Diese Woche endet die Mitgliederbefragung in der SPÖ. Auffallend beim internen Wahlkampf war, dass über den drei Bewerbern, Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler, ein Schatten schwebte: Der Schatten von Bruno Kreisky (Kanzler von 1970 bis 1983). Nicht selten nahmen die drei Kandidaten subtil (samt Foto des „Alten“ im Hintergrund) auf ihn Bezug. Kein Wunder. Kreisky holte drei Mal für die SPÖ die absolute Mehrheit. Und als er vor 40 Jahren die Absolute verlor, trat er zurück.
Kreisky-Komplex
Danach begann der langsame, aber sichere Abstieg der Partei. Und seit damals leidet die SPÖ unter dem „Kreisky-Komplex“. Kreisky vervollständigt seither neben Marx und Engels (bei den Salonbolschewisten der SPÖ ist es statt Engels zuweilen der Massenmörder Lenin) sozusagen die heilige Dreifaltigkeit der österreichischen Sozialdemokratie. Das trübt den Blick. Um Klarheit zu gewinnen, muss man Komplexe aber loswerden. Ein erster Schritt dazu ist immer die Entmystifizierung.
Jahrhundertpolitiker, aber nicht unfehlbar
Kreisky war ein Jahrhundertpolitiker, aber er war alles andere als unfehlbar. Er hatte kein Problem mit der FPÖ. Ihr verdankte er sogar seinen Aufstieg zum Kanzler, da die Blauen seine Minderheitsregierung 1970/71 unterstützten. Als dann 1975 der Nazi-Jäger Simon Wiesenthal herausfand, dass der damalige FPÖ-Chef Friedrich Peter im Krieg bei der Waffen SS gewesen war, startete Kreisky eine Hetzkampagne. Nicht gegen Peter. Gegen Wiesenthal.
Lesen Sie hier mehr über den aktuellen Wahlkampf zum SPÖ-Vorsitz
Zudem war Kreisky ein vehementer Befürworter der damals schon umstrittenen Atomkraft (er ließ das AKW Zwentendorf bauen). Und er war entschieden gegen den Beitritt Österreichs zur Vorläuferorganisation der Europäischen Union. Lustig eigentlich, dass ausgerechnet Kreiskys einstiger Sekretär Wolfgang Petritsch vorige Woche Rendi-Wagner wegen deren angeblich fehlender Europa-Strategie kritisierte.
Sozialliberale Volkspartei
Ein zweiter Schritt zur Lösung des Kreisky-Komplexes wären die Lehren aus der Geschichte. Kreisky formte aus der Klassenpartei SPÖ eine sozialliberale Volkspartei. Er gewann die Herzen des Mittelstandes mit dem Programm „Leistung, Aufstieg, Sicherheit“, nicht mit Linkspopulismus.
Doskozils Kampf für 2.000 Euro netto Mindestlohn und Bablers 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich müssen von den Steuerzahlern (Leistung! Aufstieg!) mit höheren und neuen Steuern gegenfinanziert werden, will man die mittelständischen Unternehmen damit nicht existenziell bedrohen. Forderungen nach höherem Mindestlohn und kürzerer Arbeitszeit sind zudem aus der Mottenkiste. Das ist eben das Problem der SPÖ. Sie träumt von der Vergangenheit. Diese „Sehnsucht nach gestern“ ist romantisch. Mit ihr gewinnt man aber weder Wahlen noch die Zukunft.
Kommentare