Abdullah-Zentrum: Zuerst wollten es fast alle, dann niemand mehr

Die Eröffnung des KAICIID in Wien, 2012
Nur die Grünen traten seit 2011 konsequent und stringent gegen das König-Abdullah-Zentrum in Wien auf.

Der Islam ist der „Bruder der Religionen“, sagte Ahmed al-Tayeb 2011 und meinte: Auch der Islam sucht den Dialog, selbst der radikale, in Saudi-Arabien herrschende Wahhabismus. Großscheich al-Tayeb war als „Al-Azhar“ bereits damals die oberste theologische Autorität Saudi-Arabiens. Und er liebte den Dialog, vor allem mit Österreichs Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP).

Die Idee, ein interreligiöses Dialogzentrum in Europa zu errichten, wurde nach intensiven Gesprächen in Wien verwirklicht. Strikt dagegen, wegen Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien, waren die Grünen. SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ stimmten 2012 im Außenpolitischen Ausschuss für die Errichtung des Zentrums.

Abdullah-Zentrum: Zuerst wollten es fast alle, dann niemand mehr

Ahmed al-Tayeb (links) und Papst Franziskus (rechts)

Brutale Einzelfälle

Meinungen ändern sich: Es war schlussendlich eine Allianz aus SPÖ und FPÖ – gemeinsam mit Neos und Peter Pilz – die dem König-Abdullah-Zentrum (KAICIID) im Juni 2019 im Parlament den Sargnagel verpasste. Österreich sollte aus dem Gründungsabkommen mit Saudi-Arabien und Spanien aussteigen. Ein Jahr später haben sich Direktorium, Außenministerium und Mitgliedsstaaten offenbar auf einen Kompromiss geeinigt: Das KAICIID zieht in die Schweiz, nach Genf – der KURIER berichtete.

Aber was hat sich seit 2012 eigentlich in Saudi-Arabien geändert? Abgesehen von einigen Führungswechseln ideologisch eher wenig. Die Zahl der Hinrichtungen blieb halbwegs konstant und Frauen dürfen jetzt Autofahren.

Es waren Einzelfälle, wie die Verhaftung und Auspeitschung des Bloggers Raif Badawi oder der brutale Mord am Journalisten Jamal Kashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul, die für Empörung sorgen. Als Ex-Bundeskanzler Werner Faymann 2015 dem Dialogzentrum mit dem Rauswurf aus Österreich drohte, weil es sich nicht zum Fall Badawi äußern wollte, festigte sich der Widerstand. Offenbar war Faymann nicht bewusst, was laut Mandat die Aufgabe des KAICIID ist.

Es soll nicht als politischer Akteur auftreten und darf politische Vorgänge in seinen Mitgliedsstaaten nicht kommentieren. Das wirft eine Frage auf: Kann interreligiöser Dialog überhaupt apolitisch sein?

Pluralismus

Das Zentrum erfüllte jedenfalls sein Mandat und hüllte sich meistens in Schweigen. Den Terroranschlag 2015 in Paris verurteilte es sogar. Es trifft definitiv nicht zu, dass alle Mitarbeiter saudische Gräuel goutieren. Unter Generalsekretär Faisal Abdulrahman bin Muaammar herrscht Pluralismus.

Das KAICIID wird von einem Direktorium geleitet, das aus Vertretern aller Weltreligionen besteht. Und es zählt 56 Mitarbeiter aus 29 Ländern. 30 Prozent stammen aus Österreich, nur fünf Prozent aus Saudi-Arabien. Der Rest kommt aus verschiedenen Winkeln der Welt. Finanziert wird das KAICIID einseitig, von Riad, laut Jahresbericht 2019 mit mehr als 15 Millionen Euro pro Jahr.

Nur die Grünen traten konsequent und stringent gegen das Zentrum auf. Allen voran Alev Korun, die auf Twitter am Freitag den KURIER-Bericht kommentierte: „Steter Tropfen höhlt den Stein: Seit sechs Jahren demonstrieren wir vorm Saudi-Regime-finanzierten Abdullah-Zentrum.“

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