"Woher kommst du?" und wie man eindeutigere Fragen stellt
"Das super rassistische Österreich hat dich einfach so studieren lassen? Am Ende auch noch gratis?", schreibt mir eine Person auf Twitter, nachdem ich dort über meinen Studienabschluss und Mastertitel geschrieben hatte. Ich hätte eine lange Antwort formulieren können, warum es relevant ist, sich Diskriminierung im Bildungssystem anzusehen.
Eine Sache fand ich spannender: Warum triggert es eine Person, wenn sich eine Schwarze Person über ihren Studienabschluss freut? Besonders ins Auge springt mir dabei, dass es jemanden stören könnte, warum ich gratis bzw. für einige Jahre beinahe gratis studieren konnte. Erwartet die Person auf Twitter etwas Anderes, weil ich eine Schwarze österreichische Staatsbürgerin bin? Eine besondere Dankbarkeit? So viele Fragen.
Dass im Kopf einiger Menschen meine Hautfarbe mit meiner Staatsbürgerschaft und Herkunft nicht zusammengeht, überrascht mich wenig. „Woher kommst du?“, ist ein Satz den nicht-weiße Menschen öfter hören, als sie zählen können. Das diese Frage problematisch ist und rassistische Gedankengänge aufdeckt, ist für viele Menschen schwer zu verstehen. Zur Verteidigung wird regelmäßig in Diskussionen erklärt, dass sie nur aus Neugierde gestellt wird. Oder, dass eine weiße Person diese Frage doch auch im Urlaub gestellt bekomme. Oder, jede diese Personen auch eine Person mit Akzent fragen würde. Ausgeblendet wird, dass viele Personen, die diese Frage gestellt bekommen, weder im Urlaub sind, noch einen Akzent haben. Sie haben einfach eine andere Hautfarbe, als die Person, die fragt.
Besonders spannend wird es, wenn man diese Frage wahrheitsgetreu beantwortet. Denn die Antwort wird selten akzeptiert. Besonders dann nicht, wenn es sich dabei um den gleichen Geburtsort, wie der von der Person handelt. „Österreich“, antworte ich. „Aber woher kommst du wirklich?“, fragt die Person. „Wien“, antworte ich. „Aber ursprünglich?“, wird weiter gefragt. Spätestens jetzt weiß ich, dass die Antwort „20. Bezirk“ sicher nichts bringt, obwohl es der Wahrheit entspricht.
Hautfarbe bedeutet nicht zwangsweise Nationalität oder Herkunft.
Die Person will eigentlich nur wissen, warum ich Schwarz bin. Das ist die Frage, die sich hinter „Woher kommst du?“ versteckt. Außerdem versteckt sich dahinter das Denkmuster, dass eine Schwarze Person nicht aus Österreich stammen könne. Nachdem sich die Wurzeln von Schwarzen Österreicher*innen Jahrhunderte zurückverfolgen lassen, zeugt das von eingeschränktem Denken. Oder zumindest von einer Bildungslücke. Mittlerweile wachsen Schwarze Menschen in Österreich auf, deren Eltern ebenfalls in Österreich geboren wurden. Hautfarbe bedeutet nicht zwangsweise Nationalität oder Herkunft.
Die beteuerte Neugierde ist in dieser Frage auch kaum zu finden. Denn wenn irgendwann von der Herkunft der Eltern oder Großeltern erzählt wird, geht kaum jemand drauf ein. Oft ist es der Gesprächseinstieg und nach der Beantwortung der Frage - und den Hinweis auf die (Groß)-Eltern - verschwindet die Person wieder. Vielleicht spielt auch hier eine Bildungslücke eine Rolle und die fragende Person könnte keine zwei Sätze über das Land formulieren. Wer nur wissen will, warum jemand Schwarz ist, sollte mutig genug sein diese Frage auch zu stellen. Sollte die Frage wieder im Kopf einer weißen Person auftauchen, wäre es hilfreich es ohne Verschleierung zu versuchen oder zu akzeptieren, dass diese Wahrheitsgetreu beantwortet wird. Besser noch, sie wird überhaupt nicht gestellt, wenn sie für den Kontext irrelevant ist und das Interesse an der Person nach dieser Frage endet.
Schwarz mit großem S ist eine Selbstbezeichnung. Es ist ein Begriff, welcher sich nicht auf biologistische Merkmale stützt. Er bezeichnet eine soziale Konstruktion für Menschen mit gemeinsamen Lebenswelten und Erfahrungen, welche oft mit Rassismus im Zusammenhang stehen, doch auch andere Aspekte berücksichtigen. Im Gegensatz dazu wird der Begriff weiß wird in vielen wissenschaftlichen Kontexten klein geschrieben, oft ebenfalls kursiv. Das geschieht um ebenfalls anzuzeigen, dass es sich um eine soziale Konstruktion handelt.
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