Einen Einfluss bekommt der Faktor meist nur, wenn sie sich von den sogenannten „anderen“ abheben. Die konstruierten „Anderen“ werden jedoch meist als Gruppe wahrgenommen und nicht als Einzelpersonen. Außerdem werden sie gerne mit problematischen Begrifflichkeiten versehen.
Macht und Privilegien
Doch auch weiße Menschen haben Gemeinsamkeiten. Sie entsprechen einer Norm und sind die Mehrheitsgesellschaft. In einer Welt, die von White Supremacy, also weißer Vorherrschaft geprägt ist, besitzen sie Macht und Privilegien. Macht in Bezug auf politische, gesellschaftliche Teilhabe, im Bildungsbereich, in der Medizin und in der Arbeitswelt. Kurz gesagt, die Welt ist auf weiße Menschen ausgelegt. Auf individueller Ebene fühlt es sich oft nicht so an. Als Gruppe gesehen, trifft das allerdings zu – wie auf die Machtposition von Männern im Patriarchat.
"Das ist doch rassistisch!", ist eine Aussage, die immer dann gezückt wird, wenn Menschen als weiß bezeichnet werden, besonders wenn darauf hingewiesen wird, welche Privilegien weiße Menschen besitzen. Nein, es ist kein Rassismus, jemanden weiß zu nennen. Schwarze Menschen wären froh darüber, wenn wir als Schwarze Menschen bezeichnet werden würden. Es ist ein respektvoller Begriff. Stattdessen hören wir immer noch das N-Wort und andere Beschimpfungen. Weiße Menschen können froh sein, gleich einen respektvollen Terminus zu bekommen. Besonders die lange Geschichte der Unterdrückung und Gewalt, die mit den diskriminierenden Begriffen einhergeht, wünsche ich niemandem.
Es ist ebenfalls nicht Rassismus zu erkennen, dass Menschen verschiedene Lebensrealitäten haben. Bezeichnungen, wie Schwarz und weiß, machen genau das. Sie sind soziale Konstrukte, die darauf hinweisen, welche Lebensrealitäten Menschen gemeinsam haben. Dabei geht es weniger um die biologistischen Merkmale, wie die Hautfarbe als solche, sondern eher darum, wie diese gesehen und von außen eingeordnet werden. Die Lebensrealitäten und Erfahrungen, die mit anderen geteilt werden, sind entscheidend.
Benennen und verstehen
Das „Ich-sehe-keine-Farben“-Mindset ist deshalb nicht zielführend, weil wir noch lange nicht an einem Punkt angekommen sind, an dem wir alle dieselben Chancen haben. In einer Gesellschaft ohne Rassismus, Diskriminierung und Benachteiligung können wir diese Haltung entwickeln. Dort wäre sie wünschenswert. Wenn die Unterschiede im Umgang mit verschiedenen Menschen allerdings nicht gesehen und ausgesprochen werden, kann keine Bekämpfung dieser Umstände stattfinden.
Falls sich also weiße Menschen von dem Begriff selbst angegriffen fühlen, könnten sie sich ja ebenfalls darum bemühen, eine andere Bezeichnung für sich zu finden. Ich spreche niemanden das Recht der Selbstbezeichnung ab. Es bleibt jedoch wichtig Weiß-sein zu benennen und sich als Gruppe zu verstehen, die Macht ausübt. Auch wenn es der einzelnen Person oft nicht bewusst ist und sie sich auf anderen Ebenen benachteiligt fühlt.
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