Zwist zwischen Serbien und Kroatien: Popstar an der Grenze verhört
Seve nacionale. Man muss kein Kroatisch können, um aus ihrem Spitznamen herauszulesen, welchen Stellenwert sie bei ihren Landsleuten genießt. Severina Vučković, von allen nur Severina genannt, ist DER Popstar in Kroatien.
Die 52-Jährige aus der Küstenstadt Split füllt seit Jahrzehnten die Stadien in ihrer Heimat, aber auch in den Nachbarländern. Ja, man könnte sagen, Severina ist die Madonna Ex-Jugoslawiens. Was sie tut oder zu sagen hat, beschäftigt die Menschen in der ganzen Region - sei es ein nicht jugendfreies Amateurvideo, das sie beim Liebesspiel mit ihrem damaligen Partner zeigt, oder ein geplanter Besuch in Serbien, der an der Grenze endete. Eben dieser Beinah-Besuch ist gerade DAS Thema am Balkan.
Inspektoren kamen erst 2,5 Stunden später
Severina hatte sich am Sonntagabend zusammen mit ihrem Manager im Auto auf den Weg nach Belgrad gemacht. Dort sollte die Popsängerin auf einer (wohl exklusiven) Privatparty auftreten, einer Geburtstagsfeier eines/einer 18-Jährigen. "Das Schicksal wollte es jedoch nicht so", schrieb Severina selbst am Montag auf ihrem Facebook-Profil.
Demnach wurde sie gegen 19:45 auf der serbischen Seite des Grenzübergangs Bajakovo angehalten. "Während der Prüfung unserer Reisedokumente forderte uns der Grenzbeamte auf, seitlich anzuhalten. Meine serbische Anwältin rief sofort die Grenzpolizei an, aber ohne Erfolg. Wir saßen mehrere Stunden lang im Auto. Dann ging ich zum Gebäude der Grenzpolizei und suchte nach einer Toilette, doch unterwegs wurde mir gesagt, dass 'Inspektoren des Serbischen Innenministeriums am Weg von Belgrad hierher' seien und wir warten sollen. Da wurde mir klar, dass es 'ernst' würde", ist in ihrem langen Posting zu lesen.
Polizei befragte sie zu Srebrenica, Operation Sturm, 2. Weltkrieg
Richtig unangenehm wurde es ihr zufolge, als die Inspektoren zweieinhalb Stunden später ankamen. 45 Minuten lang hätten sie den Wagen durchsucht, "so wie man es bei kleinen Schmugglern tut" (O-Ton Severina). Ihren Angaben zufolge hätten sie nach Waffen gesucht. Es folgte der Gang ins Polizeigebäude. Dort wurde es heikel.
"Während des Verhörs stellten sie mir Fragen darüber, was ich von Srebrenica und Oluja (Operation "Sturm", Großangriff der kroatischen Armee im Krieg gegen Serbien, Anm.) halte, warum ich die Demonstrationen gegen den Lithiumabbau unterstütze und in sozialen Netzwerken schrieb, dass dies das Serbien sei, das ich liebe. Sie wollten auch meine Meinung über Jasenovac (Konzentrationslager Jasenovac war das größte Sammel-, Arbeits-, Konzentrations- und Vernichtungslager im sogenannten Unabhängigen Staat Kroatien, in dem zahlreiche Serbinnen und Serben umgebracht wurden, Anm.), aber auch Franjo Tuđman (erster Präsident des unabhängigen Kroatiens, Anm.) hören", berichtet die 52-Jährige.
"Serbien, ich liebe dich … und ich wünsche mir, dass du so schnell wie möglich demokratisch wirst"
Es ging weiter mit unangenehmen Fragen zu dem Krieg zwischen Serben und Kroaten, die Inspektoren wollten u.a. wissen, was sie von vergewaltigten Serbinnen und aus Kroatien vertriebenen Serben halte. Sie wollte wissen, wer das Ganze veranlasst habe, erklärte, dass alle von diesem Vorfall erfahren werden und sie wie jede(r) andere ein Recht auf freie Meinungsäußerung habe.
