Servus TV und die Identitären: "Nicht nur dieses mittige Geschwafel"

Michael Fleischhacker will sich nicht als Provokateur verstanden wissen.
Moderator Michael Fleischhacker über das Milieu der Wohlmeinden und intellektuelles Illusionstheater. Und wo er die Grenzen bei Einladungen zöge.

KURIER: Der "Talk im Hangar-7" ist ziemlich ins Gerede gekommen, weil Sie einen Identitären eingeladen haben. Warum lässt man einen Rechtsextremen wie Martin Sellner, der rassistische Thesen vertritt, als eine Art „Experten“ darüber referieren, wie radikal die muslimische Jugend ist?

Michael Fleischhacker: Die Behauptung, dass jedem, der zu einer Talksendung eingeladen ist, automatisch ein Expertenstatus zugeschrieben wird, würde ich nicht teilen. Es geht ja auch darum, in einer Diskussion abzubilden, was in der Bevölkerung an Meinung da ist. Ich glaube, dass es in der Bevölkerung als Reaktion auf diese Radikalisierungsstudie (Fast jeder dritte männliche jugendliche Muslim rund um Wiener Jugendzentren ist demnach gefährdet, sich zu radikalisieren, Anm.) relativ verbreitet ist, was die Identitären und Sellner zugespitzt und extremer formulieren. So wie es auf der linken Seite als angemessen gesehen wird, was Johannes Voggenhuber in der Sendung zugespitzt und radikaler gesagt hat. Es ist sinnvoll, diese extremeren Standpunkte zu zeigen und zu diskutieren, weil beide ziemlich repräsentativ sind für das rechte und das linke Lager in der Bevölkerung, wenn man diese Begriffe denn noch für zeitgemäß hält.

Wenn Sellner nicht als Experte geladen ist, hat er eine andere Funktion: Die des Provokateurs, der der Aufmerksamkeitsmaximierung dient.

Durch das, was im Jahr 2015 passiert ist, ist die österreichische Gesellschaft, wie auch die deutsche, nach rechts gerückt. Die Position, man müsse schauen, dass diese Menschen keinen Asylanspruch haben und abgeschoben werden, oder dass es nicht wünschenswert sei, dass Menschen aus dem islamischen Kulturraum zu uns kommen, kann man teilen oder nicht. Ich persönlich würde das auch anders sehen. Aber es ist verrückt, so zu tun, als ob das eine ungesetzliche Meinung wäre, deren Vertreten man in der Öffentlichkeit verhindern muss. Die Idee, etwas, das man nicht gern hört, einfach nur nirgends zu Wort kommen zu lassen und dann ist es schon weg, halte ich nicht nur für falsch, sondern tendenziell für gefährlich. Man baut damit die Bühne für ein intellektuelles Illusionstheater, das niemandem etwas bringt.

Sellner ist ein Teil einer extrem aktionistischen Gruppe, die Kunstblut verschüttet, wenn Migranten ein Theaterstück aufführen. Mit der Einladung in Ihre Talksendung wird dieser Gruppe eine Bedeutung verliehen, die sie eigentlich nicht hat. Man hätte genauso gut einen FPÖler hinsetzen können, wenn man rechte Thesen zur Einwanderung besprechen will.

Nur setzen wir halt - mit ganz wenigen Ausnahmen - keine aktiven Politiker hin. Gegenfrage: Wenn dann ein FPÖler die gleichen Thesen vertritt, hat niemand ein Problem? Das zeigt doch nur, dass es den Kritikern offensichtlich nicht um Inhalte geht, sondern nur um Symbole.

Dass Sie eher auf Provokation als auf Dialog setzen, zeigt auch, dass Sie den Stronach-Mandatar Marcus Franz in der heutigen Sendung zum Thema Frauengleichstellung einladen. Der ist dafür bekannt, dass er es für wichtig hält, Frauen auf den Po greifen zu dürfen.

Das ist ganz das gleiche Thema. Der vertritt eine These, bei der das Milieu der Wohlmeinenden aufjault. Das ist aber etwas, das in der breiten Bevölkerung – meiner persönlichen Meinung nach: leider – relativ breit vertreten wird. Warum soll ich das also nicht zur Sprache bringen? Der Umstand, dass man Leute diskutieren lässt, deren Standpunkte in der breiten Bevölkerung vertreten sind, gilt schon als Provokation, weil das Milieu der Wohlmeinenden in den Medien dazu übergegangen ist, nur mehr die Positionen diskutieren zu lassen, die man eh selber hat. Das finde ich wahnsinnig langweilig.

Diese Langeweile wird gelindert, indem man Marcus Franz und Martin Sellner einlädt?

Nein, ich möchte in einer Diskussion auch extremere Standpunkte haben und nicht nur dieses mittige Geschwafel. Genauso langweilig finde ich, dass die normale Reaktion auf uns offenbar jene ist: „Die wollen ja nur provozieren.“ Man muss „Talk im Hangar-7“ nicht schauen. Man muss nicht einmal zahlen dafür, wenn man es nicht schaut. Bei anderen muss man zahlen, auch wenn man es nicht schaut.

Es hätte vielleicht weniger verwundert, wenn man Sellner zum Thema einlädt, wie rechtsextrem die österreichische Jugend ist. Aber nein: Man lädt ihn dazu ein, migrantische Jugendliche zu problematisieren.

