Jede 16. US-Amerikanerin wird beim ersten Mal vergewaltigt

Der Druck auf Frauen nimmt von verschiedenen Seiten massiv zu
Jede sechzehnte US-Amerikanerin wird beim ersten Mal zum Sex gezwungen. An den psychischen und physischen Folgen leiden die Opfer noch Jahre später.

Am 15. Oktober 2017 ermutigte Schauspielerin Alyssa Milano Frauen, unter dem Hashtag #MeToo auf ihre Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen und sexueller Belästigung aufmerksam zu machen. Bis heute sind Millionen Frauen ihrem Aufruf gefolgt. #MeToo wurde zum Ventil für die angestaute Wut und Hilflosigkeit von Generationen von Frauen. Und gleichsam zum Symbol einer längst überfälligen Debatte über sexualisierte Gewalt gegen Frauen.

Laura Hawks von der Harvard Medical School hat sich in einer neuen (für die USA repräsentativen) Studie einem blinden Fleck der Diskussion gewidmet. Die US-amerikanische Internistin hat erforscht, wie viele Frauen in den USA beim ersten Mal zum Sex gezwungen werden. Veröffentlicht hat Hawks ihre Ergebnisse kürzlich im Fachjournal Jama Internal Medicine.

1 von 16 Frauen

Zusammen mit ihrem Team wertete Hawks Daten von über 13.000 Frauen zwischen 18 und 44 Jahren aus. Die Daten stammen aus dem Zeitraum 2011 bis 2017 und wurden der National Survey of Family Growth, einer landesweiten Erhebung zu Fortpflanzung und Familiengründung, entnommen.

Das Ergebnis: 6,5 Prozent der Frauen (eine von 16 US-Amerikanerinnen) gaben an, beim ersten Mal vergewaltigt worden zu sein. Im Schnitt waren die jungen Frauen beim erzwungenen sexuellen Erstkontakt 15,6 Jahre alt. Frauen, die sich freiwillig für ihr erstes Mal entschieden hatten, waren zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs 17,4 Jahre alt.

Die Täter waren im Schnitt 27 Jahre alt. Die Hälfte aller Frauen, die ein erzwungenes erstes Mal erlebten, gaben an, während der Vergewaltigung festgehalten worden zu sein. Mehr als die Hälfte wurden verbal bedroht; ein Viertel trug körperliche Schäden davon.

Die Forscherinnen fanden heraus, dass Frauen, die beim ersten Geschlechtsverkehr vergewaltigt wurden, häufiger an schmerzhaften Menstruations- und Beckenbeschwerden (Endometriose, Eierstockentzündung) litten. Sie wurden im Schnitt früher schwanger und trieben auch häufiger ab. 15 Prozent schätzten ihren Gesundheitszustand als schlecht ein – von jenen Frauen, die sich freiwillig für ihr erstes Mal entschieden hatten, gaben dies nur 7,5 Prozent an. Betroffene Frauen berichteten zudem öfter von Problemen bei der Bewältigung ihres Alltags.

Massive Spätfolgen

"Eine Vergewaltigung als erste sexuelle Erfahrung stellt einen extremen Kontrollverlust über die eigene Sexualität dar. Spätere Gesundheitsprobleme sind keine Überraschung", sagte Hawks dem Sender NBC. In der Zeit, in der Mädchen und junge Frauen erste intime Erfahrungen sammeln, seien sie in erhöhtem Maß "physisch und psychisch verwundbar", schreibt Hawks in einem Bericht zur Studie. Im Interview mit dem Magazin Time verwies die Ärztin darauf, dass auch in früheren Studien zu sexuellen Übergriffen Spätfolgen, wie vermindertes Selbstwertgefühl, soziale Isolation und Depressionen, beobachtet wurden.

Die erhobenen Unterschiede blieben nach statistischen Anpassungen für soziodemografische Faktoren (Alter, Bildung, etc.) bestehen. Ein Kausalzusammenhang, also ob der erzwungene erste Sexualkontakt die gesundheitlichen Probleme verursacht oder dazu beigetragen hat, konnte nicht ermittelt werden.

Wandel der Geschlechterverhältnisse

"Mit Millionen von Mädchen und Frauen, die bei ihrer ersten sexuellen Begegnung vergewaltigt werden, brauchen wir dringend einen kulturellen Wandel der Geschlechterverhältnisse. Es muss mit jeder öffentlichen und privaten Sphäre beginnen, einschließlich einer Medizin, die Frauen und Männer als gleichwertig ansieht", wird Stephanie Woolhandler, Mitautorin der Studie und ebenfalls Professionen an der Harvard Medical School, von Hawks in ihrem Studienbericht zitiert.

Um die psychischen und physischen Schäden von erzwungenem ersten Geschlechtsverkehr zu verringern, müssten Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal zudem anerkennen, wie verbreitet und schädlich dies für Betroffene sei.

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