Tradition und Rückständigkeit - warum mich dieses Land ärgert
Sommer - die perfekte Gelegenheit, um sich Gedanken darüber zu machen, wo es noch schöner wäre, als daheim. Die Urlaubssaison gibt einem die Möglichkeit, diese Orte auch aufzusuchen. Einen Urlaubsort habe ich allerdings noch nie, auch nicht in den Corona-Jahren, in Betracht gezogen - Österreich. Über dieses Land ärgere ich mich zu viel.
Zugegeben, ich lebe in Wien und bin auch hier geboren. Der Gedanke, dass Österreich einen besseren Ort als Wien zu bieten hat, fällt mir ohnehin schwer. Trotzdem kann ich objektiv zugeben, dass viele Orte Österreichs mehr Natur und eine schönere Landschaft zu bieten haben. Die Berge, die Seen und die vielen grünen Paradiese lassen sich nicht ausblenden. Ganz subjektiv sind mir Berge egal und ich finde das Meer viel spannender als jeden See. Kurzum Österreich Urlaub hat mich noch nie groß angesprochen.
Richtig Panik bekomme ich allerdings, wenn ich an zwischenmenschlichen Kontakt außerhalb Wiens denke. Eigentlich sind es nicht die Menschen an sich, vor denen ich etwas Angst habe. Es sind eher ihre Ansichten und ihre möglichen Reaktionen auf Menschen wie mich - eine nicht-weiße Person. Ich habe nicht nur in Wien gelebt. Meine Jahre von 10 bis 18 in Wien-Umgebung haben mich dahingehend geprägt, dass ich die Diversität und Anonymität der Stadt nie wieder missen möchte. Die Ironie, dass viele Menschen im Gegenzug wegen dieser beiden Aspekte Angst vor der Stadt haben, entgeht mir nicht.
Rassismus hat in Österreich Tradition. Was allerdings oft vergessen wird: Traditionen können problematisch und gewaltvoll sein. Sie sind nicht immer schön. Nur weil etwas immer schon so war, heißt das nicht, dass es so bleiben muss. Von den Begrifflichkeiten, wie dem N-Wort, an denen festgehalten wird, bis zu Marken mit rassistischen Logos, wie das Mohrenbräu. Oder die generelle Tradition rassistischer Politik immer wieder viele Stimmen zu geben. "Das war immer schon so", scheint das Lieblingsmotto vieler Österreicher*innen zu sein. Weil das schon die Oma so gesagt hat. Oder der Opa. Oder der Großonkel, von dem ausgeblendet wird, dass er dem Nationalsozialismus auch nach Kriegsende immer treu blieb. Die viel gepriesenen Prozesse, wie Weiterentwicklung und Fortschritt sind plötzlich gefährlich und unmöglich. Besonders, wenn es um gesellschaftliche Themen geht. Scherzhaft wird davon gesprochen, dass in Wien alles 50 Jahre später passiert. Wie legen wir das auf ganz Österreich um? Denn die Uhren ticken besonders am Land etwas langsamer als in der Stadt - was wohl aber nicht Österreich spezifisch ist.
"Das war immer schon so", scheint das Lieblingsmotto vieler Österreicher*innen zu sein.
Störende Blicke & dumme Fragen
Viele nicht-weiße Menschen überlegen dreimal, ob es sich für sie auszahlt, aus der Stadt rauszufahren und dort möglicherweise Dinge zu erleben, die schmerzhaft sind. Man kennt sie, die störenden Blicke, die dummen Fragen, teilweise sogar offene Beschimpfungen und physische Gewalt. Rassismus tut immer weh. Im Urlaub aber besonders, weil versucht wird einem Alltag zu entfliehen. Die freie Zeit soll erholsam sein. Endlich einmal schöne Stunden tanken. Doch das Risiko erscheint groß, mich an Orte zu bewegen, an denen ich noch mehr Rassismus ausgeliefert bin. Denn so ehrlich muss man sein, auch in Wien ist er zur Genüge vorhanden.
So gerne ich Österreich auch mal ganz sehen will, ich ärgere mich. Ich ärgere mich über Traditionen, Rückständigkeit und den Unmut zur Veränderung. So werde ich wohl die Berge nie spannend finden und die Seen dem Meer nie vorziehen.
Schwarz mit großem S ist eine Selbstbezeichnung. Es ist ein Begriff, welcher sich nicht auf biologistische Merkmale stützt. Er bezeichnet eine soziale Konstruktion für Menschen mit gemeinsamen Lebenswelten und Erfahrungen, welche oft mit Rassismus im Zusammenhang stehen, doch auch andere Aspekte berücksichtigen. Im Gegensatz dazu wird der Begriff weiß wird in vielen wissenschaftlichen Kontexten klein geschrieben, oft ebenfalls kursiv. Das geschieht um ebenfalls anzuzeigen, dass es sich um eine soziale Konstruktion handelt.
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