Zum Geburtstag viel Druck: Die Kinderfeier als Herausforderung
Luftballons, Geschenke, ein paar Freunde, die engste Familie, eine Torte und natürlich auch Kerzen zum Ausblasen - viel mehr braucht es in Wahrheit nicht, um einen Kindergeburtstag zu feiern.
Lange Zeit war dieses Szenario gang und gäbe. Doch wer Nachwuchs im Kindergarten- oder Volksschulalter hat, weiß, dass dies heute einfach nicht mehr reicht. Denn soziale Medien haben auch das Feiern verändert. Ein Geburtstag ist nicht mehr privat, sondern öffentlich. Fotos landen auf Facebook, Instagram, in WhatsApp-Storys und Snapchats. Das heißt, dass man schon mal sehr früh über die Frage nachdenken muss, wen man einlädt, um ja keine Gefühle zu verletzen.
"Der Druck beginnt schon beim ersten Geburtstag des Kindes - feiert man nur mit der Familie oder lädt man auch Freunde ein? Und welche?", erzählt Neda Nikou, Mutter einer neunjährigen Tochter.
Eine Mutter erzählt
Als 2016 der erste Geburtstag für ihre Tochter anstand, hatte sie nicht sehr viel über die Größe des Festes nachgedacht. Klein und simpel war ihr Motto. Doch das änderte sich, als die ersten Einladungen zu Feiern von anderen Kindern aus der Nachbarschaft und dem Kindergarten ins Haus flatterten. Sie sah, wie aufwendig andere Eltern bei der Planung vorgingen und beschloss, dass sie auch für ihre Tochter ein "ordentliches" Fest organisieren wollte. Nicht aus Eifersucht, sondern weil sie das für den Standard oder gar das Minimum hielt.
"Ich habe mich voll in die Planung gestürzt", so Nikou. Die Feier ließ sie im Gemeinschaftsraum der Wohnanlage stattfinden und sparte so die Raummiete, die sie in einem Familiencafé oder einem Indoor-Spielplatz hätte zahlen müssen. Sie besorgte Dekoration, Wegwerfgeschirr, Kindegetränke, Snacks und sonst alles, was zu einer solchen Feier eben dazugehört.
Doch es entstanden auch Kosten, die Nikou anfangs nicht ganz einkalkuliert hatte. "Das Essen und die Getränke für die Erwachsenen haben sich summiert. Das Ganze ist so aus dem Ruder gelaufen, dass ich viel mehr organisieren musste, als ich ursprünglich geplant hatte", sagt sie. Das Budget von 200 Euro, mit dem sie angefangen hatte, verdoppelte sich schnell. Auf Stress folgte also Frust aufgrund des finanziellen Mehraufwandes. "Ich habe all das für mein Kind getan, dabei hat sie in dem Alter die Feier gar nicht mitbekommen", so Neda. Die Fotos seien aber schön geworden.
Kindergeburtstag als Event
Woran liegt es aber, dass Kindergeburtstage fast schon die Ausmaße von Hochzeitsfeiern annehmen? Warum sind sie zu solchen Events geworden? "Eine funktionierende Familie lebt von Routinen und Ritualen wie Geburtstagsfeiern. Diese Feste sind notwendig, um sich als Familie nach innen und außen zu identifizieren", sagt Petra Dirnberger, Konsumsoziologin an der Universität Wien. Dass Feste immer wichtiger werden, liege am gesellschaftlichen Wandel, in dem Konsum und Selbstdarstellung enorm an Bedeutung gewonnen haben.
In diesem Zusammenhang spielt auch der Aspekt der sozialen Medien eine wesentliche Rolle, wo sich Eltern inspirieren lassen, ihren Individualismus ausleben und zeigen können, wie gut sie sich um ihre Kinder kümmern. "Diese aufwendig inszenierten Kindergeburtstage können als Statussymbol wirken oder auch dazu dienen, den sozialen Rang und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern nach außen zu demonstrieren", erklärt Dirnberger.
"Es ist ein Konkurrenzkampf"
Aber auch der Druck von außen spiele hierbei eine Rolle. "Es ist eine sehr private Entscheidung, ob und wie man den Kindergeburtstag gestaltet, aber Eltern müssen bestimmte Erwartungen erfüllen, um sozusagen als gute Eltern zu gelten", sagt Dirnberger. Diese Erwartungen beziehungsweise Anforderungen würden heute von der Gesellschaft und den Bildungsinstitutionen gestellt, und wenn man sie nicht erfülle, laufe man Gefahr, als schlechter Elternteil wahrgenommen zu werden – ob das nun stimme oder nicht.
Auch für Neda Nikou war es schwierig, mit dem Druck, der in den folgenden Jahren zwischen den Eltern entstand, umzugehen. "Es ist ein Konkurrenzkampf: Wer macht was und vor allem wie? Man versucht, sich unbewusst zu überbieten, zum Beispiel mit einem Kinderbuffet", so Nikou. Diese unterschwellige Konkurrenz könnte einer der Gründe sein, warum manche Eltern professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um die Planung eines Kindergeburtstages zu bewältigen. Event-Profis wie Julia Dauer kommen hier ins Spiel.
