4,2 Prozent sind ein Affront

Die WKO wünscht sich weniger Überprüfung in Pflegeheimen.
Die WKÖ-Gehaltserhöhung liegt mit 4,2 Prozent über der Inflation und den anderen KV-Abschlüssen. Die Signalwirkung ist in Sparkurszeiten verheerend.
Johanna  Hager

Johanna Hager

Wie auf Ansage die Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen und  Gefahr laufen, sie zu verlieren. Wie mit Anlauf vieles konterkarieren, wofür man die letzten Monate mahnende Worte vor allem für andere gefunden hat.

Geschafft hat dies in vielerlei Belang und im negativen Sinn die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). 

Im dritten Jahr der Rezession, in einer Zeit, in der von Deindustrialisierung die Rede ist, davon, dass die Wirtschaftjedenfalls die deutsche, an der die heimische hängt, im Niedergang begriffen ist, wie IFO-Chef Clemens Fuest attestiert. 

In einer Woche, die in Österreich wieder mit steigenden Arbeitslosenzahlen beginnt (388.000 Menschen/ Plus 4,4 Prozent) und einer weiteren Insolvenz eines Traditionsbetriebs (Quester) macht die Presse publik, was manch einer in der Tagespresse vermuten würde: Die Mitarbeiter der Wirtschaftskammer erhalten eine Gehaltserhöhung von 4,2 Prozent. 

4,2 Prozent bedeutet eine Abgeltung über der gegenwärtigen Inflation (Oktober: 4 Prozent) und über jener der von Wifo und IHS erwartenden Jahresinflation von 3,5 Prozent. 

4,2 Prozent gleichen einer Provokation für all jene, die in den vergangenen Wochen und Monaten die Löhne und Gehälter ihrer Mitarbeiter ausverhandelt, neu verhandelt und darunter abgeschlossen haben. 

Zur Erinnerung: Die Beamtengehälter wurden ob der schlechten Wirtschaftslage und um als Staat mit gutem Beispiel voran zu gehen, neu aufgeschnürt, steigen ab Juli 2026 um 3,3 Prozent. Der Eisenbahner-Lohn wie beispielsweise die Pensionen erhöhen sich sozial gestaffelt kommendes Jahr um 2,7 Prozent. 

Das Plus von 4,2 Prozent gleicht einem Affront eingedenk der Wortmeldung ihrer Spitzenrepräsentanten, die Teil der zu Recht gepriesenen und hoch gehaltenen Sozialpartnerschaft sind und noch vor wenigen Wochen von "Augenmaß ist das Gebot der Stunde“ (WKÖ-Generalsekretär Jochen Danninger) sprachen. Und davon, dass die Branchen selbst wissen, „was sie zu tun haben. Es gibt einen Unterschied zwischen öffentlichen Reden und Geschrei und der Faktenlage dahinter. Es gibt viele Wirtschaftsbereiche, denen es nicht gut geht.“ (WKÖ-Präsident Harald Mahrer im Oktober 2025).

4,2 Prozent sind ein Affront

Der Aufschrei ist groß – von Vertretern der Industriellenvereinigung (IV-Wien: „fatales Signal für alle folgenden Lohnverhandlungen“), über die Opposition (FPÖ: „Schlag ins Gesicht für heimische Unternehmer) bis hin zum kleinsten Koalitionspartner Neos (Generalsekretär: „jegliches Maß und Bodenhaftung verloren“). 

Das Argument der WKÖ – "die jährliche Anpassung folgt einer im Juni an alle Fraktionen im erweiterten Präsidium der WKÖ beschlossenen Berechnungsformel, die sowohl Inflation als auch den Tarfilohnindex berücksichtigt“ – geht sich in einer Zeit, in der Beamten und anderen ein Sparkurs abverlangt wird, schwer aus. 

Auch, dass die "diesjährige Gehaltsanpassung die zum Teil hohen KV-Abschlüsse des vergangenen Jahres widerspiegelt, die meist zwischen 5,4 und 9,2 % lagen“ und "sich nachgezogen für die WKO eine Gehaltserhöhung von 4,2 % ergibt", legitimiert den Entscheid kaum. 

Auch, dass "dementsprechend sich die derzeit niedrigeren und für den Wirtschaftsstandort wichtigen KV-Abschlüsse schon nächstes Jahr in einer entsprechend niedrigeren Gehaltsanpassung niederschlagen werden“, macht die Begründung nicht nachvollziehbarer, denn: Die Signalwirkung ist – wo allerorts von "Symbolpolitik“ die Rede ist – verheerend. 

Die WKÖ hätte mit gutem Beispiel vorangehen können, sich selbst einen Abschluss unter der Inflation – egal ob jener vom Oktober oder der prognostizierten Jahresinflation – auferlegen können. Hat sie aber nicht. Dafür hat sie jenen Nährstoff gegeben, die die Kammer kritisieren,  die Kammerumlage stets als "Zwangsmitgliedsbeiträge“ definieren. 

Es ist wohl eine Frage der Zeit, bis der zweitgrößte Koalitionspartner, die SPÖ, sich zu Wort meldet, dass jeder und jede seinen Beitrag leisten muss. Es sei denn, die WKÖ nimmt sich ein Beispiel an den Beamten und schnürt ihre eigene Gehaltsverhandlung wieder auf. 

Andernfalls ist dem Zynismus, der bereits Raum greift, wohl Tür und Tor geöffnet (Einen Vorgeschmack darauf gibt vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit, der in einer Aussendung auch anlässlich der noch ausstehenden Lohnverhandlungen "das Umdenken der Wirtschaftskammer und ihres Präsidenten ausdrücklich“ begrüßt. "Lohnzurückhaltung und Kaufkraftverlust können keine Lösung sein – das haben wir als Gewerkschaft immer gesagt.“). Und die Zuversicht, dass es einen "Aufschwung“, weil es eine "gemeinsame, gesamtstaatliche Kraftanstrengung“ (Bundesregierung) gibt, dahin. 

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