Seit wenigen Wochen ist er endlich wieder auf Kinoleinwänden zu sehen. Aleksandar Petrović spielt im "Fuchs im Bau", einem Film von Arman T. Riahi, mit dem ihn eine Freundschaft verbindet, die Hauptrolle.
Wenige Tage nach der Rückkehr aus Graz, wo das Drama über eine Jugendstrafanstalt die Diagonale eröffnen durfte, sprach der gebürtige Wiener mit dem KURIER über das "Quoten-Jugo"-Dasein, die Klischees, das Fehlen der Role Models unter den Gleichnamigen und wie er das Smalltalken verlernt hat.
Sie haben turbulente Woche hinter sich, mit der Diagonale etc. Wie ist denn "Fuchs im Bau" vom Publikum und Kritikern aufgenommen worden?
Aleksandar Petrović: Ich glaube, sehr gut. Bereits im Jänner sind wir beim Max-Ophüls-Preis gleich drei Mal gewürdigt´worden. Jetzt bei der Diagonale sind wir erstmals seit langer Zeit wieder mit dem Publikum in Berührung gekommen. Deshalb machst du im Grunde Kino-Filme.
Wie war das eigentlich, das Wiedersehen mit dem Publikum?
Etwas befremdlich. Einerseits wartest du und freust dich darauf, dass der Film endlich herauskommt - und dann auch noch als Eröffnungsfilm bei der Diagonale. Andererseits bekommst du, nachdem du ein Jahr lang mit niemandem geredet hast, so viel Feedback - und stellst dann plötzlich fest, dass du das Smalltalken verlernt hast. Emotional bist du wie ein Gefäß, das voll ist und du willst diese ganze positive Resonanz zurückgeben, weißt aber nicht mehr, wohin mit den Emotionen.
Die Schauspieler brauchen bekanntlich das Scheinwerferlicht. Wie ist es Ihnen denn in dieser "stillen" Zeit ergangen?
Es wurde eigentlich schon gedreht in der Zeit. Nicht durchgehend, aber doch. Ich habe etwa bis in den November hinein Drehtage gehabt. Ich habe aber nicht mehr gelitten als andere. Wir sitzen doch schließlich alle in demselben Boot.
Ein Aleksandar Petrović kann also einen Hannes Fuchs spielen? Wie lang hat’s gedauert, bis die Filmemacher das gecheckt haben?
Mit dem Thema Integration bzw. den Fragen "Wo bin ich, wo gehöre ich hin, bin ich ein Jugo oder ein Österreicher?" haben wir uns ausführlich in "Die Migrantigen" auseinandergesetzt, einem sehr persönlichen Film (Anm.: Regisseur Arman T. Riahi, Schauspielkollege Faris Endris Rahoma und Petrović schrieben das Drehbuch). Faris ist nämlich Sohn einer Steirerin und eines Ägypters, in der Steiermark geboren. Ich bin ein jugoslawisches Gastarbeiterkind, in Wien geboren. Arman ist ein Flüchtlingskind, das im Alter von zwei Jahren aus dem Iran herkam. Der Film kam völlig zufällig mitten in der Flüchtlingskrise heraus. "Gerade jetzt?!", konfrontierte man uns damals damit. Dabei hatte dieser Film rein gar nichts mit der Flüchtlingskrise zu tun. "Die Migrantigen" wäre in den letzten 20 Jahren eigentlich immer zum richtigen Zeitpunkt gekommen.
Nun kommt eine lästige Frage: Sind Sie nun ein Jugo oder ein Österreicher?
Es ist nicht lästig. Irgendwo ist es verständlich, dass sie kommt. Dennoch eine Frage vom Typ: "Wen liebst du mehr, deinen Vater oder deine Mutter?" Aber nochmals: Ich habe mich immer als Wiener gefühlt. Ich bin ein Jugo-Wiener und das ist eine eigene Kategorie.
Also gut integriert?
(Lacht) Ja, ich glaube schon. Zu gut vielleicht, denn damit jemand zu dir sagt “du bist gut integriert” muss dir immer noch etwas Ausländisches anhaften.
Dennoch mussten Sie in Ihren Filmen oft als "Quoten-Jugo" dienen?
Ich habe tatsächlich oft den Russen, den Ukrainer und natürlich den Jugo spielen müssen. Am Anfang bist du dankbar dafür, dass du überhaupt Rollen bekommst. Vollkommen egal welche. Dann spielst du halt den "angry, young man". Mit der Zeit wird's natürlich fad. Unsere Kritik an dieser klischeebehafteten Rollenverteilung steckt in "Die Migrantigen". Darin spielen wir gut integrierte Österreicher, die plötzlich zu ihren Wurzeln zurückfinden müssen und gar nicht mehr wissen, wie das funktioniert, ja wer sie überhaupt sind.
In einer Schauspielerkarriere kommt also der Punkt, wo es einem reicht, wo man nicht mehr das Klischee bedienen will?
Ich bin ja Wiener. Es wäre lächerlich, könnte ich einen Hannes Fuchs nicht spielen. Das sollte doch normal sein.
Das war aber nicht immer so ...
Ich wusste schon als Kind, dass ich Schauspieler werden möchte. Die Frage hat sich aber nicht gestellt, denn es gab niemanden. Es gab nicht den einen, den du im TV siehst und der ein "ić" in seinem Namen trägt. Ich rede hier nicht nur von Schauspielern, sondern von Moderatoren, Nachrichtensprechern etc.
