Wilder Westen statt Wokeness: Die USA und die Wahl mit dem Mittelfinger

Wilder Westen statt Wokeness: Die USA und die Wahl mit dem Mittelfinger
Welche Haltung hinter dem großen Zuspruch für Trump steht. Und was nun die angemessene Reaktion darauf wäre.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Donald Trump ist – nach Grover Cleveland Ende des 19. Jahrhunderts – erst der zweite Präsident, dem nach vier Jahren die Rückkehr ins Amt gelingt. Seine Wiederwahl zeigt, wie sehr die amerikanische Welt (und nicht nur diese) aus den Fugen geraten ist.

Ein wegen Missbrauchs Verurteilter zieht wieder ins Weiße Haus ein, obwohl seine erste Amtszeit gelinde gesagt problematisch war – das dokumentiert die Aggression seiner Unterstützer gegenüber allem, was nach liberal aussieht. Das erste Votum für Trump im Jahr 2016 war noch eine Art Protest-, wenn nicht sogar Spaßwahl, eine Stimme für einen goscherten Provokateur. Jetzt ist es die finale Abrechnung mit dem politischen System, mit der Rationalität, eine Wahl gegen eine sich wandelnde Welt und ohne Genierer.

Mehr Rechte für Frauen? Nicht mit uns. Umweltschutz? Ein teurer Unsinn. Krieg in der Ukraine? Sollen sich doch selber drum kümmern. Krieg im Nahen Osten? Vielleicht ist bald Bauland günstig zu haben. Europa? Ein tattriger Verwandter, der auf dumme Menschenrechte pocht. Justiz? Hat definitiv der Politik zu folgen. Demokratie? Überbewertet. NATO? Kostet nur Geld. Wokeness? Um Gottes willen, lauter Transsexuelle allerorts. Waffenverbot? Niemals.

Diese Haltung ist aus dem Wahlergebnis auch abzulesen. Dazu kommt die Ablehnung von Frauen in Toppositionen. Dreimal en suite ist Trump als Kandidat der Republikaner angetreten, zweimal hat er gewonnen, beide Male gegen Frauen. Die Demokraten mögen unzählige Fehler gemacht haben und am Sand sein – die Tatsache, dass Amerika nicht reif für eine Frau an der Spitze ist, lässt sich aber nicht leugnen.

Die US-Wähler haben der komplizierten Welt diesmal den Mittelfinger gezeigt. Sie wollen keine Moralapostel und Sprachpolizisten, sie wollen wieder leben wie in den (fiktiven) Glory Days. Jede Stimme für Trump ist eine für Egozentrik und Wurschtigkeit seiner Umwelt gegenüber. Teuerung, Migration, alles, was bedrohlich ist, wird den politischen Gegnern in die Schuhe geschoben. Dass das durchgeht, ist auch den sozialen Medien mit ihren Algorithmen anzulasten. Kein Wunder, dass Elon Musk gerade jetzt politisch aufzeigt. Die neuen Medien spielen sich als Weltmacht auf – und sind es leider auch.

Das doppelt Tragische an all dem: Trump ist auch eine Art Weltpräsident, der auf andere Länder ausstrahlt, ein Seismograf für allerlei (Fehl-)Entwicklungen. Jetzt nur empört zuzuschauen oder die Trump-Epigonen hochzuloben, wäre aber völlig falsch. Die einzig richtige Reaktion: Umso mehr seriöse Sachpolitik zu machen, an der Unabhängigkeit (der EU) zu arbeiten, ökonomisch und militärstrategisch – und sich im Umgang miteinander ordentlich zu verhalten. Europa darf nicht Amerika werden.

Ergebnisse der US-Wahl

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