Medientrends: Der Instagram-Moment der Nachrichten

Medientrends: Der Instagram-Moment der Nachrichten
Analyse: Eine weltweite Studie zeigt: Nutzer wollen News, die unterhaltsam, bildhaft und nicht zu negativ sind. Das ist eine gute Nachricht.

Über den Unterhaltungswert der Intrigen und Verwerfungen in der heimischen Innenpolitik konnte man sich zuletzt wahrlich nicht beklagen.

Ibiza und die Folgen“ war fast so gut wie „House Of Cards“ (und sorgte für viele Online-Zugriffe). Aber wegen dramaturgischer Probleme – Laienschauspieler, schlechter Soundtrack, verwirrende Cliffhanger – reichte es an die Serie mit dem ebenfalls in Ungnade gefallenen Kevin Spacey dann doch nicht heran.

Und das ist ein Problem – für die Medienunternehmen. Denn Nachrichten werden immer mehr am Smartphone konsumiert. Das zeigte der aktuelle „Reuters Institute Digital News Report“, der die weltweite Medienlandschaft unter die Lupe nimmt, erneut. Am Handy aber stehen News in direkter Konkurrenz zu vielen Angeboten, die unterhaltsamer, positiver, leichter sind.

Für immer mehr Menschen ist das Handy der Ort, an dem man Neuem erstmals begegnet. Wie genau, das ist unterschiedlich: Die Jungen konsumieren erstaunlich viel Nachrichtenartiges über die Bilderschleuder Instagram (in der Türkei bis zu einem Drittel der Nutzer!), die Älteren bedrückend oft über die Fake-News-Schleuder Facebook.

Und manche wollen gar keine: Ein knappes Drittel sagt, dass es Nachrichten nicht nur nicht anklickt, sondern ihnen aktiv ausweicht.

Wohin? Da gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Etwa zum „House Of Cards“-Anbieter Netflix und seinem milliardenschweren Unterhaltungscontent. Zu schöneren Bildern auf Instagram, zu lustigeren Videos auf TikTok. Im Vergleich zum dort Gebotenen fühlen sich Berichte über den Brexit, politische Detailanalysen und Opernkritiken oft wie harte Konsumentenarbeit an.

Die Konsumenten sagen dementsprechend: Nachrichten seien zu negativ; zu destruktiv, und vor allem junge Menschen sehen das, was ihnen wichtig ist – Klimawandel, gesellschaftspolitische Fragen –, zu wenig repräsentiert. Das Vertrauen in die Medien insgesamt sinkt, wenn auch um vieles langsamer, als die populistische Hetze gegen Medien glauben lassen würde. Einzig in Frankreich gab es im Zuge der Gelbwesten-Proteste einen brutalen Knick im Medien-Vertrauen.

Aber, und hier spitzen die Medienmanager und Journalisten die Ohren: Viele Konsumenten geben online Geld aus, die Zeit der Gratismentalität ist vorbei.

Bezahlt wird unter Bedingungen: Konsumenten wollen nicht nur informiert, sondern unterhalten, persönlich bereichert und abgeholt werden. Und hier haben die Medien das, was sie im Kampf um die Werbegelder mit Google und Facebook bisher nicht hatten: Die Chance, sich aus eigener Kraft wettbewerbsfähiger zu machen.

Zur Erinnerung: Im Kampf um die Online-Werbeeinnahmen gab es brutale Niederlagen. Im Würgegriff von Google und Facebook wurde den Medien ein gewaltiger Teil des Werbekuchens abspenstig gemacht: Laut einer (wenn auch heftig angezweifelten) Studie verdienen die Internetgiganten in den USA dank jener Nachrichten, die andere erstellen, 4,7 Milliarden Dollar – genau so viel, wie die gesamte Nachrichtenbranche.

Besser werden!

Das Erfüllen der (neuen) Wünsche der Kunden aber liegt in den Händen der Medien selbst. Ein Beispiel: Der Video-Hype scheint ein wenig vorbei, Online-Radio („Podcasts“) aber boomt bei den Jungen – und immer mehr Medien springen auf. Die Nutzer sehnen sich nach Relevanz, Nutzen, und praktischen Angeboten. Die Diskussionen über Nachrichten aber werden wieder privater: Statt auf Twitter mit allen wird auf WhatsApp mit den Freunden debattiert. Und die Nachrichten müssen auf Instagram funktionieren: Dort sind die Nutzer.

Österreich: Das Land der Zeitungsleser

Im „Reuters Digital-News-Report“ spielt Österreich eine Sonderrolle: Es bleibt das Land mit dem weltweit höchsten Anteil an Zeitungslesern. Aber auch hier ist der Wandel spürbar: Zuletzt wurde online zur wichtigsten Newsquelle (für 75 Prozent der Österreicher). Im Medienvertrauen liegt Österreich auf Platz 25 von 38 untersuchten Ländern. Facebook bleibt unter den Social-Media-Plattformen am wichtigsten für News, WhatsApp, YouTube und Instagram aber wachsen schneller. Neun Prozent haben zuletzt für Online-Nachrichten gezahlt.  

Der Report im Überblick

  • Die Nachrichtenaffinität der Österreicher steigt: Ein Viertel kann als „Nachrichten-Enthusiasten“ bezeichnet werden, wie es in der Österreich-Auswertung des „Reuters Institute Digital News Report“ heißt. Sie sind an Nachrichten äußerst interessiert und konsumieren sie mindestens sechs Mal pro Tag.
  • 62,5 Prozent der Befragten sind laut der Studie „Schlagzeilen-Folger“, die großes Interesse zeigen und bis zu fünf Mal täglich Nachrichten nutzen. Der Anteil der Gelegenheitsnutzer ist im Gegenzug rückläufig (12,5 Prozent; 2018: 28,8 Prozent).
  • Allerdings ist das Vertrauen der Österreicher in Nachrichten zum zweiten Jahr in Folge leicht gesunken. 2019 gaben nur noch 38,7 Prozent der Befragten an, den Nachrichten im Allgemeinen zu vertrauen (2018: 40,7 Prozent).
  • Auch die Bereitschaft, für Nachrichten-Content zu zahlen, steigt nur langsam. Nur 9,1 Prozent der Befragten gaben an, in der vergangenen Woche für Online-Nachrichten bezahlt zu haben (2018: 8,5 Prozent).
  • Die traditionellen Medien werden weiterhin stark genutzt: Die beiden beliebtesten Nachrichtenquellen sind nach wie vor TV-Nachrichtenprogramme (64,7 Prozent) und gedruckte Zeitungen (53,5 Prozent).
  • Anders sieht das bei den jüngeren Altersgruppen aus: Für die 18- bis 24-Jährigen sind Soziale Medien die am häufigsten verwendete Nachrichtenquelle (67,3 Prozent).
     

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