Oscar-Favoritin Glenn Close: "Das macht mich heute noch sehr traurig"

Oscar-Favoritin Glenn Close: "Das macht mich heute noch sehr traurig"
Die Schauspielerin spricht im KURIER-Interview über ihre Mutter, ihre Rollen und Kaninchen-Eintopf.

Glenn Close mag gefühlte 20 mal gegen Meryl Streep verloren haben, aber gegen Lady Gaga durfte und darf sie nicht verlieren. Der Siegeszug, der mit dem Golden Globe begann und sich mit dem Screen Actors Guild Award fortsetzte, wird wohl in der Nacht auf Morgen mit dem Oscar enden. Mit ihrer Dankrede bei den Globes machte sie Geschichte: „Dieser Film heißt „The Wife“ („Die Frau“, der deutsche Titel ist „Die Frau des Nobelpreisträgers, Anm.), was wohl der Grund ist, warum es 14 Jahre dauerte, bis er endlich finanziert wurde!“, begann sie zum Lachen des Publikums.

Und wurde dann ernst: „Meine Mutter hat sich meinem Vater ihr ganzes Leben lang untergeordnet, und an ihrem 80. Geburtstag sagte sie zu mir, ich habe nichts erreicht. Und das war so falsch. Als Frauen können wir Kinder haben, und Ehemänner, wenn wir Glück haben, aber wir müssen trotzdem eine persönliche Erfüllung finden und unseren Träumen folgen. Die Fähigkeit besitzen, zu sagen, ja, ich kann das, und es sollte mir gestattet sein.“

Der Applaus wollte nicht enden, und die Rede war auch perfekt, weil sie direkten Bezug auf den Film nahm. Darin ordnet sie ihr eigenes Talent dem ihres Mannes unter.

KURIER: Waren Sie überrascht über die vielen Nominierungen und Gewinne?

Glenn Close: Und wie! Ich hätte nie erwartet, dass diese Rolle, die so still ist, so zurückhaltend, so viel Aufmerksamkeit erregen könnte. Normalerweise werden Rollen ohne viel Dialog, wo sich das meiste im Mienenspiel und als Reaktion auf jemanden anderen abspielt, nicht wirklich wahrgenommen.

Der Roman, auf dem der Film basiert ist, über 20 Jahre alt, das Drehbuch lag 14 Jahre lang herum. Was gab letztlich den Ausschlag für die Finanzierung? War es die Diskussion um mehr Frauenthemen?

Erstaunlicherweise nicht. Es war eine unabhängige Produktion und das allein ist immer schwierig, und die Vorurteile, die es bei Geschichten über Frauen in Hollywood gibt, sind immer noch extrem. Aber irgendwie schafften es die Produzenten, das Geld aufzutreiben. Und dass der Film mitten in die große Diskussion über Frauenfilme und Frauenthemen platzt, ist eine herrliche und glückliche Fügung.

Wir wollen nicht zu viel über den Film verraten, aber eine Thematik, die darin sehr stark erkennbar ist, ist das Schuldgefühl dem gemeinsamen Sohn gegenüber.

Ja, und das ist auch ein sehr wichtiger Handlungsstrang, denn ihre Ehe ist an dem Punkt, an dem der Film beginnt, ein Arrangement, das sie selbst geschaffen hat. Der Sohn leidet so stark darunter, dass es sein Leben auffrisst, weil er, ohne die Wahrheit zu kennen, ja immer gespürt hat, dass zwischen seinen Eltern eine sehr schlimme Dynamik besteht.

Wie sind Sie selbst mit Ihrer Tochter und ihren Talenten umgegangen, als sie jünger war?

Sie hat das Schauspielen anfangs vermieden, obwohl sie als Kind in Schulproduktionen aufgetreten ist und auch sehr gut war. Und sie hatte Spaß dabei, also dachte ich, dass sie später ganz sicher Schauspielerin werden würde. Aber sie hat die doppelte Kritik sehr schnell begriffen, die Kindern von berühmten Leuten entgegenschlägt. Und dass sie meinetwegen nie sicher sein konnte, ob jemand sie nur mag, weil sie eine berühmte Mutter hat oder ihretwegen. Das war sehr hart für sie. Sie zog es vor, auf die Uni zu gehen und Kunstgeschichte zu studieren. Nachdem sie den Abschluss hatte, war sie ein Jahr lang verloren. Und dann kam sie eines Tages und meinte: „Ich habe es mein Leben lang vermieden – aus all den Gründen, die du kennst, aber die Wahrheit ist, dass ich niemals etwas anderes werden wollte als Schauspielerin.“

Auf Twitter gibt es diesen Hashtag #Frauenlesen, wo Frauen auf weibliche Autoren aufmerksam machen. Was sind Ihre Lieblingsautorinnen?

