Vom Mann zur Frau: Wie ändert man in Österreich das Geschlecht?
Trans Personen finden sich immer wieder im Fokus des öffentlichen Diskurses – sei es durch gesetzliche Änderungen wie im Falle des neuen "Selbstbestimmungsgesetzes" in Deutschland, oder durch prominente Beispiele wie die Demokratin Sarah McBride, die vor kurzem als erste offen transsexuelle Person in den US-Kongress gewählt wurde.
Sehr oft werden im Zuge der Transgender-Debatte starke Meinungen verschiedenster Seiten laut.
Dass man das Thema auch auf sensiblere Art beleuchten kann, will etwa der neue Film "Ungeschminkt" mit Adele Neuhauser in der Hauptrolle zeigen. Neuhauser spielt darin die trans Frau Josefa, die nach dem Tod der Mutter in ihr Heimatdorf zurückkehrt.
"Es ist einer der schönsten Filme geworden, die ich je gemacht habe", zeigte sich die Schauspielerin im Gespräch mit dem KURIER begeistert von dem Projekt (zu sehen am 13.11. um 20.15 Uhr, ORF2).
Wie das Geschlecht ändern in Österreich?
Laut Österreichischer Sozialversicherung gab es im Jahr 2019 etwa 400 bis 500 trans Personen in Österreich. Die Zahl jener, die einen operativen Eingriff durchführen haben lassen, liegt bei 6,8 von 100.000 Personen.
"Für die Änderung des Geschlechtes ist ein irreversibles Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht und eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts gefordert. Dies kann in aller Regel nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ausreichend geklärt werden," informiert zudem das Innenministerium.
Wichtig: Eine geschlechtsangleichende Operation ist für eine Änderung des Geschlechts in Österreich keine Voraussetzung.
Erforderlich für geschlechtsangleichende Operationen inklusive Hormontherapien ist das Gutachten einer Fachärztin/eines Facharztes für Psychiatrie oder einer Psychotherapeutin/eines Psychotherapeuten oder einer klinischen Psychologin/eines klinischen Psychologen, das Folgendes enthält:
- Erklärung, dass ein Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht besteht und dieses aller Voraussicht nach weitgehend irreversibel ist
- Mitteilung, dass eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts zum Ausdruck kommt
Anträge auf Geschlechtsänderung bzw. -berichtigung sind bei einer Personenstandsbehörde einzubringen.
Personenstandsbehörden sind:
- Das Standesamt oder der Standesamtsverband der Gemeinde
- In Statutarstädten: das Standesamt des Magistrats
- In Wien: die Standesämter
Erst danach kann ein neuer, geschlechtsspezifischer Vorname durch eine Namensänderung angenommen werden.
Weitere Informationen gibt es hier.
Transition: "Es war Hölle und Aufbruch gleichzeitig"
Wie erleben trans Personen den Prozess der Transition? Clara* (* voller Name der Redaktion bekannt) beschreibt ihn als ambivalent: "Zum einen war es die reinste emotionale Hölle, zum anderen war es auch ein Gefühl des Aufbruchs: Ich konnte mich als Mensch neu erfinden, endlich einen neuen Lebensabschnitt beginnen."
Die 38-jährige Wahl-Wienerin erzählt im Gespräch mit dem KURIER von ihrem langen Weg zum Leben als Frau.
KURIER: Wann wurde Ihnen klar, dass Sie sich Ihrem biologischen Geschlecht nicht zugehörig fühlen?
Clara: Etwa mit 4 Jahren habe ich gemerkt, dass etwas mit mir „nicht stimmt“. Eine meiner ersten, prägnantesten Erinnerungen aus meiner Kindheit ist, dass ich mir gewünscht habe, dass mein Geschlechtsteil nicht da wäre.
Und wann wussten Sie schließlich, dass Sie tatsächlich etwas verändern möchten?
