Alfred Noll: "Pilz-Liste keine One-Man-Show"

Alfred J. Noll am Podium
Der Wiener Rechtsanwalt Alfred Noll gilt als enger Vertrauter von Peter Pilz. Er ist überzeugt, dass eine neue Bewegung große Chancen hat und überlegt auch selbst anzutreten.

KURIER: Peter Pilz hat quasi schon angekündigt, dass er im Herbst antreten will. Glauben Sie auch daran?

Alfred Noll: Ich habe keinen Zweifel daran, dass er das wirklich will. Ich bin mir nur noch nicht sicher, ob er es auch schafft. Aber er hat ja angekündigt, dass er sich jetzt zwei Wochen Zeit nimmt, auch um den Untersuchungsausschuss zu Ende zu bringen. In dieser Zeit wird sich dann viel klären. Aber an seinem Willen habe ich keinen Zweifel.

Sie haben in einem Kommentar die Grünen harsch dafür kritisiert, dass Pilz abgewählt worden ist. Warum eigentlich die Aufregung? Die Grünen haben für sich ein Regelwerk aufgestellt, wie sie ihre Listen zusammenstellen - Pilz war daran maßgeblich beteiligt, jetzt wurde er durch einen Mehrheitsbeschluss nicht auf seinem gewünschten Listenplatz nominiert. Wo liegt das Problem?

Diese Abwahl war ein Zeichen politischer Unintelligenz. Peter Pilz ist ja nur ein Symptom, es wurden ja auch andere sehr gut Leute wie Bruno Rossmann, Wolfgang Zinggl oder Gabriela Moser abgewählt oder auf fast aussichtslose Plätze gereiht.

Nennen wir es doch einfach Generationenwechsel. Der geht in der Regel selten friktionsfrei über die Bühne.

Der Generationenwechsel ist ja kein Naturgesetz. Er ist Ausdruck des politischen Wollens. Man muss da schon schauen, was nachkommt. Und normal läuft das so ab, dass junge Leute in Positionen hineinwachsen, sachlich-politischer Ersatz sind, und dann würde das ja auch Sinn machen. Aber Julian Schmid, der „Nachfolger“ von Peter Pilz, ist ja symptomatisch für die Grünen: Die Inkarnation eines plakatgewordenen Wohlfühlprogramms. Aus seinen politischen Aktivitäten, besser gesagt an seinen Nichtaktivitäten, kann niemand ablesen, wer er ist. Deshalb ist das kein Generationenwechsel, sondern es ist ein programmatischer Wechsel, der hier von den Grünen bewusst vollzogen wurde.

Wenn man Peter Pilz aber die vergangenen Tage zuhört, klingt das alles nach beleidigter Leberwurst, die jetzt aus Trotz etwas Neues starten möchte. Täuscht der Eindruck?

Also von beleidigt sein merke ich nichts. Ja, es muss Neues entstehen, das ist die Konsequenz daraus, dass Pilz seine politische Programmatik bei den Grünen nicht mehr sieht, und dass er trotz vehementer Versuche in den vergangenen zwei Jahren die Grünen nicht dahin gebracht hat, auf ein Programm zu setzen, das über die Echokammern der Grünen hinausgeht.

Sollte Pilz tatsächlich antreten, wird er seine Partei, die er ja maßgeblich aufgebaut und geprägt hat, massiv schädigen. Das mutet doch etwas seltsam an.

Das darf kein Gesichtspunkt sein. Die Frage ist, welche Haltung man hat, und welche Konsequenzen man aus dieser Haltung zieht. Und es geht ja nicht darum, jetzt eine Partei durch eine andere zu ersetzen. Sondern darum, den Schritt in eine moderne Demokratie zu setzen, indem man Bürgerinnen und Bürgern die Zuversicht vermittelt, dass man auch in diesem Land etwas verändern kann. Es geht darum, sich in Bewegung zu setzen – Stillstand hat keine Zukunft.

Pilz sitzt seit 31 Jahren im Parlament, da hätte er Zeit genug gehabt, etwas zu verändern. Jetzt zu sagen, die Menschen sehnen sich nach etwas Neuem, klingt doch etwas kurios.

