Sich selbst wahrnehmen
Umgekehrt wird aber ungleich weniger darüber geredet, wie man grenzüberschreitendes Verhalten bei heranwachsenden Buben gar nicht erst entstehen lässt. „Es gibt absolut den blinden Fleck des Verursacherprinzips“, sagt dazu auch Bissuti.
Genau da müsse man ansetzen, sagt der Experte, und das schon im Kindesalter. „Wir müssen Buben beibringen, sich selber wahrzunehmen. Wenn sie verstehen, wie weh das tut, wenn man unter Druck gesetzt, beleidigt, ungerecht behandelt wird und anderes mehr, dann haben wir eine größere Wahrscheinlichkeit, dass sie erkennen, dass es auch für die Mädchen unfair ist, wenn sie geschlagen werden, wenn sie begrapscht werden, oder böse Worte hören.“
Väter haben Vorbildwirkung
Dabei gehe es auch um die Einstellungswelten der heranwachsenden Buben. Beim Kampf gegen Alltagssexismus sind gerade Väter sehr wichtige Vorbilder, sagt Bissuti. Sie sind es, die eine fürsorgende Männlichkeit vorleben, eine gleichberechtigte Beziehung auf Augenhöhe, bei der es ganz normal sei, dass der Papa kocht, abwäscht oder bei den Hausaufgaben hilft.
Und nicht zuletzt auch als Mensch mit Problemen und Nöten wahrgenommen wird, über die er auch redet und mit denen er seinen Umgang findet.
Gefühle benennen
Denn gerade hier gebe man Buben – oftmals unbewusst – schädliche Botschaften mit, sagt Bissuti: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz, echte Männer weinen nicht: Das sind oft die Mythen, die weitergegeben werden.“
Mit langfristigen Folgen für ihre physische und psychische Gesundheit: Männer holen sich bei psychischen Problemen seltener Hilfe, gehen seltener zum Arzt, haben eine höhere Suizidrate und eine kürzere Lebenserwartung als Frauen. Ein toxisches Bild von Männlichkeit schadet eben auch Buben und Männern selbst.
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Verhaltensweisen fördern
Welche Verhaltensweisen sollen Eltern bei ihren Söhnen nun auf jeden Fall fördern, um da gegenzusteuern? „Das Ansprechen und das Spiegeln von Gefühlen. Dass Buben Worte haben für Gefühle, halte ich für extrem wichtig“, sagt der Experte. Man solle auch den Blick der Buben für die Lebensrealitäten von Frauen öffnen, und mit ihnen darüber reden, mit welchen Herausforderungen diese im Alltag zu kämpfen hätten.
Entwicklungspsychologisch sei auch der Kontakt zu Gleichaltrigen von immenser Bedeutung, sagt Bissuti. Anders könne soziales Verhalten nicht erlernt werden. Die Rolle der Eltern dabei: Diesen Erfahrungsprozess zu begleiten und dem Erlebten Worte geben. „Regeln beibringen, Fairness beibringen, Gefühle benennen. All diese Dinge können wir als Eltern tun“, sagt der Experte.
Und nicht zuletzt: zuhören. „So banal das klingt. Signalisieren Sie Ihren Söhnen: Du kannst immer mit mir reden, meine Tür ist immer für dich offen.“ Denn gute Kommunikation ist eben keine Einbahnstraße.
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