Umstrittene Verjüngungskur: Ist das Altern bald umkehrbar?

Alte Zellen verjüngen? Beim Thymus soll es gelungen sein.
US-Forscher behaupten, dass ihnen das gelungen sei. Doch viele Fragen sind noch offen.

Eigentlich ist die Pubertät eine Phase der Weiterentwicklung. Aber die Thymusdrüse (im Brustkorb zwischen Brustbein und Herz) beginnt in dieser Phase bereits mit ihrer Rückbildung. In ihr entwickeln sich Abwehrzellen, die T-Zellen: "Dort lernen sie, zwischen eigenen Zellen und Eindringlingen – etwa Bakterien oder Viren – zu unterscheiden", sagt der Molekularbiologe und Spezialist für Alterungsvorgänge, Günter Lepperdinger von der Uni Salzburg.

"Ab der Pubertät geht die Bildung von T-Zellen mehr und mehr zurück, spätestens um 40 herum ist sie beendet." Thymusgewebe wird durch Fettzellen ersetzt. Dann muss der Körper mit seinen Reserven auskommen.

Die biologische Uhr zurückdrehen

In einer – noch unveröffentlichten – Studie des US-Unternehmens Intervene Immune soll es jetzt bei neun Männern zwischen 51 und 65 gelungen sein, durch eine Kombination von drei Substanzen Thymusgewebe ohne Nebenwirkungen zum Wachsen anzuregen. 

Wie Zeit Online berichtet handelt es sich dabei um das Anti-Diabetesmittel Metformin, das Wachstumshormon hGH und das Sexualhormon DHEA.

Entzündungswerte im Blut gingen zurück. Veränderungen an der Erbsubstanz würden zeigen, dass sich das biologische Alter der Probanden um zweieinhalb Jahre verjüngt hätte. Ein Proband erklärte sogar, dass ihm wieder dunkle Haare gewachsen seien. Laut Studienleiter Gregory Fahy sei erstmals die Lebensuhr zurückgedreht worden – eine umstrittene Aussage.

"Als kleine Pilotstudie ist das interessant – aber es geht in dieser frühen Phase immer auch um Marketing für mehr Mittel", sagt Lepperdinger: "Chronische Entzündungsprozesse gelten als Risikofaktor für viele Erkrankungen, etwa auch Atherosklerose oder Krebs – diese zu dämpfen könnte positiv sein."

Doch möglicherweise steige das Risiko für Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper wendet: "Je älter der Thymus ist, desto mehr Fehler passieren bei der Entscheidung zwischen eigenen und fremden Zellen." Und noch sei nicht klar, wie stark das Thymuswachstum tatsächlich angeregt werden könne: "Größere Studien sind notwendig."

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Der Anstieg der Lebenserwartung in Österreich.

"Durchaus spannend"

Für "durchaus spannend" hält Markus Metka, Gynäkologe und Präsident der Österreichischen Anti-Aging-Gesellschaft, die Ergebnisse. Jedoch hätten die Forscher großteils mit altbekannten Mitteln gearbeitet. So sei etwa Metformin "ein alter Hut in der Anti-Aging-Forschung".

Metformin wird unter anderem zur Diabetes-Therapie eingesetzt. Nimmt man es in niedriger Dosierung unter ärztlicher Aufsicht ein, könne der Zuckerstoffwechsel positiv beeinflusst und alterstypische Beschwerden gelindert werden. "Zu viel Zucker lässt die Zellen rascher altern", sagt der Experte. Unterstützend empfiehlt Metka, "den Zuckerkonsum deutlich zu reduzieren".

Das Hormon DHEA zu verabreichen, sei ebenfalls nicht revolutionär. Menschen, denen DHEA fehlt, könne es richtig dosiert ersatzweise verabreicht werden. Davon, es als "tägliches Zuckerl" zu verschreiben, hält Metka nichts.

Frische Luft statt Injektion

Wirklich neu sei die Gabe eines Wachstumshormons zur Stimulation des Thymus und die Kombination der drei Substanzen. "Der Mensch ist nur so alt wie sein Immunsystem. Letzteres lange aktiv zu halten, macht also Sinn." Die körpereigene Abwehr vorbeugend durch Hormoninjektionen zu unterstützen, bewertet Metka aber als "problematisch". Das Wachstumshormon könne im Körper unerwünschte Nebenwirkungen haben. Stattdessen empfiehlt Metka natürliche Methoden zur Verjüngung (siehe Infobox oben).

Scheinbar bahnbrechende Ergebnisse seien "immer mit Vorsicht zu genießen". "Die Suche nach der Unsterblichkeit ist eine spannende und vielversprechende Reise, Fakten sind aber nach wie vor Mangelware".

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