Ich mag Zadie Smith, und ich bin mit den Büchern von Laura Ingalls Wilder (Unsere kleine Farm, Anm.) aufgewachsen.

Die Frau, die Sie spielen, hat keine sehr positive Einstellung zu Journalisten. Mögen Sie die Presse?

In meinem Land bin ich im Moment sehr dankbar für die Presse und den Journalismus. Dieser Berufszweig ist unfassbar wichtig in einer Demokratie und um eine Demokratie zu erhalten. Und ich bin froh, dass Journalisten noch immer eine Stimme haben.

Sie haben eine unglaubliche Dankesrede gehalten bei den Globes. War Ihre Mutter eine Inspiration für die Rolle und wie Sie sie gespielt haben?

Es war im Grunde das Leben meiner Mutter, und der Gedanke war nie sehr fern. Mein Vater war ein anerkannter, brillanter Arzt, dem Narzissmus nicht fremd war. Meine Mutter war eine außergewöhnliche Frau, die ihr eigenes Talent und ihre eigenen Fähigkeiten seinen immer untergeordnet hat. Sie war künstlerisch begabt, hat das aber nie ausgelebt. Das macht mich heute noch sehr traurig. Und natürlich war das ihre Entscheidung, aber wie viel Entscheidungsfreiheit hatten Frauen ihrer Generation denn? Ihre Mutter durfte nicht auf die Universität gehen, und sie konnte auch nicht. Und wir haben ihre eigene Traurigkeit gesehen, konnten aber auch nichts dagegen tun.

„Eine verhängnisvolle Affäre“ kam vor 30 Jahren heraus. Was denken Sie, wenn Sie sich und den Film heute sehen?

Dass es interessant wäre, ein Remake zu machen. Die Geschichte aus ihrer Sicht zu erzählen anstatt aus seiner. Heute würde der Film so nicht mehr gemacht werden. Wir wissen ja gar nicht, was ihre Motivationen waren, warum sie sich so verhalten hat. Das ist die beste Entwicklung: dass wir heute keine Filme mehr drehen können, die eine Frau wie sie nur als Verrückte, als Psychopatin hinstellen.

Hatten Sie damals Einfluss auf das Drehbuch?

Ich habe es versucht, aber vieles wurde vom Tisch gewischt. Ich habe um vieles mehr gekämpft, als dann letztendlich auf der Leinwand landete.

Haben Sie, wie im Film, je Kaninchen gegessen?

Aber ja! Ich mag Kaninchen-Eintopf.

Glenn Close und die Oscars: Oft nominiert, immer leer ausgegangen

Sie gilt heuer als eine der großen Favoritinnen – nicht zuletzt aus geschichtlichen Gründen: Glenn Close (71) war bereits sechs Mal für einen Oscar nominiert (seit ihrem Debüt 1982 mit „Garp und wie er die Welt sah“), hat aber noch nie gewonnen. „Oh, so Close!“ („Oh, so knapp vorbei“) wurde zum klassischen Sager. Aber das könnte sich bei der Gala in der Nacht auf morgen, Montag, (siehe auch Seiten 36, 37) und mit ihrer Nominierung Nummer sieben ändern.

In Björn Runges Drama „The Wife“(deutscher Titel: „Die Frau des Nobelpreisträgers“) erforscht Glenn Close das reiche emotionale Leben einer älteren Frau, die in einer Männerwelt aufgrund rückständiger Geschlechterrollen kleingemacht und nicht anerkannt wird. Im von #TimesUp und #MeToo geprägten Hollywood könnte das Zuspruch finden. Und wenn ein Academy-Liebling so viele Nominierungen bekommt und nie gewinnt, ist es oftmals nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert.

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