Zeynep Buyraç: "Weiße Schauspieler dürfen alles spielen, umgekehrt nicht."
Zeynep Buyraç kann sich an Vorsprechen erinnern, in denen sie gefragt wurde, ob sie diesen Namen als Schauspielerin wirklich behalten will. Das ist mehr als 15 Jahre her, und eigentlich hätte die in Istanbul geborene 39-Jährige, die in Wien studiert hat und sich als türkischstämmige Österreicherin begreift, an diesem Samstag ihr Burgtheater-Debüt gefeiert. Lockdownbedingt wurde die Premiere von Robert Ickes Schnitzler-Überschreibung "Die Ärztin" auf 23. Dezember verschoben.
Über die Inszenierung von Ickes "sehr freier" Version von "Professor Bernhardi", in der eine Frau die Hauptrolle spielt und Buyraç selbst eine Rolle namens Roger Hardiman übernommen hat, darf sie so gut wie nichts verraten. Nur so viel: "Die Ausgangssituation ist dieselbe wie bei Schnitzler, mit dem gravierenden Unterschied, dass wir eine Ärztin haben. Das Stück zeigt, was es heißt, in einer sehr männlich dominierten Arbeitswelt eine Professorin zu sein, noch dazu mit jüdischen Wurzeln..."
Für Buyraç, die zuletzt im TV in "Wischen ist Macht" und bei den Bregenzer Festspielen in "Impresario Dotcom" von Ľubica Čekovská zu erleben war, ist die Überschreibung des britischen Regisseurs "die logische Schlussfolgerung hundert Jahre später. Es ist auch ein Stück, das ein diverses Ensemble verlangt. Das ist hier nicht nur eine Regie-Idee."
Nicht Türkin genug
"Ich würde mir wünschen, dass viele Menschen, die mit diesen Themen tagtäglich zu tun haben, sich das Stück anschauen. Damit es wirklich dort ankommt, wo diese Diskussionen stattfinden." Apropos Publikum: Die von Martin Kušej verfolgte Politik, die Diversität der Gesellschaft auch im Ensemble abzubilden, hält Buyraç für dringend nötig. "Ich bin überzeugt, dass die Menschen, die sich selbst vertreten fühlen, auch ins Theater gehen werden. Aber wenn man selbst keinen Platz hat und nicht gesehen wird, wird es einen wohl nicht interessieren, dorthin gehen zu wollen." Sie selbst werde übrigens so gut wie nie als Türkin besetzt. "Ich bin offenbar nicht türkisch genug. Meine Haut ist zu hell, und ich habe keinen Akzent", lacht sie bitter. Wie unterrepräsentiert Schauspielerinnen mit türkischem Hintergrund aber sind, habe sich bei der Recherche gezeigt, ob sie die erste türkischstämmige Frau am Haus sei. "Das Burgtheater hat zwei Wochen lang recherchiert. Allein das war mir schon Antwort genug."
Noch immer viele NO-GOs
Dass diverse Ensemblemitglieder auch automatisch diverse Rollen spielen müssen, sei jedenfalls nicht der richtige Weg. "Weiße Schauspieler dürfen alles spielen, umgekehrt nicht. Das sollte hinterfragt werden." Die Diversität im Ensemble sei jedenfalls bereichernd. "Das bringt eine globale Weltanschauung mit sich und spannende Persönlichkeiten mit anderem politischen und kulturellen Bewusstsein treffen aufeinander", so die Schauspielerin, die schon bei der Erarbeitung der Inszenierung von "Die Ärztin" merkt, wo Österreich im Umgang mit Diversität etwa im Vergleich mit Großbritannien steht. "Viele Sachen, die dort NoGos sind, finden hier noch immer statt. Wenn man nur in der eigenen Blase lebt, überhört man einiges."
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