Mehr als nur ein Körperteil
Arbeitgeber oder Bildungseinrichtungen finden sie oftmals immer noch „nicht ordentlich“ oder zu „unprofessionell“. In Teilen der USA gibt es gegen die Diskriminierung von Afrohaar sogar ein Gesetz - den Crown Act. Es ist also kein Wunder, dass sich viele Schwarze Menschen seit ihrer Kindheit mit dem Thema beschäftigen und ihre Haare als einen wichtigen Teil ihrer selbst sehen.
Der Afroshop ist oft der einzige Ort, an dem die Qualifikation für das Styling der Haare vorhanden ist. Die meisten weißen Friseur*innen haben die notwendigen Techniken nie gelernt. Doch nicht nur Schwarzes Haar wird gestylt, geflochten und geschnitten - auch weiße Menschen verirren sich vereinzelt in die Shops und lassen ihre Haare machen. Neue Geschäftsfelder werden somit erschlossen, zum Beispiel auch Perücken für Krebspatient*innen. Außerdem gibt es in den Geschäften zahlreiche Artikel wie Kleidung, Schmuck, Haarteile und Haarpflegeprodukte aller Art. Ein Shopping-Erlebnis mit Artikeln von Atlanta bis Lagos.
Eine Angelegenheit von acht bis zehn Stunden
Diese Art des Geschäfts – teils auch Ethno Business genannt – wurde in Wien besonders von Schwarzen Frauen gegründet. Spätestens seit den 90er Jahren gibt es sie im Wiener Stadtbild. Sie sind jedoch viel mehr. Es sind Community-Zentren. Die Friseur*innen arbeiten oft stundenlang an einer Person, denn besonders Braids, oder Rastazöpfe, brauchen je nach Länge und Stil teilweise Stunden. Da kann ein Friseurbesuch schon mal acht bis zehn Stunden dauern. Aus diesem Grund gibt es in jedem guten Afroshop noch zusätzliche Stühle - oder wenn es der Platz erlaubt, sogar eine Couch. Freund*innen können gerne mitkommen oder ein und aus gehen. Ob es die Bekanntschaften der Friseur*in oder der Kund*innen sind, ist nebensächlich.
Gesprächsthemen finden sich immer. Wenn die Eltern gerade Haare machen, was wie bereits erwähnt Stunden dauern kann, kommen gerne mal die Kinder aus der Schule und setzen sich dazu. Es wird geredet, gegessen und Nollywood-Filme werden geschaut. Nollywood, die Schwester von Hollywood und Bollywood, meint die nigerianische Filmwirtschaft, die Filme in alle afrikanische Staaten und nach Europa exportiert.
Kaffee oder Sekt, wie bei weißen Friseur*innen üblich, gibt es weniger. Wenn noch Essen über ist, wird allerdings gerne einmal eine Portion Stew mit Reis und Plantain angeboten. Obwohl ich meine Haare mittlerweile nicht immer im Afroshop flechten lasse, liebe ich sie. Immer, wenn einer schließen muss, tut es mir weh. Er ist einer der wenigen Orte, an dem das Schwarz-sein in Österreich sichtbarer Alltag ist. Der Text fungiert als eine Notiz an mich selbst, diese Orte nicht zu vergessen und mich bald wieder in den Friseursessel zu begeben.
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