"Früher war nicht alles besser, Familienstrukturen waren aber durchschaubarer: Der Vater ging zur Arbeit, die Mutter dem Haushalt nach, die Kinder ihr allein auf die Nerven. Die Aufgaben waren klar verteilt. Frauen und Männer taten vielleicht nicht das, was sie wollten. Aber das, was von ihnen erwartet wurde."
Dieses Bild zeichnet der Autor, Journalist und zweifache Vater Fabian Soethof – und stellt zugleich fest, dass diese Zeiten "leider nur zum Teil vorbei sind". Soethof war mit seiner Seite newkidsandtheblog.de einer der ersten Väter in Deutschland, die über das Elternsein bloggten. Sein Buch "Väter können das auch" (Kösel-Verlag) ist ein Plädoyer für einen privaten, gesellschaftlichen und politischen Wandel von Familie, Beruf, Vereinbarkeit und Rollenbildern.
Traditionelle Rollenverteilung
"Viele Väter wollen heute nicht mehr nur finanzielle Verantwortung übernehmen, sondern Familie und Erziehung gleichberechtigt leben. Doch in zahlreichen Köpfen stecken noch alte Rollen", so Soethof. Auch wenn sich Paare Fairness im Familienleben wünschen: Die meisten würden schnell in traditionelles Fahrwasser geraten.
Warum das zum Leidwesen der Mütter, der Beziehung, der Kinder und auch der Männer selbst ist und wie Familien diese Strukturen ändern können, erklärt Soethof im Vatertags-Gespräch mit dem KURIER.
Wir alle sprechen in punkto Elternsein immer wieder von Gleichberechtigung. Dennoch sieht die Realität oft anders aus, auch heutzutage noch. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Die kurze Antwort: Veraltete Rollenbilder. Das Patriarchat. Der Kapitalismus und sich daraus ergebene Lücken wie der sogenannte Gender-Pay-Gap. Für eine lange Antwort würde ich jetzt wohl zu weit ausholen ...
Ob beim Kinderarzt, beim Einkaufen oder vor der Schule: Oftmals zeigt sich das Umfeld begeistert, wenn der Vater und nicht die Mutter mit dem Nachwuchs unterwegs ist. Warum scheint es noch immer so einfach für Väter, dieses Lob von Außenstehenden zu erhalten?
Weil die Erwartungshaltungen an sie so schrecklich niedrig sind. Weil sie fast nichts falsch machen können, während Mütter fast nichts richtig machen können. Weil sie oft Selbstverständliches tun, was in den Köpfen vieler Menschen nicht selbstverständlich ist. Wenn die Kinder etwa Schokoflecken auf dem Shirt haben, heißt es gegenüber Vätern: "Ach, toll, er war mit ihnen Eis essen!" Müttern wird hingegen vorgeworfen, sie kriegen nicht mal die Wäsche hin und lassen ihre Kinder verwahrlosen. Anderes Beispiel: Warum gibt es den Begriff der Rabenmutter, nicht aber den des Rabenvaters?
Auch das Bild, dass Frauen Care-Arbeit nun einmal "besser können" als Männer, ist nach wie vor gesellschaftlich verankert. Warum?
Weil sie es immer besser können mussten, weil die Männer ja nicht da waren. Deswegen wurden und werden Frauen seit Jahrzehnten dazu erzogen, sich zu kümmern. Niemand wird mit einer Bedienungsanleitung zum Kochen, Putzen, Kinderhaben oder ähnliches geboren. Männer könnten sich all das ebenso aneignen. Wenn sie das aber zu lange nicht tun und ihre Partnerin machen lassen, stimmt der anfängliche Trugschluss irgendwann: Dann kann SIE tatsächlich besser Windeln wechseln als ER. Weil sie sich darin geübt hat.
Was also lässt sich dagegen tun?
Theoretisch ist die Antwort einfach: Er macht halt einfach auch mal all die unbezahlte Care-Arbeit, die viel zu oft überwiegend sie macht, und sie geht dafür früher wieder ihrer Erwerbsarbeit nach. Praktisch ist das aber, wie bereits angesprochen, eben nicht so leicht.
"Viele ruhen sich auf dem Finanz-Argument aus"
Das stimmt. Ich kenne es etwa beim Großteilt meines Jungeltern-Bekanntenkreises so, dass die Frau nach der Geburt des Kindes daheimbleibt und später auf Teilzeit reduziert, der Mann nicht. Begründung: Er verdient mehr, es zahlt sich rechnerisch so mehr aus. Sind die Finanzen wirklich der Hauptgrund für Abwesenheit und Passivität von Vätern?
No disrespect, aber: Finanzen sind das einzige Argument, das ich überhaupt gelten lasse, weil wir alle Geld brauchen. Ich glaube aber, dass sich viele auf dem Argument ausruhen. Im aktuellen deutschen "Väterreport" steht: Jeder zweite Vater möchte angeblich die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen, aber nur jeder fünfte davon tut es wirklich. Weil Politik und Wirtschaft es ihnen schwer machen, nehme ich an – und weil manche in Wahrheit auch lieber im Büro bleiben. Jeder Nachmittag dort bedeutet trotz noch so blöder Meetings weniger Stress, als einer allein mit Kindern daheim. Ich weiß, wovon ich rede.
