"Wie Sklaven": In dieser serbischen Firma sollen Mitarbeiter Windeln tragen

Symbolbild
Angestellte des großen Unternehmens "Yura" aus der Stadt Niš berichten von äußerst prekären Arbeitsverhältnissen.

"Heuer wurde die Klimaanlage überhaupt nicht eingeschaltet", schilderten einige Mitarbeiter:innen der "Yura Corporation" gegenüber dem Blatt Danas ihre Arbeitssituation. "Aufgrund der Hitze ist es in der Produktionshalle bereits um 10 Uhr heiß wie in der Hölle. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Kollegen, um deren Gesundheit es schlechter bestellt ist, einfach umfallen". Aus Angst vor einer Entlassung wollten die Arbeiter:innen anonym bleiben. Die prekären Arbeitsverhältnisse nehmen sie einfach so hin. Und das seit Jahren. 

Der südkoreanische Automobilzulieferer "Yura Corporation" hat vor elf Jahren in Niš, mit rund 260.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Serbiens, ein Werk eröffnet. Mittlerweile zählt dieses 2.700 Mitarbeiter:innen, die größtenteils am Fließband stehen, Kleinteile für Autos herstellen - und mit den Bedingungen hadern. So tauchten bereits 2016 Berichte darüber auf, "Yura"-Mitarbeiter müssten Windeln tragen, um nicht während ihrer Arbeitszeit auf die Toilette gehen zu müssen. 

Entsprechende Vorwürfe seitens der Angestellten dementierte sowohl die Geschäftsführung als auch das Staatsoberhaupt Aleksandar Vučić höchstpersönlich. Bei einem Werksbesuch stellte Vučić fest, dies sei kein "grausamer Betrieb", sondern "das beste Unternehmen", dessen Aussehen ihn "stolz" mache und in dem er "weit und breit keine Windeln" gesehen habe. Zugleich bekräftigte er, dass "die Ära des utopischen Sozialismus und der Selbstverwaltung" vorbei sei.

"Wir leiden und arbeiten"

Mit derartigen Aussagen dürfte sich der Präsident in Niš keine Freunde gemacht haben. Denn der Groll gegenüber dem südkoreanischen Arbeitgeber wächst auch unter der restlichen Stadtbevölkerung. Über diverse Facebook-Gruppen fragen die Stadtbewohner die "Yura"-Angestellten, warum sie überhaupt zugestimmt hatten, die überhitzten Werke zu betreten, und wundern sich, warum sie nicht den Aufstand gegen das Werksregime proben. Andere wiederum äußerten Verständnis für deren Schweigen, da sie selbst erlebt haben, wie es ist, im Werk einer ausländischen Firma in Serbien zu arbeiten. Tatsächlich tauchten in den vergangenen Jahren immer wieder Medienberichte über prekäre Arbeitsbedingungen in den Produktionshallen ausländischer Investoren auf. 

Dennoch scheint die Angst in dem Land, in dem das Monatsdurchschnittsgehalt 621 Euro beträgt, vor der Arbeitslosigkeit größer zu sein als vor miserablen Arbeitsbedingungen. "Wir alle, die da arbeiten, haben kein anderes Einkommen. Wir haben keine Eltern, die uns unterstützen können, wir haben keine Ehemänner, die genug verdienen würden, um die ganze Familie zu ernähren. Auch mit zwei Gehältern kommen wir kaum über die Runden. Wir leiden und arbeiten, weil wir im Moment keinen besseren Job haben", beichtete eine "Yura"-Mitarbeiterin dem Portal Nova.rs

Ihr zufolge seien die Arbeitsbedingungen in anderen Unternehmen in der Stadt nicht besser. Deshalb würden ihre Kollegen "Yura" treu bleiben. "Dort müsste man sich wieder an die neue Arbeit und neue Kollegen gewöhnen und das Gehalt ist mehr oder weniger gleich, 40.000 bis 50.000 Dinar (umgerechnet 340 bis 425 Euro, Anm.). Auch dort wird hart gearbeitet, jeder einzelne Schritt wird überwacht", behauptet die Frau. "Jeder Toilettengang wird kontrolliert, man muss sich beim Aufseher melden, wenn man aufs Klo gehen will". 

"Jeder, dem es nicht gefällt, kann nach Hause gehen"

Die Arbeiter seien auf sich allein gestellt und bekämen keine Unterstützung vom Staat. Die Arbeitsinspektion schaue weg. "Die Arbeitsinspektion kommt und geht wieder. Meine Mutter hat in einem staatlichen Unternehmen in Niš gearbeitet, das früher bis zu zehnmal am Tag kontrolliert wurde. Seitdem die Koreaner das Unternehmen gekauft haben, ist die Inspektion nicht einmal gekommen", erzählt die Frau, die sich selbst und Kollegen aus ihrem Unternehmen als "Sklaven" bezeichnet. 

Sie alle haben Anfang letzter Woche eine Petition zum Einschalten der Kühlgeräte unterschrieben und in die Unternehmens-"Kummerbox" gesteckt. Das habe bisher keine Wirkung gezeigt - obwohl mehrere Betriebsleiter versichert hätten, den Betrieb zu stoppen, bis die Hallen ausgekühlt seien. 

"Mitglieder des Betriebsrates sprachen mit dem Vertreter der Geschäftsleitung, einem Koreaner. Dieser sagte ihnen aber, dass jeder, dem es nicht gefällt, dass die Klimaanlagen nicht eingeschaltet sind, nach Hause gehen kann. Einige Manager griffen uns sogar an und sagten, bis gestern hätten wir Heu gesammelt und würden jetzt eine Klimaanlage wollen", sagten einige ratlose Arbeiter gegenüber Danas. Die einzige wirkliche Lösung bei der Hitze, die in Serbien zwischenzeitlich die 40-Grad-Marke erreichte, sei es, die Produktion einzustellen. Derjenige, der das wage, würde aber bestraft werden, sind sich die "Yura"-Angestellten sicher. 

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