Viel später erst. Mit 18 ist mir so richtig bewusst geworden, dass meine Geschlechtsidentität für mich nicht stimmt – dass sie in kein wirkliches Schema passt. Zu dem Zeitpunkt habe ich auch eine starke Angstpsychose entwickelt. Ich habe mich dann jahrelang umfangreich mit dem Thema Transsexualität beschäftigt. Mit Ende 20 habe ich mich bei einem Urlaub in Thailand mit einer trans Frau angefreundet. Die hat mir schließlich den letzten Schubs gegeben.
Mit etwa 30 Jahren wurde mir also klar: Wenn ich jetzt nicht etwas ändere, werde ich irgendwann in den nächsten Jahren nicht mehr da sein.
Wie haben die Menschen in Ihrem Umfeld reagiert, als Sie ihnen das mitgeteilt haben?
Ich sage gerne: Ich habe viel Liebe und viel Abneigung bekommen. Mein damaliger Arbeitgeber etwa hat es leider sehr ins Lächerliche gezogen. Gerade die Anfangszeit war mit viel Häme verbunden, wodurch es mir sehr schlecht gegangen ist.
Meine Mutter hat es besser aufgenommen als mein Vater, wobei er sich mit der Zeit toll entwickelt hat. Meine größte Stütze von Anfang an war aber meine Schwester. Und meine Oma, der dafür wirklich eine Runde Applaus gebührt (lacht). Mit ihr habe ich eine sehr starke Verbindung – sie hat zwar ein bisschen Zeit gebraucht, aber für sie war die Liebe zu mir schlussendlich stärker als alles andere.
Beim Freundeskreis waren die Reaktionen sehr durchwachsen. Ich habe bei vielen schnell gemerkt, dass sie eigentlich keine echten Freunde sind, es gab ein paar wirklich ungute Situationen damals leider. Diese Menschen dann hinter mir zu lassen war daher auch nicht schwierig.
Und wie ist es Ihnen im sonstigen Alltag ergangen?
Man muss sich vorstellen, dass ich etwa ein Jahr lang ohne Hormon-Therapie, aber eben schon komplett als Frau meinen Alltag gelebt habe. Natürlich war das „weibliche Bild“ somit noch nicht vollständig. Ich habe damals manchmal erlebt, dass gewisse Leute mich mis-gegendert haben – oft auch ganz bewusst, weil es einfach nicht in ihr Weltverständnis gepasst hat, mich als Frau anzusprechen. Das tut mir heute noch weh, wenn sich Menschen absichtlich weigern, mich so anzunehmen, wie ich eben bin. Zum Glück passiert das jetzt nur noch selten.
Es gab aber auch viele schöne, entzückende Momente. Als mir zum Beispiel ein älterer Herr in der U-Bahn den Vortritt gelassen hat und mir somit das Gefühl gab, eine Dame zu sein.
"Plötzlich wusste ich: 'Ich bin eine Clara'"
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie das erste Mal Ihren selbstgewählten Namen benutzen konnten?
Mein Name war wie eine Eingebung für mich. Ich habe in meinen großen Schminkspiegel geschaut und dachte mir plötzlich: „Ich bin eine Clara“ (lacht). Natürlich, wenn man jahrelang mit einem männlichen Namen durch die Welt gegangen ist, muss man sich selbst erst darauf einstellen. Das war gar nicht so leicht. Es war alles ein Prozess, man kann einen Namen und auch sein altes Leben nicht von heute auf morgen abstreifen. Mittlerweile liebe ich meinen Namen und fühle mich darin Zuhause.
Stichwort Prozess: Welche medizinischen Hürden mussten Sie überwinden?
Der erste Schritt für die Transition war die Psychotherapie, um das erforderliche Gutachten (siehe Infobox oben, Anm.) zu bekommen. Ich musste auch auf die Endokrinologie im AKH, zum Klinischen Psychologen, zum Psychiater, … Es waren viele Anfangsschritte, um überhaupt in die Hormon-Therapie zu kommen.
Beim Anruf ans AKH habe ich meinen nächsten Rückschlag erlebt, als mir gesagt wurde, dass erst in einem Jahr ein Termin für mich frei wäre! Sprich ich musste ein Jahr länger auf die Hormon-Therapie warten. Die Wartezeiten sind leider ein großes Problem, da es nur wenige Transgender-Ambulanzen in Wien bzw. Österreich gibt. Man muss auch die vielen Kontrollen bedenken, die man in der Hormon-Therapie absolvieren muss. Da wird es mit den Terminen schnell schwierig.
