SPÖ-Stiftungsrat kritisiert ORF-Info: „Das Trockenschwimmen muss aufhören“
Nach der kompletten Neuaufstellung steht die ORF-Information im Wahljahr 2024 unter besonderer Beobachtung. Erst seit 1. Dezember sind die neuen Chefredaktionen, angeführt von Gabriele Waldner-Pammesberger, Johannes Bruckenberger und Sebastian Prokop, besetzt. Seit einem Monat gibt es Chefs für die neuen multimedialen Ressorts. Die Quotenbilanz fällt heuer bislang gut aus: Alle „ZiB"-Sendungen liegen derzeit zum Teil deutlich über Vor-Corona-Niveau (2019).
Aber, meint SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer, „wenn man die Probleme, die ich orte, an den Quoten sieht, ist es ohnehin zu spät.“ Und er fordert: „Roland Weißmann muss seine Hausaufgaben machen. Er ist nicht nur Generaldirektor und oberster Personalchef, er ist vor allem auch Informationsdirektor. Dem ORF fährt in diesem Bereich die private Konkurrenz um die Ohren, so mein Eindruck.“
Lederer moniert, im ORF beschäftige man sich vor allem mit den internen Strukturen und Abläufen. „Programm-Innovationen wären aber die vordringlichste Aufgabe der Chefredakteure, denn vor allem das interessiert die Beitragszahler“, sagt Lederer. Jüngst lancierte Formate wie „Die Runde“ oder „ZiB Wissen“, die teils auf früheren Programm-Ideen fußen, „ändern nichts an meiner Kritik.“
Mehr Programm-Innovationen gefordert
Auf den roten Stiftungsrat wirken „manche ORF-Info-Formate und Diskussionen inzwischen wie aus der Zeit gefallen.“ Sie zu nennen, stehe ihm als Stiftungsrat jedoch nicht zu. „Aber wo ist zum Beispiel die Diskussionssendung, wo sich junge Menschen mit ihren Themen und die jungen Politikerinnen und Politiker von Plakolm bis Herr wiederfinden? Es fehlt jedenfalls eine Diskussionssendung Mitte der Woche.“
Programm-Innovationen brauche es jetzt, nicht erst nach den Wahlen, betont Lederer. Er mutmaßt, „dass es eine beharrende Gruppe von Redakteuren gibt bis in die Redaktionsvertretung hinein, die das vorhandene junge Potenzial, junge Moderatoren und neue Formate nicht zum Durchbruch kommen lassen.“
Für Lederer spielt der ORF derzeit aber auch im „Daily Business“ nicht in Hochform. „Die Redaktion ist bei manchen Themen zu langsam und zu spät dran: Eine ,Im Zentrum‘-Diskussion zu Femizide zwei Wochen nach allen anderen ist nicht, was ich vom ORF erwarte. Die Aufwallungen um Rapid - auch da hat man sich nur mit Verzögerungen draufgesetzt.“
Reibungsverluste zwischen TV, Radio und Online im ORF vermutet
Zudem ortet er „eine gewisse Kommentar-Feigheit.“ Dabei sei die Einordnung von Themen und Schlagzeilen eine Kernaufgabe des ORF. Das betreffe die Innenpolitik, gehe aber darüber hinaus. „Eine charismatische Person wie Hugo Portisch zu finden, ist sicher nicht einfach. Dass es aber aktuell niemand gibt, der oder die am Schirm analysiert und kommentiert, ist eigentlich nicht tragbar.“ Stattdessen werde ein hoher Aufwand um Expertinnen und Experten betrieben. Dabei wundere auch er sich mitunter, auf welche NGOs, wie zuletzt beim Messer-Verbot, man in der ORF-Information komme.
Handschrift von ORF-Chef
Kritik übt Lederer nicht zuletzt daran, „dass die Multimedialität in den Ressorts offenbar noch immer nicht gelebt wird.“ Er ortet Reibungsverluste zwischen Fernsehen, Radio und Online. „Ich sehe auch das Problem, dass die Themendurchlässigkeit über die Kanäle hinweg nicht gegeben ist. Dafür reicht ein Blick auf die blaue Seite orf.at.“ Deshalb gebe es aber diesen Newsroom.
„Roland Weißmann ist seit zwei Jahren ORF-Generaldirektor, es wird Zeit, dass man seine Handschrift erkennt“, sagt Lederer. Es passiere strukturell im ORF einiges Richtiges, „aber es gibt wenig sicht- und hörbar für die Beitragszahler. Das Trockenschwimmen muss aufhören, rein ins kalte Wasser.“ Da sehe er auch andere ORF-Kernbereiche wie den Sport und die Kultur sehr gefordert.
SPÖ will erneute Diskussion um ORF-Beitrag starten
Apropos ORF-Beitrag. Dieser werde nach der Nationalratswahl mit der SPÖ in einer Regierung erneut zur Diskussion gestellt, sagt der rote Stiftungsrat. „Die Diskussion über das ORF-Gesetz ist nicht beendet, nur weil sich die Koalition tot stellt.“ Er kritisiert, dass Schwarz-Grün nie auf die Opposition zugegangen sei und erinnert daran, dass die Grünen ursprünglich die Budget-Finanzierung ins Spiel gebracht hatten. „Die FPÖ hat diese Idee übernommen und trommelt fleißig, kann oder will aber auch nicht sagen, woher sie Hunderte Budget-Millionen nimmt.“ Lederer befürchtet, dass die FPÖ 400.000 sozial schwache Haushalte, die bisher befreit sind, indirekt zu Zahlern machen könnte, weil übers Budget Geld kein Mascherl hat.
ORF-Chef soll mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werden
Auch bei der vom Verfassungsgerichtshof geforderten Gremien-Reform sieht er seitens der Regierung keinerlei Bewegung. „Für die SPÖ geht es um ein großes Demokratisierungspaket für den ORF, zu dem auch die Festschreibung seiner Unabhängigkeit gehört, am besten mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament.“ Klar ist für ihn dabei auch: „Eine große, tiefgehende ORF-Gesetzesnovelle verlangt natürlich die Neuwahl der ORF-Führung, ob Generaldirektor, Direktorium, Vorstand, wie auch immer das dann sein wird.“ Diese sollte geheim und mit Zwei-Drittel-Mehrheit stattfinden.
Medienstandort stärken statt zerstückeln und verkleinern
Liegt die SPÖ beim ORF nun auf FPÖ-Kurs? „Bei der FPÖ ist klar, was kommt: zerstückeln, zerteilen, verkleinern und damit schwächen, was ihr nicht passt. Sie will eine starke vierte Gewalt im Staat nicht. Man braucht ja nur die Chats von Strache, Hofer und Co nachlesen“, sagt Lederer.
Der SPÖ gehe es hingegen darum, den Medienstandort Österreich zu stärken, „und damit auch die tragende Säule dessen, die Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten, und das, indem man die langfristige Finanzierbarkeit sichert.“ Dafür brauche es aber mehr als weitere Budget-Millionen. Und einen Teil dazu könne auch der ORF beitragen. „Es gehört weiter zu den wichtigen Aufgaben Weißmanns, das Gemeinsame mit Zeitungsherausgebern und Privatsendern zu suchen und entsprechende Projekte auf den Weg zu bringen.“
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