Generalsekretär Danninger: "Dieses Jammern bringt uns nicht weiter"

Jochen Danninger (50) aus Klosterneuburg ist von der niederösterreichischen Landespolitik in die Wirtschaftskammer gewechselt. Er will, dass im Staat wieder mehr auf die Sozialpartnerschaft gesetzt wird. Und er deutet eine Lösung im Streit um das Trinkgeld an.
KURIER: Herr Danninger, bevor wir zur Wirtschaft kommen, einmal noch die Frage: Warum sind Sie von der niederösterreichischen Landespolitik in das Generalsekretariat der Wirtschaftskammer gewechselt? Immerhin waren Sie als Klubobmann in St. Pölten eine der zentralen Figuren der schwarz-blauen Koalition.
Jochen Danninger: Ich habe diesen Wechsel schon einmal in die andere Richtung gehabt. Es ist einfach das Angebot zur richtigen Zeit gekommen, weil ich für mich entschieden habe, wieder in der Wirtschaft tätig zu sein. Ich habe alles ein wenig Revue passieren lassen und bin zum Schluss gekommen, dass ich in Niederösterreich alles erreicht habe, was ich mir vorgenommen hatte. Dann habe ich im besten Einvernehmen mit der Landeshauptfrau die Entscheidung getroffen, die Herausforderung anzunehmen.
Sie waren vor Ihrer Zeit in Niederösterreich Staatssekretär im Finanzministerium. Wenn Sie aus diesem Winkel heraus die aktuelle Situation mit einem riesigen Budgetloch und einem Sparprogramm betrachten, was geht da in Ihnen vor?
Ich habe in den vergangenen Wochen die handelnden Personen kennengelernt und den Vergleich angestellt, wie es damals war, und was ist in Niederösterreich anders ist. Da habe ich schon gemerkt, dass das gegenseitige Vertrauen ausbaufähig ist. Ich will Ich will einen Beitrag leisten, dass es wieder mehr konstruktive Zusammenarbeit auf Bundesebene gibt.
Danninger: "Mehr Mut zur Zukunft"
Als Generalsekretär der Wirtschaftskammer ist man jemand, bei dem der Frust oder Ärger der Wirtschaftstreibenden über die derzeitige Situation abgeladen wird. Was sind da die Hauptprobleme, mit denen Sie konfrontiert werden?
Ich führe derzeit viele Gespräche und natürlich beginnen diese immer mit den Herausforderungen. Die sind im Bereich der Energie, bei den Lohnstückkosten, bei der Bürokratie. Im Laufe der Gespräche kommen wir aber immer zum selben Ergebnis, dass uns dieses Jammern und Schlechtreden nicht weiter bringt. Wir brauchen den Blick in die Zukunft. Das ist eine unserer Hauptaufgaben in der Wirtschaftskammer. Wenn man dieses schöne Land kennt, dann weiß man, dass es hier – vor allem im internationalen Vergleich – die besten Voraussetzungen gibt, erfolgreich zu sein. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es schon einmal leichter war. Es war aber auch schon einmal viel, viel schwieriger. Deswegen muss jetzt ein positiver Blick in die Zukunft gerichtet werden. Wir brauchen den Mut zur Zukunft. Wir brauchen wieder mehr Möglichmacher und weniger Bedenkenträger.
Jetzt die Stimmung in der Wirtschaft zu heben, klingt nach einer Sisyphus-Arbeit.
Aber es ist eine wichtige Rolle, die jemand wahrnehmen muss. Die Wirtschaftskammer hat Gott sei Dank die Kraft, diese Rolle einzunehmen. Es gibt zu viele, die größte Freude daran haben, dieses Land schlecht zu reden und bei allem und jedem das Haar in der Suppe zu finden. Da will ich dagegenhalten. Denn jetzt sind die Zeiten reif dafür, mutige Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Auch die Bevölkerung will das.
Trägt die Dreier-Bundesregierung genug dazu bei, dass man die Stimmung in der Wirtschaft heben kann?
Es muss jeder einen Beitrag leisten. Da ist die Regierung gefordert, aber auch wir als Sozialpartner insgesamt. Allein der Blick auf die Sparquote zeigt, dass die Menschen extrem verunsichert sind. Das ist für mich das Indiz, dass wir alles tun müssen, um diese Verunsicherung wieder zu reduzieren.
In der Vorwoche ist die Teilpension beschlossen worden. Sie haben das als Schritt in die richtige Richtung bezeichnet. Beim Wort Schritt klingt mit, dass es noch zu wenig ist.
Gerade im Bereich der Pensionen hat die Sozialpartnerschaft eine gewichtige Rolle. Wir wollen umsetzen und stehen zu dem, was im Regierungsprogramm vereinbart ist. Aber ich bin auch Vater von zwei Töchtern. Und jeder, der eins und eins zusammenzählen kann, sieht, dass wir Maßnahmen brauchen, damit die Menschen länger arbeiten. Da gibt es eine Fülle von Maßnahmen, die wir so rasch als möglich umsetzen müssen. Ich schaue immer auf internationale Vergleiche und da hat Österreich Aufholbedarf. Es gibt aber viele Menschen, die möchten mehr arbeiten, aber es zahlt sich nicht aus, weil am Ende des Tages für sie im Geldbörsel nicht mehr übrig bleibt.