Das mag manchen Sesselklebern in diesem Land komisch vorkommen, aber Pilz ist trotz seiner 63 Jahre noch so jung wie es andere, die viel jünger sind, wohl nie gewesen sind. Die Sehnsucht vieler Leute in diesem Land, etwas zu ändern, wieder positiv an etwas glauben und auf etwas setzen zu können, die würde ich nicht unterschätzen.

Aber wie hoch schätzen sie das Wählerpotential ein?

Ich glaube, dass es in diesem Land ein großes Potential gibt, das ich ungefähr mit 20 bis 25 Prozent veranschlagen möchte. Das sind Leute, die sich nicht länger bevormunden lassen wollen, die angewidert sind, dass ihnen nur Geschichten erzählt werden, und dass alles, was irgendwie mit Politik zu tun hat, entweder in der täglich erfahrbaren Bevormundung oder in einer übel riechenden Packelei zwischen Politikern endet, die alles versuchen nur um an der Macht zu bleiben. Das sollte man sich nicht länger gefallen lassen.

Aber das sagt die FPÖ, Roland Düringer oder Beppo Grillo auch. Das klingt nach klassischer Protestpartei, deren Programm sich darauf beschränkt „gegen die da oben“ zu sein.

Das ist ja auch der „wahre Kern“ ihrer Demagogie, die ja nicht funktionieren würde, wenn nicht etwas Wahres dran wäre. Zunächst ist es kein Schaden, „gegen die da oben“ zu sein, sie gehören wirklich fast alle weg. Der entscheidende Punkt aber ist, diesen Protest dann konstruktiv werden zu lassen, nicht in Stereotype und Klischees zu verfallen. Am Beispiel des Islam lässt sich das schön illustrieren: Es ist eine Sache, gegen die in Österreich lebenden Muslime hetzerisch aufzutreten, wie das teilweise die FPÖ tut. Eine ganz andere Sache ist es, darauf hinzuweisen, dass ein politisierender Islam droht, uns die in Europa errungenen Freiheiten zu vernichten.

Was wird die Liste Pilz von den diesen klassischen Protestparteien unterscheiden?

Keine Ahnung – das wird abhängen von den Leuten, die sich mit Sachverstand, Witz und einer gewissen Hartnäckigkeit dafür begeistern lassen. Eine derartige Bürgerbewegung wird jedenfalls in Peter Pilz den größten Mahner haben, dass so etwas nicht zu einer One-Man-Show gerät. Der Unterschied ist einfach: Es gelingt, dass sich die Leute selbst bewegen und einmischen, oder sie werden bewegt und aufgemischt.

Das Programm von Pilz beschränkt sich gegenwärtig allerdings nur darauf, dass er den politischen Islam und die Korruption bekämpfen will. Das wird nicht ausreichen.

Nein, sicher nicht. Aber man muss auch nicht die Welt neu erfinden. Wenn Peter Pilz Gerechtigkeit fordert, dann ist dies natürlich vorerst nur eine Parole – aber es ist klar: hier geht es gegen die zunehmende soziale Ungleichheit in diesem Land. Man wird nicht auf die Schnelle ein konzises Wahlprogramm aus den Boden stampfen können. Das braucht Zeit. Jetzt geht es wohl darum, eine Richtung vorzuschlagen, und dann zu schauen, wie viele Leute sich in diese Richtung bewegen wollen. Es wäre ja absurd, schon jetzt diktatorisch vorgeben zu wollen und jetzt zu sagen: Wir wissen zwar nicht, wer sich für diese Bewegung einsetzen wird, aber es gibt jetzt schon ein verbindliches Programm, dem alle folgen müssen. Das wäre genau die Single-Man-Show, die Peter Pilz wohl am wenigsten goutiert. Es geht um eine Bürgerbewegung, in der sich Menschen mit Haltung engagieren.

Interessant ist freilich, dass der Boulevard Peter Pilz in den vergangenen Tagen hochjubelt, das klingt ein wenig nach unheiliger Allianz. Finden sie ihn wirklich so gut, oder wollen sie einfach den Grünen eines auswischen?

Das kann ich nicht sagen. In die Gedankengänge der Krone kann ich mich nicht gut reinversetzen. Aber Peter Pilz ist ein politisches Thema. Und für die Parteienlandschaft zeichnet sich ein paradigmatischer Wechsel ab. Die Leute sind in Bewegung. Und dafür hatte der Boulevard immer schon ein feines Sensorium.