Von Babyzeichensprache und Timeslots
"Wenn ich eine Feier plane, muss ich mir dafür zwei Tage Zeit nehmen", schildert Dauer. Schnitzeljagd, Piñata, Sesseltanz, Wettessen – all das muss organisiert, ein Programm überlegt und die Utensilien für Spiele besorgt werden. Sie ist selbst Mutter eines achtjährigen Sohnes und organisiert nicht nur dessen Geburtstagsfeier, sondern auch Feste für Kinder aus ihrem Bekanntenkreis. Sie weiß aus Erfahrung, dass eine "ganz günstige" Feier für eine große Zahl an Kindern kaum möglich ist.
Egal, ob die Party im Gemeinschaftsraum der Wohnanlage, im Indoorspielplatz (inklusive Chicken Nuggets und Pommes) oder im Park mit ein paar Luftballons und Torte stattfindet – die Gastgeber, also Eltern, müssen bereit sein, tief in die Tasche zu greifen. "Die Kosten hängen stark von der Größe der Feier ab. Mit Essen, Deko, Torte, Getränken und Location kommt man etwa auf rund 800 Euro bei etwa 25 Kindern", sagt Dauer. Mitgebsel für die kleinen Partygäste sind hier noch nicht inkludiert. Nach oben hin gibt es keine Grenzen, da kommen dann aber auch mal Eventagenturen in Spiel. "Dann sind Caterer und Floristen involviert und das Ganze erinnert eher an eine Hochzeit als an einen Kindergeburtstag", beschreibt Dauer. Die Zahl solcher Feste schätzt sie gering ein.
In den 80er-Jahren hätte ein Kindergeburtstag nie solche Ausmaße angenommen – und das hat viel damit zu tun, dass Kindheit heute stärker institutionalisiert ist. Eltern setzen sich schon während der Schwangerschaft intensiv mit der Erziehung ihres Kindes auseinander. "Von Ratgebern bis hin zu diversen Babykursen versucht man, ein perfektes Kind auf die Welt zu bringen und als Mutter oder Vater perfekt zu performen, um den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden", erklärt Soziologin Dirnberger. Babypartys, die intensive Auseinandersetzung mit dem Baby im ersten Lebensjahr sowie das Erlernen von Babyzeichensprache sind Vorboten für das Eventisieren eines Kindergeburtstages, sagt sie.
Schöne Erinnerungen
Bis zum vierten Geburtstag ihrer Tochter organisierte Neda Nikou die Feiern im Gemeinschaftsraum der Wohnanlage. Die Feste wurden umfangreicher, sie organisierte sogar Animation, doch auch das Aufräumen nachher wurde dadurch größer. Dann wurde es Nikou zu viel und sie verlegte fortan die Feiern zum "Dachboden Zauber", einer Kinderspielhalle im Wiener Donauzentrum, wo es unter anderem ein Klettergerüst und ein Spielzimmer gibt.
Man müsse sich die ohnehin schon stressige und intensive Planung erleichtern und außerdem auch zeigen, dass man sich für sein Kind Gedanken macht und nicht ständig eine 0815-Feier organisiert. Aus diesem Grund ist die Zahl an Locations, die man für Kindergeburtstage mieten kann, stark gestiegen. Es ist für jedes Budget etwas dabei. Man kann mittlerweile sogar in Museen Räume mieten.
Am beliebtesten seien aktuell Feiern in kinderfreundliche Lokale. In jedem Wiener Bezirk finden sich solche Locations. Das Familienrestaurant Careccino im 12. Bezirk etwa ist eines davon. Im Lokal gibt es Bällebäder, ein Pikler Dreieck, eine Rutsche, eine Kletterwand sowie einen eigenen Bereich für Kleinkinder – quasi ein Indoorspielplatz mit Gastroservice.
"Wir bieten verschiedene Packages für Feiern an, der Preis hängt von der Anzahl der Kinder und des Menüs ab. Animationen und Workshops gibt es bei uns auch", erzählt Hanaa Hemdan, Pädagogin und Co-Gründerin des Lokals. Für ein Fest mit Deko, Essen, Torte und die Raummiete zahlt man im Regelfall zwischen 250 und 500 Euro für drei Stunden. "Wir hatten auch einmal eine Kindergeburtstagsfeier für 3.000 Euro, weil die Familie gleich die Taufe mitgefeiert hat", so Hemdan. Das Technische Museum Wien verlangt übrigens 310 Euro für ein 90-minütiges Geburtstags-Workshop für 15 Kinder, Sachertorte inklusive.
Was man nicht alles für die lieben Kleinen tut
Aber auch wenn man das Fest auslagert, bleibt einem als Elternteil manches Drama nicht erspart. Während im Kindergarten oftmals alle Kinder aus der Gruppe eingeladen werden, sieht es in der Schule anders aus. "Auch für mich als Mutter ist es emotional belastend, da man aufgrund der begrenzten Kinderzahl nicht alle einladen kann", sagt Nikou, die die Planung des Festes nach wie vor jedes Jahr auf sich nimmt.
Ob sie den jährlichen Aufwand bereut? "Nein. Ich will, dass meine Tochter schöne Erinnerungen an ihren Geburtstag hat, sonst würde ich das Gefühl haben, ihr etwas vorzuenthalten."
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