexperten vom „Counter Assault Team“ bis zu „Special Weapons and Tactics“ die Umgebung der Open-Air-Bühne, auf der Trump sprach, offenbar nicht gründlich genug sondiert hat.

Die Kern-Frage lautet: „Wie kann es sein, dass ein 20-Jähriger 130 Meter von Trumps Rednerpult in aller Seelenruhe von einem Dach aus acht Mal abdrücken kann, obwohl Augenzeugen die örtlichen Sicherheitskräfte alarmiert hatten?“

Unbewachtes Dach

Kevin Rojek, der diensthabende FBI-Ortsführer in diesem Bereich Pennsylvanias, zeigt sich in einer Pressekonferenz hilflos. Er sei „überrascht“, wie oft der Täter schießen konnte. Seit Sonntag wird jede Szene aus Butler rekonstruiert, auch anhand von Handy-Videos. Dabei spielen zwei sogenannte „Counter Sniper“, die nicht nur bei Trump-Kundgebungen unter freiem Himmel schussbereit in Wartestellung liegen, eine wichtige Rolle. „Was haben sie wann gesehen? Warum haben sie erst geschossen, als die erste Kugel schon unterwegs war?“, fragt ein Kongress-Abgeordneter aus Maryland. Der ehemalige FBI-Spezialagent Steve Moore, ein früherer Scharfschütze, kritisierte im US-Sender CNN, dass das Dach des Gebäudes, auf dem sich Crooks in Stellung brachte, offenbar nicht bewacht war. Die kleine Gewerbeimmobilie grenzt an das Veranstaltungsgelände der Trump-Kundgebung. „Dieses Gebäude ist das nächstgelegene Gebäude mit einer klaren Sichtlinie zu dem Ort, an dem die Bühne stand“, analysierte Chacon und kritisierte mit Blick auf den Secret Service: „Ich bin schockiert, dass sie niemanden auf dem Dach hatten.“

Sehr schlecht aussehen lässt die Sicherheitsbehörden zudem, dass mehrere Augenzeugen im Detail berichteten, sie hätten den Verdächtigen vor dem Attentat gesehen und die Behörden kontaktiert. Ein Trump-Anhänger schilderte gegenüber der BBC, wie er den Attentäter mit einer Schusswaffe auf das Dach des Gebäudes kriechen sah. Er habe die Polizei darauf aufmerksam gemacht und sich gefragt: „Warum spricht Trump immer noch, warum haben sie ihn nicht von der Bühne geholt?“

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