Der Wahlkampf wird ja auch einiges kosten, unter einer Million Euro wird das nicht gehen. Schafft er das?

Geld wird nicht das Problem sein. Ich bin mir auch sicher, dass Wahlwerbung überschätzt wird. Ich kenne niemanden, der sich in Vorwahlzeiten nicht von dieser politischen Propaganda angewidert zeigt. Ich wäre ja dafür, dass in Vorwahlzeiten alle Plakataktionen untersagt werden. Es gibt andere Länder, die das schon machen. Ich glaube, dass über Social Media und über seriöse Berichterstattung heute die Inhalte viel besser transportiert werden können. Man wird sehen, wie sehr sich die sogenannten „seriösen Medien“ in ihrer Berichterstattung an ihre eigenen Kriterien gebunden erachten. Die Wirkung politischer Propaganda wird überschätzt.

Aber Pilz geht ein großes Risiko ein, das kann auch ordentlich daneben gehen.

No risk, no fun. Jetzt ist er aus dem Nationalrat draußen. Das Schlimmste, das ihm passieren kann, ist dass er draußen bleibt und sich alle mit ihm Engagierten sagen können: Wir haben es wirklich versucht.

Aber die Reputation wäre bei einem Scheitern dahin.

Von der in Art von Schulnoten verteilten Reputation kann kein Mensch abbeißen. Pilz hat mit seinem politischen Wollen nie das Risiko gescheut, er hat mehr darauf geachtet, was sich politisch realisieren und umsetzen lässt.

Werden Sie Teil des Teams sein?

Das kann ich mir gut vorstellen. Aber vorstellen kann man sich viel, das wird sich die nächsten Wochen klären.

Wer wird noch dabei sein?

Das kann man jetzt noch nicht sagen, aber der Zuspruch in den vergangenen Tagen war ja enorm. In den sozialen Medien und in tausenden Mails wurde Pilz ermuntert, etwas Neues zu machen. Das zeugt von einem Beteiligungs- und Demokratisierungswillen, mit dem nicht zu rechnen war. Pilz ist ja mittlerweile auch ein Getriebener, in den Erwartungen gesetzt werden.

Falls Sie im Team sein werden, wird das eine führende Rolle sein?

Die Zukunft ist noch nicht geschrieben. Wir schauen jetzt mal in den nächsten zwei, drei Wochen, wie sich Pilz entscheidet. Wer sich dann beteiligen will, und welche Leute es gibt, die hier Engagement zeigen möchten. Ich kann mir gut vorstellen, dabei zu sein – für jede Art von "Führung" bin ich eher ungeeignet

Aber wir reden hier von einem breiten Spektrum an Persönlichkeiten, die sich hier engagieren sollten? Also quer über alle Parteigrenzen hinweg?

So sehe ich das auch. Was es definitiv nicht geben wird, ist eine Partei, die mit Parteiprogramm und Klubzwang hier in den Kanon der übrigen Parteien eintritt. Es wird etwas geben, auch wenn das jetzt etwas klischeehaft klingen mag, "das sich bewegt". Und wenn es sich nicht wirklich bewegt, wenn es nicht getragen wird von der Haltung einer Vielzahl vernünftiger Leute, dann wird die Sache auch nichts werden.

Aber das haben die Neos schon vor vier Jahren gemacht, was ist der Unterschied?

Die Neos sind ein neoliberaler Selbstdarstellungsverein, der zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt die politische Unfähigkeit einer verkrusteten ÖVP nutzen konnte. Ihnen ist etwas gelungen, das von der Art des Auftritts her zu bewundern ist, aber nur mit entsprechender finanzieller Unterstützung von Haselsteiner und anderen gelungen ist. Peter Pilz braucht wohl keinen Haselsteiner, er braucht viele Menschen, die ihre Sache selbst in die Hand nehmen.

Was heißt das für die Grünen? Die wird eine eigene Liste Pilz natürlich am härtesten treffen.

Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Die Grünen sind nicht mein Thema, die müssen ihre Politik machen. Je besser sie die machen, umso mehr Zustimmung werden sie bekommen. Gut so. Aber mich würde es nicht wundern, wenn sie aufgrund ihrer aktuellen "Leistungen" etwas weniger an Stimmen erzielen werden. Aber das ist ihr Problem.

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