Da muss noch was kommen.
Im Regierungsprogramm ist das Flat-Tax-Modell sehr genau abgebildet, dass wenn man über 65 Jahre ist und trotzdem noch arbeiten will, auch wirklich etwas in der Tasche übrig bleibt. Mit einer Flat-Tax von 25 Prozent. Das sind Maßnahmen, die rasch gesetzt werden müssen, damit die Menschen, die wollen auch können.
Sie haben speziell auf den Nachhaltigkeitsmechanismus hingewiesen. Das heißt, wenn sich das alles in der Zukunft budgetär nicht ausgeht, wird man auch das Pensionsantrittsalter anheben müssen. Was sagen Sie dann dazu, wenn gleichzeitig der Klubobmann der ÖVP, August Wöginger, sagt, mit der ÖVP gibt es kein höheres Pensionsalter?
Ich sage dazu: Ich stehe zum Regierungsprogramm. Aber ich sage auch dazu, es ist in unser aller Verantwortung, Reformen zur richtigen Zeit anzugehen. Jeder, der sich Reformen verweigert, trägt Schuld daran, wenn diese in Zukunft drastischer ausfallen müssen.
Teilpension auch für Selbstständige
Sie haben in diesem Zusammenhang auch die Teilpension für Selbstständige gefordert.
Dieses Modell muss auch für die Selbstständigen gelten. Das ist einer der Bereiche, wo man aufzeigen muss, dass die Arbeit der Selbstständigen in diesem Land auch wertgeschätzt wird. Da darf es keine Ungleichbehandlung geben zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen.
Als Generalsekretär der Wirtschaftskammer sind Sie Teil der Sozialpartnerschaft. Wie sieht es da derzeit mit der Gesprächsbasis zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmervertretern aus?
Die Gesprächsbasis ist gut, aber es ist in den vergangenen Jahren sehr viel Porzellan zerschlagen worden, als es noch eine andere Regierungskonstellation gegeben hat. Ich sehe es als eine meiner Hauptaufgaben, wieder eine stärkere Vertrauensbasis zu schaffen, weil die Sozialpartnerschaft ist aktueller denn je, weil die anstehenden großen Themen nur gemeinsam bewältigt werden können.

Jochen Danninger im Gespräch mit dem KURIER
Die angesprochene andere Regierungskonstellation: Ist da Türkis-Grün gemeint?
Ja, aber auch davor die Regierung mit der FPÖ, wo die Rolle der Sozialpartnerschaft etwas in den Hintergrund gedrängt war.
Wenn man die hohen Lohnabschlüsse der Vergangenheit ansieht, dann ist da die Rolle der Sozialpartnerschaft für den Standort aber auch ein Problem geworden.
Lohnverhandlungen finden auf Branchenebene statt. Wir mischen uns hier sonst nicht ein. An das halte ich mich natürlich. Aber Augenmaß ist das Gebot der Stunde.
Ein anderes Thema, das derzeit heftig diskutiert wird: Müssen für Trinkgeld Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden? Wie sieht es da mit der Gesprächsbasis der Sozialpartner aus?
Es gibt eine Sozialpartnereinigung und wir haben unsere fertige Lösung an die Regierung übergeben. Uns geht es um die Rechtssicherheit für die Arbeitnehmer und Betriebe. Ich rechne jeden Augenblick mit einem Anruf, dass es – vielleicht noch mit der einen oder anderen Adaption – umgesetzt wird.
Großer Wurf bei Bürokratieabbau?
Ein Thema, das die Wirtschaft seit Jahrzehnten begleitet, ist die Forderung nach Abbau von Bürokratie. Tatsächlich scheint allerdings die Bürokratie immer mehr zu werden?
Ich verstehe jeden Unternehmer, der sich mit den ganzen bürokratischen Hürden nicht mehr zurechtfindet. Ich weiß, was allein das Thema Nachhaltigkeit für Ressourcen in Unternehmen bindet. Hier muss jetzt Schluss sein. Begonnen auf der europäischen Ebene , auch auf der nationalen Ebene bis auf Landesebene. Aber ich habe bei allen Beteiligten noch nie so eine große Bereitschaft bemerkt, dass man das jetzt tatsächlich angeht. Wir werden als Wirtschaftskammer alle möglichen Vorschläge, die es in Hülle und Fülle gibt, einbringen. Ich bin zuversichtlich, dass uns da jetzt ein großer Wurf gelingen kann.
Es gibt ja mit Sepp Schellhorn von den Neos einen eigenen Staatssekretär dafür. Wie gut funktioniert da die Gesprächsbasis?
Es gibt mit allen Regierungsmitgliedern eine gute Gesprächsbasis. Es geht nicht um Ideologie, sondern es geht um Lösungen.
Zum Abschluss noch eine persönliche Frage. Sie haben jetzt Ihr Politiker-Dasein aufgegeben und sind in die Kammer gewechselt. Ist das der endgültige Abschied aus der Politik oder wird man Sie in Zukunft wieder auf Kandidatenlisten finden?
Ich bin mit dem Wort "Endgültig" sehr vorsichtig, aber es war ein ganz bewusster Schritt aus der Politik heraus.
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