Da glaube ich, dass die Haltung in der Öffentlichkeit – leider – ziemlich genau abgedeckt ist durch das, was Leute wie Sellner dazu sagen. Deswegen soll man es zeigen und hören. Und auch dagegen argumentieren, was auch auf Sendung geschehen ist.

Die Radikalisierungsstudie zeigt extreme Positionen. Warum hat Servus TV dann nicht auch jemanden aus diesem Bereich eingeladen? Einen Austro-Mujaheddin oder einen Hassprediger? Gab es Bemühungen, da jemand zu finden, oder gilt nur die "weitverbreitete Meinung" unter den Autochthonen als Diskussionsbeitrag, dem man sich stellen muss?

Wir versuchen, Extrempositionen auf beiden Seiten vertreten zu haben. Imame, die dem politischen Islam nahe stehen, werden von uns regelmäßig eingeladen, kommen aber nie.

Ist es nicht auch so, dass der Medienmainstream zunehmend einen wachsenden Markt unbedient lässt ? Jenen der Menschen, die extrem konservative bis rechte Thesen gut finden und Frauen gern auf den Hintern hauen. Wollen Sie da hineinstoßen?

Das wäre ja nur so, wenn wir Martin Sellner einladen, um zu sagen: „Das ist super, was der sagt.“ Wir laden ja auch Marcus Franz nicht ein, weil unsere Zielgruppe die depperten Österreicher sind, die einer Frau auf den Hintern hauen und uns daher super finden sollen. Wir sehen das aber als Position, die relativ breit vertreten wird, auch wenn sie mir persönlich nicht gefällt. Man sollte dringend einmal darüber nachdenken, dass es in der österreichischen Medienlandschaft als Provokation gilt, wenn man alle Positionen, die es zu einem Thema gibt, auch zu Wort kommen lässt.

Sellner freute sich nach seinem Auftritt von einem „revolutionären“ Akt in der Medienszene. Der Chef von Servus TV, Ferdinand Wegscheider, sprach von einem „ideologischen Diktat“, dem sich Servus TV nicht gebeugt habe. Ist es denn ein ideologisches Diktat der zweiten Republik, dass man Rechtsextreme nicht für salonfähig hält?

Das ist nicht mein Begriff. Ich spreche nicht von Diktat, denn ich habe keine Lust auf einen Opferstatus. Mir diktiert auch keiner etwas. Ich interessiere mich nur nicht für den Mainstream. Den wiederum empfinden wieder viele als Diktat, was ich nicht tue, denn ich kann eh machen was ich will. Ich finde nur sehr langweilig, dass der Mainstream sehr breit ist. Und sehr uninteressant.

Zu behaupten, dass die Positionen eines Martin Sellner weit verbreitet sind, ist schon sehr weit hergeholt. Martin Sellner ist ein Rechtsextremer.

Was er zu dem Thema gesagt hat, ist relativ weit verbreitet. Remigration ist etwas, was auch Innenminister Sobotka und Verteidigungsminister Doskozil sagen: Wir müssen dafür sorgen, dass, wenn Leute keinen Aufenthaltstitel haben, sie möglichst schnell wieder abgeschoben werden.

Bei Sellner ist all das rassistisch unterfüttert. Die Identitären halten alles, was dunkle Hautfarbe hat, offenbar für schlecht. Man müsse das Abendland und alles was europäisch ist, vor einer Vermischung mit anderen Kulturen und Rassen schützen, ist ihre These.

Das ist nicht meine Meinung. Aber ehrlich gesagt, wie kommt man auf die Idee, dass das eine Position ist, die man vom Verfassungsschutz verfolgen lassen muss? Wenn ein linker Ökonom findet, dass Unternehmer enteignet gehören, wird das nicht vom Verfassungsschutz beobachtet, sondern er gilt als einer der wenigen vernünftigen Ökonomen. Aber wenn jemand findet, man müsse dafür sorgen, dass Europa seine kulturelle Identität bewahrt, dann soll der vom Verfassungsschutz zu beobachten sein? Es ist eine Position, die ich nicht teile, weil ich sie für illusorisch und zu wenig selbstbewusst halte, aber das war es auch schon. Die Hysterie darum finde ich einfach absurd.

Wo ziehen Sie die Grenze bei Einladungen?

Ganz klar: Bei Leuten, die sagen, die österreichische Verfassung soll nicht gelten. Oder die Gewaltbereitschaft zeigen, was ich bei Sellner durchaus einen Grenzfall fand, bei der Frage, ob man Fremde mit eigenen Händen an der Grenze abwehren soll. Deswegen habe ich das auf Sendung auch angesprochen. Eine Infragestellung des Gewaltmonopols sehe ich kritisch. Was ich nur nicht verstehe: Man muss eine Position dagegen haben und argumentieren. Zu sagen, man darf solche Leute nicht in eine Fernsehsendung lassen, halte ich für schwach.

Stört es Sie nicht, dass man solche Leute legitimiert, in dem man sie auf den Sessel eines Fernsehtalks setzt?
Was heißt „legitimiert“? Das hieße ja, dass diese Positionen illegitim sind und daher muss der Staatsanwalt einschreiten. Was er aber meines Wissens bei Sellner nicht getan hat. Wenn wir da etwas übersehen haben, bin ich der erste, der sich öffentlich entschuldigt. Jemanden, der wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt ist, würden wir nicht einladen.

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