In einem Interview meinten Sie mal: Weiße Schauspieler dürfen alles spielen. Umgekehrt nicht.
Das ist tatsächlich so. Aber wir sind ja gerade dabei, das zu hinterfragen und auch zu durchbrechen. Unsere Aufgabe ist es schon, sowohl auf der Bühne als auch vor der Kamera der Zeit voraus zu sein oder zumindest zeitgemäß zu sein. Ich möchte die Realität, die ich auf der Straße sehe, auch im Fernsehen und natürlich auf der Bühne sehen können. Was nicht bedeutet, dass wir uns jetzt ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen sollen. Es geht darum, dass wir eine Diversität haben, die unsere Gesellschaft spiegelt, die wir aber nicht noch dazu kommentieren müssen. Es geht darum, dass alle alles spielen dürfen. Und zufälligerweise haben halt eben einige dieser KollegInnen eine andere Hautfarbe. Dort wollen wir hin.
Merken Sie, dass sich in dieser Sache schon was tut?
Ich habe das Gefühl, man ist zumindest draufgekommen, dass man was tun muss. Es geht schließlich auch darum, die Theater zu füllen. Und wenn wir uns das Durchschnittsalter von Abonnenten anschauen, muss man sich schon die Frage stellen: Wer geht in 20 Jahren noch ins Theater? Und diese Arbeit müssen wir jetzt schon leisten.
Wenn Sie an die letzten Jahre zurückdenken, was hat sich denn konkret geändert?
Ich glaube, dass ich tatsächlich auch die erste Türkischstämmige am Konservatorium war. Das war damals nichts Selbstverständliches. Wenn ich mir jetzt, 20 Jahre später, die Schauspielschulen anschaue, ist da ein großer Unterschied. Dort ist man schon absolut angekommen. In Ensembles sowie Film und Fernsehen teilweise auch schon.
Was bräuchte es noch?
Sowohl in der Frauen- als auch in der Diversity-Debatte brauchen wir eine Quote. Das Ziel ist, dass selbstverständlich Menschen die Jobs kriegen, die dafür am meisten geeignet sind. Aber dort sind wir noch nicht. Außerdem muss man sich fragen: Wer trifft diese Entscheidung? Gerade in meinem Beruf ist es eine subjektive Wahrnehmung. Ich finde, gerade auch in den Chefetagen muss Diversität ankommen. Das ist keine Modeerscheinung. Und das muss man auch wirklich verstehen.
Sie spielen auch auf Türkisch. Inwiefern bereichert es eine Schauspielerin, eine weitere Sprache zu können?
Ja, aber leider nicht so oft. Ich habe, glaube ich, bis jetzt bei zwei oder drei türkischen Produktionen mitgemacht. Es ist eine Herausforderung, in meiner Muttersprache zu spielen, weil das dann doch etwas Anderes ist. Es ist dann ein ganz anderes Denken. Das genieße ich aber sehr. Für mich ist es nur eine Bereicherung. Mit meiner Tochter spreche ich auch ausschließlich Türkisch. Ich finde es absurd, dass wir auf der einen Seite unsere Kinder in irgendwelche Privatschulen schicken, damit sie die tollen Fremdsprachen lernen. Auf der anderen Seite haben wir aber Kinder, die schon mit zwei, drei Sprachen in die Schule kommen und denen wird das ausradiert. Das ist doch was ganz Tolles, das wir fördern sollten.
Sie sind in der Türkei aufgewachsen. Und erst fürs Studieren nach Wien gezogen. Warum eigentlich?
Ich war acht Jahre lang in der Deutschen Schule in Istanbul. Und ich war schon mit 16 Jahren in Wien, weil ich hier eine Freundin hatte. Da habe ich mich so sehr in diese Stadt verliebt, weil Wien mich auf eine ganz eigene Art und Weise an Istanbul erinnert hat und ich mich hier sehr zu Hause gefühlt habe. Bis auf die eine Freundin kannte ich hier niemanden. Sie erzählte mir vom Konservatorium und der Aufnahmeprüfung. So bin ich total blauäugig nach Wien, habe diese Aufnahmeprüfung gemacht und wurde auch aufgenommen. Seitdem lebe ich hier.
Wie war es anfangs in Wien für Sie?
Ich habe ja schon Deutsch gesprochen, aber nicht Wienerisch. Das war eine komplette Umstellung. Aber genau diesen Unterschied liebe ich auch. Eine andere große Umstellung war das Fremdsein. Ich komme aus einem Land, in dem ich zur Mehrheit gehöre. Und dann hier zu erleben, plötzlich eben nicht Teil der Mehrheit zu sein, die Ausländerin zu sein, das ist eine sehr ernüchternde Erfahrung. Ich würde wirklich jedem empfehlen für ein halbes Jahr einfach in ein Land zu gehen, wo man eben nicht mehr die aus dem siebenten Bezirk ist, sondern die Fremde. Dann wird man auch einiges verstehen und nachvollziehen können. Wenn man mal weiß, wie sich das anfühlt, nicht willkommen zu sein, obwohl man dort sein will.
Am 7. Januar haben sie ihre Premiere am Burgtheater. Wie aufgeregt sind Sie, nach dem Lockdown und zwei Jahren Pandemie wieder auf der Bühne stehen zu können.
Ich habe wahnsinniges Glück gehabt, dass ich mehr oder weniger durchgehend arbeiten konnte. Aber die Situation ist verheerend, vor allem für Freischaffende. Es geht jetzt nicht darum, ob wir diese Monate überleben oder nicht. Die Auswirkungen werden wir erst in den nächsten zwei, drei Jahren so richtig zu spüren bekommen. Und das Traurige ist, dass die Menschen in der freien Szene verloren gehen, weil sie eben auch nicht unbedingt die Plattformen haben. Das ist schrecklich. Wir schmücken uns immer damit, eine Kulturstadt zu sein und betonen, wie wichtig Kunst für dieses Land ist. In der Praxis sehe ich das noch nicht wirklich. Noch dazu kenne ich kein einziges Theater-Cluster. Theater waren von Anfang diejenigen, die am besten vorbereitet waren. Wenn es dann trotzdem nicht stattfindet, ist das natürlich schwer zu verstehen. Ich finde, die Politik hat hier einiges versäumt.
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