Wenn ich also eines in diesen Jahren gelernt habe, dann ist es vor allem Geduld, darin bin ich mittlerweile Meisterin (lacht). Ich hatte aber auch Glück und einen sehr lieben Psychiater, der mir dann das notwendige Schreiben für die große Operation gegeben hat.
Mussten Sie Ihre operativen Eingriffe privat bezahlen?
Ich hatte bislang zwei Operationen, für die ich jeweils wieder eigene Gutachten gebraucht habe. Die Brustaugmentation vor zwei Jahren habe ich aus eigener Tasche bezahlt. Ich hätte die Kosten dafür zwar bei der ÖGK einreichen können, aber das wollte ich bewusst nicht, da Frauen diese Brust-Vergrößerungen sonst immer selbstständig zahlen müssen. Und weil ich mich als Frau sehe, war es für mich persönlich eine Prinzipiensache, ebenfalls selbst dafür aufzukommen. Das hätte sich sonst nicht richtig angefühlt.
Die große Geschlechtsangleichung im Mai heuer habe ich aber bei der Versicherung eingereicht – zum einen, weil sie extrem teuer ist, zum anderen, weil es für mich eben das falsche Geschlechtsteil war, das entfernt werden musste. Glücklicherweise gab es in meiner Familie eine Zusatzversicherung, sonst hätte ich auf diesen OP-Termin wieder gut ein bis zwei Jahre warten müssen.
Wie lange hat der Prozess mit Behördengängen und medizinischen Eingriffen bzw. Therapien insgesamt gedauert?
In Summe hat die Transition wohl vier Jahre gedauert. Es wäre vielleicht auch schneller gegangen, aber ich habe mir gerade bei den Hormon-Therapien bewusst etwas Zeit gelassen habe, damit sich mein Körper wirklich darauf einstellen konnte. Ich denke mir, wenn man den Prozess mit Ungeduld angeht, macht man ihn sich selbst ja nur noch schwerer.
Erzählen Sie Menschen, die Sie neu kennenlernen, von Ihrer früheren Geschlechtsidentität?
Ich sehe mich persönlich nicht als „trans“, sondern als Frau. Daher mag ich es nicht, ständig darauf angesprochen zu werden, da es eigentlich niemanden etwas angeht. Wenn ich aber merke, dass jemand mit echtem Interesse und Aufgeschlossenheit nachfragt und mich als die sieht, die ich bin, spreche ich gerne darüber.
Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Missverständnisse und Vorurteile bezüglich trans Personen?
(seufzt lange) Dass wir das alles „wollen“ – dass wir diesen langen Weg freiwillig gehen, weil wir es als „tollen Lifestyle“ sehen. Und natürlich, es gibt Strömungen, die trans als solches propagieren. Damit kann ich selbst aber nichts anfangen, denn genau solche Messages triggern bei Leuten, die mit dem Thema nichts zu tun haben, mitunter negative Bilder. Wenn ich selbst daran denke, wie sehr ich in meiner Jugend gelitten habe, finde ich es ganz schwierig, wenn manche Leute trans als „Trend“ darstellen. Wenn ich selbst eines wirklich gewollt hätte, dann ist es, im Körper einer Frau geboren worden zu sein.
Haben Sie Handlungsempfehlungen, was Menschen machen und wie sie sich informieren können?
Unsere Gesellschaft ist zum Glück schon viel ausdrucksstärker und bunter geworden. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen dafür etwas dankbarer wären – dankbar dafür, dass wir nicht mehr dieses Schwarz-Weiß-Denken von früher leben, auch wenn sich manche Stimmen das wieder wünschen würden. Und dass es generell mehr Akzeptanz gibt für alle Menschen, die vielleicht von der „Norm“ abweichen.
Transmenschen können sich bei folgenden Stellen Beratung und Hilfe holen:
Einen Überblick zu allen österreichischen Transgender-Ambulanzen gibt es hier.
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