"Ich habe auch gesagt, dass ich nie wieder nach Serbien kommen werde, solange der eine das Land anführe. Mehrmals flehte mich der Polizist an, das nicht zu tun, und erklärte mir, dass ich frei nach Serbien reisen könne", schrieb die Sängerin. Ihr Manager und sie entschlossen sich aber nach Stunden an der Grenze ihre Fahrt nach Belgrad nicht fortzuführen, sondern wieder heimzukehren. Zum Schluss ihres langen Postings schrieb sie: "Serbien, ich liebe dich... und ich wünsche mir, dass du so schnell wie möglich demokratisch wirst. Aber ich werde nie wieder nach Serbien kommen, bis er an der Macht ist. Wir wissen alle sehr gut, wen ich meine."
"Unter Beobachtung" wegen "Verbaldelikten"
Der Mann, der gemeint war, nahm am Montag Stellung zu dem Vorfall an der Grenze. Aleksandar Vučić sprach im staatlichen TV-Sender Pink ausführlich darüber, was vorgefallen war.
Zuvor hatte er allerdings seinen Außenminister Ivica Dačić vor die Presseleute geschickt und ihn erklären lassen, die Grenzpolizei habe Severina verhört, weil sie auf einer Liste stünde, auf der sich bekannte Persönlichkeiten befinden, die aufgrund von "Verbaldelikten" in Serbien "beobachtet" bzw. "kontrolliert" werden müssten. "Severina wurde weder festgenommen noch verhaftet, noch wurde ihr die Einreise nach Serbien verweigert, sondern sie wurde aufgrund der Kontrolle festgehalten", erklärte Dačić und kündigte an, er werde "die Abschaffung der Listen bei verbalen Verstößen" fordern.
Vučić: "Von Severina halte ich nur Schlechtes"
Dasselbe kündigte Präsident Vučić an. Die Abschaffung dieser "Listen" werde in den kommenden Tagen erfolgen, sagte er im TV-Interview. "Ich werde Sie jetzt mit dem überraschen, was ich sagen werde. Ich habe heute Morgen Dačić angerufen, ihn geweckt, um zu sehen, was mit Severina passiert ist. Er hat mir alles erklärt. Ich finde das auch sehr dumm und unnötig, nicht wegen Severina, von der ich nur Schlechtes halte", sagte das serbische Staatsoberhaupt und erklärte, warum er die umstrittenen Listen abschaffen wolle.
"Wir müssen uns in allem von ihnen (Kroatien, Anm.) unterscheiden. Gott bewahre mich davor, ein Land zu regieren, in dem jeder verhaftet wird, der Thompsons (berühmter nationalistischer Sänger aus Kroatien, Anm.) Lieder hört. Die Tatsache, dass sie Serbien hassen, spricht für sich selbst", sagte Vučić und erinnerte an einen Vorfall, der sich laut ihm wenige Tage zuvor an der kroatisch-serbischen Grenze ereignet haben soll. Ein serbischer Rechtsanwalt soll festgenommen worden sein, weil er im Auto ein bekanntes serbisch-nationalistisches Lied geträllert hatte. In diesem Zusammenhang sprach Vučić von einem "Serben, der von den kroatischen Behörden verhaftet wurde, nur weil er Serbe ist".
"Wir müssen sehr offen sein und sagen, dass Serbien kein demokratisches Land ist"
Am Dienstag folgte dann auch die Reaktion eines hochrangigen kroatischen Politikers. Der Parlamentspräsident Gordan Jandroković erklärte gegenüber Pressevertreten, Serbien provoziere ständig regionale Streitigkeiten und sei inkonsequent sowie prinzipienlos.
"Wir müssen sehr offen sein und sagen, dass Serbien kein demokratisches Land ist. Was sie Frau Vučković angetan haben, zeigt, wie sie alle behandeln, die eine andere Meinung haben als die herrschende Struktur in Serbien", sagte Jandroković und riet zur Vernunft. "Wir müssen hier klüger sein und dürfen nicht auf Provokationen hereinfallen. Ich möchte den Medien nicht vorschreiben, wie sie schreiben, aber ich denke, es wäre klug, wenn sie Vučić ein wenig ignorieren würden."
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