Türkin, Österreicherin, Austrotürkin
Irgendwo wollen alle Menschen dazugehören. Eine Nationalität ist oft die einfachste Form davon. Ich bin in Österreich geboren. Passt, ich bin Österreicherin. Eine Verbindung zu rund neun Millionen Menschen. Einfach so.
Nur eben, dass es nicht immer so einfach ist. Ich bin auch in Österreich geboren. In meiner Jugend hatte ich sogar die Gewohnheit, das extra zu betonen. Damit man eh gleich wusste, ich gehöre dazu. Der übliche Nachsatz kam allerdings immer: "Aber warte: Woher kommst du wirklich? Wien? Nein, ich mein' so wirklich."
Denn, ganz gehör(t)e ich nach der Auffassung anderer dann doch nicht dazu. Denn da ist ja mein Name (den keiner aussprechen kann). Ah, und Türkisch spreche ich auch. Sogar in der Öffentlichkeit (was für eine laute Sprache).
Anderes Land, gleiches Problem
Und in der Türkei dann dasselbe Spiel. Türkin, weil man das Kind türkischer Eltern ist. Aber man ist dann doch woanders aufgewachsen – in der Türkei damit ein Almanci, also eine Deutsche, auch wenn man mit Deutschland nichts zu tun hat. So ganz Türkin ist man dann eben auch nicht. Weil, man trinkt vielleicht lieber Kaffee als Cay (Anm. für meine Österreicher: Tee auf Türkisch) in der Früh oder versteht nicht, warum bei Freunden übernachten so ein großes Problem ist.
Als Kind türkischer Eltern in Österreich bin ich zwischen zwei Welten, Kulturen oder wie auch immer man es sonst bezeichnen möchte, aufgewachsen. Beide sind Teil von mir, aber zu keiner gehöre ich zu 100 Prozent. Dennoch wird verlangt, sich für eine Seite zu entscheiden. Von der Familie, FreundInnen und Bekannten oder auch LeserInnen.
Warum überhaupt?
Wenn ich in meinen Artikel von türkischstämmigen Menschen in Österreich als ÖsterreicherInnen schreibe, bekomme ich Leserbriefe und Kommentare, die sagen: Das sind doch keine Österreicher. Wenn ich von türkischstämmigen Menschen, die in Österreich leben, als TürkInnen schreibe, bekomme ich Leserbriefe und Kommentare, die sagen: Die leben hier, also sind sie Österreicher. Wenn ich von türkischstämmigen Menschen in Österreich als AustrotürkInnen schreibe, bekomme ich Leserbriefe und Kommentare, die meinen, das geht nicht, man kann nur eines sein.
Wollen Sie wissen, wie ich mich bezeichne? Als Österreicherin. Natürlich. Und als Türkin. Selbstverständlich. Und als Austrotürkin. Logisch. Sich für eine „Seite“ entscheiden zu müssen, ist in etwa wie sagen zu müssen, welches Elternteil man lieber hat. Und im Grunde ist es auch nicht wirklich notwendig. Die Welt war wahrscheinlich noch nie globaler, als sie jetzt ist. Wir reisen, ziehen um, bewegen uns – weil wir wollen, oder auch vielleicht auch weil wir müssen. Menschen, die einer, mehrerer oder vielleicht auch gar keiner Nationalität zugehörig fühlen, spiegeln im 21. Jahrhundert einfach nur die Realität wieder.
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