"Auch Männer leiden unter toxischer Männlichkeit"
Sie sagen in Ihrem Buch, dass nicht nur Mütter und Kinder von einem gelebten Wandel der alten Rollenbilder profitieren. Warum ist das so?
Hier darf ich kurz pathetisch werden: Kein Mann wird auf dem Sterbebett liegen und bereuen, zu wenig gearbeitet oder seine Kinder zu oft gesehen zu haben. Während ihrer "Karriere" erkennen das viele nur noch nicht.
Sie zitieren außerdem den Berater und Feministen Robert Franken: "Auch Männern geht es schlecht im Patriarchat" – können Sie das näher ausführen?
Den Männern geht es ebenfalls schlecht dabei, weil viele sich wegen der Karriere oder dem Chef in den Burnout ackern, oft ja aus hehren Zielen heraus. Sie wollen finanziell für ihre Familie sorgen, da ihnen das so eben beigebracht wurde und das die einzige – nicht unwichtige – Art des Kümmerns ist, die sie kennen und können. Der Begriff der toxischen Männlichkeit kommt hier ins Spiel. Und darunter leiden auch Männer – unter dem Druck, performen zu müssen.
Nochmals zurück zur ungerechten Verteilung von Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen: Bei dieser Debatte kommt man schnell zum Ansatz, dass die Politik gefragt ist, Lösungen zu liefern. Kann die Politik alleine die Probleme lösen? Wo müsste man noch ansetzen?
Die Politik kann zumindest mehr lösen als Privatpersonen allein. Natürlich bedarf es Eltern, die auf Augenhöhe miteinander aushandeln, wer wann wie arbeiten oder sich kümmern möchte – trotz der Widerstände im beruflichen oder privaten Umfeld. Aber die Politik muss Weichen stellen und, gerade gegenüber Männern, finanzielle Anreize bieten.
In Deutschland muss etwa dringend das Ehegattensplitting abgeschafft werden, das Elternzeitmodell weiter reformiert werden und die EU-Verordnung zur Familienstartzeit endlich umgesetzt werden. Finnland ist ein gutes Beispiel: Kohle bekommen dort nur die Elternpaare, die sich die Elternzeit paritätisch aufteilen. Machen dort deshalb alle – Papa mit Babytrage und später mit Kinderwagen oder auf dem Spielplatz ist daher in Finnland so stinknormal, wie es auch sein sollte. Geht allen besser damit.
"Männer, ihr 'helft' nicht zuhause"
Stichwort "Maternal Gatekeeping": Inwiefern spielt dieses Phänomen mit? Was würden Sie aus ihrer persönlichen Erfahrung Müttern raten?
Es soll tatsächlich vereinzelt Mütter geben, die ihre Partner kaum ans gemeinsame Kind lassen. Ich unterstelle, dass bei solchen Paaren schon vor der Geburt oder Schwangerschaft etwas nicht gestimmt hat. Vieles muss aber ständig neu verhandelt werden. Ich würde einerseits gerne raten: Mamas, lasst die Papas machen! Andererseits maße ich mir keine Ratschläge an und möchte nicht schon wieder den Müttern die Verantwortung für etwas geben, das woanders liegt.
Ich weiß aber, dass viele Väter das Maternal Gatekeeping als Ausrede benutzen, sich nicht einzubringen. Daher an diese Männer: Ihr "helft" zuhause nicht. Es ist auch euer Haushalt, es sind auch eure Kinder. Fordert das ein.
Sind Sie selbst mit einem absenten oder einem präsenten Vater aufgewachsen? Wie weit hat das Vorbild Ihres Vaters Sie in Ihrem Vatersein geprägt?
Mein Vater lebte im Nachbardorf. Ich sah ihn an den Wochenenden, wir verstanden und verstehen uns. Allein hat er sich selten um mich gekümmert, da waren immer Frauen da, ob meine Oma, Tanten oder seine Lebenspartnerin. Ich empfand das nie als schlimm. Im Nachhinein fiel es mir aber auf.
Wie feiern Sie selbst daheim den Vatertag, wie den Muttertag? Und braucht es diese Feiertage heutzutage noch?
In Deutschland haben wir den Vatertag bereits an Christi Himmelfahrt "gefeiert". Ich habe mit meinen Söhnen ausgeschlafen, dann ging es zu dritt zum Minigolf und später in den Biergarten im Park, wo wir gemeinsam einen alten Freund mit seiner Familie getroffen haben. So hatten alle was davon.
Am Muttertag wiederum hat unser jüngerer Sohn seinen Geburtstag gefeiert. Kids first! (lacht). Wer sich aber über das ganze Jahr hinweg sein Elternsein möglichst gleichberechtigt aufteilt und dies seinen Kindern vorlebt, braucht keinen separaten Tag, um darauf anzustoßen. Um notwendige gesellschaftliche Debatten voranzubringen, helfen solche Tage aber weiterhin.
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