Wie hat sich das zu ändern begonnen?
Vielleicht war das nur eine Frage der Zeit. Als ich klein war, gab es nur Türken und Jugos. Im Laufe der Zeit sind dann wahrscheinlich die "Ićs" das geworden, was vor hundert Jahren die Prohaskas und Swobodas gewesen waren.
Stecken wir immer noch in diesem Wandel?
Naja, Wandel ... Natürlich gab's irgendwann mal die Auseinandersetzung mit dem Thema "Ausländer im Fernsehen", aber in welchem Kontext? Entweder in der Täterrolle, wie etwa serbische Mafia im Tatort oder halt in der Opferrolle: der arme Ausländer. Wir in der Schule, Gymnasium, beim Studieren, also "normal"? Das gab's nicht. Es gab immer das Gleiche, dieses Schwarz-Weiß-Täter-Opfer-Ding. In Deutschland war man da immer viel weiter als hier. Das liegt auch an der Ignoranz.
Ignoranz?
Kennst du das, wenn du österreichischen Tatort über Ex-Mafia in Wien zu Hause vor dem Fernseher schaust und hörst, wie der Schauspieler seinen auswendig gelernten Text in Serbokroatisch von sich gibt, und nachher im Abspann liest, dass dieser Schauspieler ein Georgier ist? Dann fragst du dich, was sich wohl die 300.000 Ex-Jugos in Wien denken. Wenn sie so ignoriert werden und nicht mal den Respekt bekommen, dass ein Schauspieler das spielt, der das wenigstens ist. Aus den zwei vorgesagten Sätzen hört doch jeder Jugo heraus, dass die nicht aus dem Mund eines Jugos kommen. Dann ist es doch kein Wunder, dass die Menschen daheim TRT bzw. RTS oder Pink schauen (Anm.: türkischer bzw. serbischer Sender). Diese Menschen fanden sich ja nicht wieder in der hiesigen Medienlandschaft.
Fehlt diesen Menschen nicht auch ein bisschen das Selbstbewusstsein?
Das stimmt natürlich schon. Auch ich habe mir nach der Matura nicht mal gedanklich erlaubt, dass ich Schauspielerei machen könnte. Ich wollte das schon, aber irgendwie war es kein Thema. "Das macht man nicht", habe ich mir gedacht.
Haben Sie sich jemals für Ihren Namen geniert?
Ich habe meinen Namen tatsächlich nie als Nachteil empfunden. Im Gegenteil: In der Volksschule habe ich mich noch darüber geärgert, dass man mir meine Herkunft nicht ansieht. Ich war blond und man hörte es mir niemals heraus. Ich kann mich erinnern, einmal im Freibad gewesen zu sein, wo ich einen anderen 7-jährigen Buben kennenlernte. "Scheiß Türken und Jugos", schimpfte er. Und ich so: "Hey, ich bin auch ein Jugo", worauf er abwinkte: "Ach, du bist anders!" Das habe ich so oft gehört in meinem Leben. Ich war neidisch auf die 11-jährigen Türken, die schon einen Schnauzer hatten. Ich habe damals jedem, ob er's wissen wollte oder nicht, aufgedrückt, dass ich ein Jugo bin. Irgendwann habe ich mich als "Camouflage-Jugo" bezeichnet, als jemanden, dem man die Herkunft nicht anmerkt.
Sie haben anscheinend darin etwas Positives gefunden.
Definitiv! Das einzige, was ich als Kind nicht verstehen konnte, ist, warum die so komisch mit meinen Eltern redeten. Dieses "gibst du, machst du, hast du". Auch später in der Jugendzeit war das Jugo-Dasein immer ein Vorteil. Egal wohin du gehst, es gibt überall Jugos. Und man erkennt sich auch irgendwie, ob am Aussehen, Akzent ... Dann dropst du das und kriegst in der Kantine gleich die doppelte Portion Püree, zwei Fleischlaberl statt eines.
Wie ist denn Ihr Serbisch? Würden Sie sich eine Rolle in einem serbischen Film zutrauen?
Seit dem meine Eltern nicht mehr leben, verliere ich zunehmend meinen Wortschatz. Ich denke aber, dass ich ihn wiedererlangen könnte, würde ich ein halbes Jahr in Serbien verbringen. Damals waren in meiner Volksschule in den drei Klassen sicherlich zehn, zwölf Jugos. Unsere ganzen Jugo-Eltern haben sich organisiert und die Direktorin gefragt, ob uns in der Religionsstunde, in der wir alle nichts zu tun hatten, eine Lehrerin auf Serbokroatisch unterrichten könnte. Ich habe tatsächlich in der Odoakergasse in Ottakring kyrillisch lesen und schreiben gelernt. Das war in den 1980ern. Dennoch redet man heute immer noch von bildungsfremden Schichten.
Ein kleiner Integrationstest zum Schluss: Pljeskavica oder Leberkäse?
Pljeskavica.
Bilderbuch oder EKV (Anm.: legendäre Belgrader Rockband Ekatarina velika)
Puh. Schwer. Ich habe Phasen. Interessanterweise höre ich beim Vorbereiten auf meine Rollen gerne Jugo-Musik, und zwar weil es mich emotional abholt. In meinem Leben habe ich aber sicherlich mehr Bilderbuch gehört.
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