24-Stunden-Pflege: Warten auf den Zug aus Rumänien
„Ich kann nicht kommen“, sagt eine Frau, die – abwechseld mit einer Kollegin – immer 14 Tage eine pflegebedürftige Österreicherin betreut und die anderen zwei Wochen zuhause ist. Als die Grenzen geschlossen wurden, war sie gerade zuhause. „Meine Kollegin ist seit sieben Wochen bei unserer Klientin und kassierte Bonus und arbeitete durch. Ich sitze zuhause und bekomme nichts.“
Die einen arbeiten rund um die Uhr seit rund 50 Tagen, die anderen sitzen wegen der Grenzschließungen fest. Als Selbstständige hat sie seit der Rückkehr nach Rumänien keinen Cent eingenommen.
Immerhin werden Ein-Personen-Unternehmen wie sie jetzt vom österreichischen Härtefallfonds berücksichtigt, nachdem ein breites Bündnis das gefordert hatte. Vorausgesetzt sie haben ein österreichisches Konto und eine Steuernummer – was viele nicht haben.
Gleichzeitig versucht die österreichische Regierung, möglichst schnell eine Art Korridor für Pflegekräfte aus Osteuropa zu errichten. In Sonderzügen sollen in den nächsten Tagen rumänische 24-Stunden-Betreuerinnen nach Österreich gebracht werden.
Das hatte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bereits vorvergangene Woche angekündigt. Doch wenig später hieß es von rumänischer Seite, es gebe dafür kein Regierungsabkommen. Zwar waren zuvor bereits Charterflüge mit 306 Rumäninnen angekommen, die Luftverbindungen sind jedoch aus dem rumänischen Notstandsgesetz, das vorerst bis 15. Mai gilt, ausgenommen.
Zug verspätet
Mittlerweile hat Transportminister Lucian Bude eine Arbeitsgruppe mit der Organisation beauftragt, die CFR (rumänische Bahn) und die ÖBB arbeiten an einem Plan. Am Samstag hieß es, dass bis zum 9. Mai der erste Zug mit „rund 360 Personen“ nach Österreich fahren könnte. Sicher war das am Wochenende noch nicht.
In Österreich arbeiten laut Sozialministerium rund 33.000 Pflegerinnen und Pfleger bei älteren oder
behinderten Personen zu Hause.
Mehr als die Hälfte von den Pflegerinnen kommen aus Rumänien. Viele andere aus der Slowakei (30%), aus Kroatien (7,8%), Ungarn (5,6%).
1.200 bis 1.500 Euro verdient eine 24-Stunden-Pflegerin netto in Österreich. In Rumänien wären es rund 200–300 Euro.
Um zu verstehen, warum Bukarest so auf der Bremse steht, muss man nach Rumänien blicken. Die Pflegerinnen, die in Österreich zweifellos eine wichtige Säule der Gesellschaft sind, werden medial und von der Regierung im Normalfall nur am Rande beachtet.
Doch vor allem im Osten des Landes spielen diese Frauen (um die 90 Prozent des Pflegepersonals ist weiblich) eine große soziale Rolle. Insgesamt fehlen dem rumänischen Gesundheitssystem Krankenschwestern, doch die Migrantinnen sorgen in ihrer Region dafür, dass Familien mehr Geld zur Verfügung haben, sagt Mădălina Rogoz vom ICMPD in Wien, das als Forschungsplattform Migrationsbewegungen beobachtet.
Ihre Einkünfte, aber auch ihre regelmäßige zwei- bis vierwöchige Abwesenheit haben massiven Einfluss auf die Region. 5 von 20 Millionen Rumänen arbeiten im Ausland, Tendenz weiter steigend. Das hinterlässt in vielen Regionen vor allem Kinder und Alte.
Die rumänische Regierung geht davon aus, dass 160,000 Kinder von der Abwesenheit ihrer Eltern aus Arbeitsgründen betroffen sind. Bis zur Kürzung der Familienbeihilfe aus Österreich gingen 26 Millionen Euro an Zahlungen an diese Kinder, heute ist es die Hälfte.
Der Osten Rumäniens, aus dem die meisten Migranten (in Pflege, Landwirtschaft und Bauwesen) stammen, ist gleichzeitig die Region mit der schlechtesten Infrastruktur. Nicht nur was Straßen betrifft, sondern auch Krankenhäuser.
Der Grund warum die Regierung zögert? „Sie befürchtet wohl auch, dass diese Personen sich in Österreich anstecken und schließlich in der armen Region zu einer Verbreitung des Coronavirus beitragen, der das Gesundheitssystem nicht gewachsen ist“, sagt der rumänische Soziologe Barbu Mateescu zum KURIER.
Es sei außerdem lange unklar geblieben, wie die Frauen – großteils aus dem Osten des Landes – in die westliche Stadt Timisoara gelangen konnten, wo der Zug starten sollte, ohne dass etwa Begleiter die geltenden Beschränkungen verletzen.
Die Reaktion der rumänischen Minderheitsregierung auf die von Österreich geplanten Sonderzüge für Pflegekräfte lässt zudem erahnen, dass sie aus dem jüngsten Eklat um die rumänischen Spargelstecher, die vor zwei Wochen nach Deutschland ausgeflogen wurden, gelernt hat, sagt Politologe Alex Coita zum KURIER: Die Bilder der rund 2.000 am Flughafen Cluj auf engstem Raum zusammengepferchten Menschen gingen nämlich um die Welt; befeuert von Opposition und Medien, die Saison- und Wanderarbeiter als „Sklaven“ bezeichnen und teils der Regierung unterstellen, an den Vereinbarungen finanzielle Gewinne zu machen, erzählt Coita.
Kommentare