ORF-Chef Weißmann: "Nicht mein Job, Parteien glücklich zu machen"
In den vergangenen Monaten hat in Sachen ORF der Verfassungsgerichtshof der Medienpolitik die Vorlagen geliefert. Zunächst kippte er die GIS-Gebühr, nun braucht es eine Reform der ORF-Gremien, die im Vorlauf der Nationalratswahlen fixiert werden muss. ORF-Generaldirektor und Alleingeschäftsführer Roland Weißmann über ein Haus, in dem "sehr viel in Bewegung ist".
KURIER: In den vergangenen Monaten hat in Sachen ORF der Verfassungsgerichtshof die Medienpolitik gemacht. Zunächst die ORF-Finanzierung, jetzt dessen Gremien. Planbarkeit sieht anders aus?
Roland Weißmann: Das muss man differenzierter sehen. Auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs die Finanzierung des ORF betreffend haben wir uns lange vorbereitet. Es sichert dem ORF eine nachhaltige, aber keine üppige Finanzierung, weil sie mit den Netto-Kosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags begrenzt ist. Außerdem wurde uns ein Auftrag mitgegeben, dass der ORF innerhalb von vier Jahren über 320 Millionen € einsparen muss. Wir arbeiten jetzt daran sowie an der Umsetzung des ORF-Beitrags und an den Möglichkeiten durch die Digitalnovelle. Beim Erkenntnis zu den ORF-Gremien ist der Gesetzgeber am Zug.
Sie werden auf jeden Fall einen neuen Stiftungsrat bekommen müssen wie auch einen neuen Publikumsrat. Dem gegenüber stehen Sie immer noch als Alleingeschäftsführer. Wäre nicht jetzt die Gelegenheit, im ORF das Vorstandsprinzip einzuführen.
Diese Frage muss man dem Gesetzgeber stellen. Ich werde sicher niemanden etwas über die Medien ausrichten. In der Geschäftsführung arbeite ich aber auch als Alleingeschäftsführer sehr kollegial mit meinem Direktorium zusammen, es gab bis jetzt auch eine sehr gute Zusammenarbeit mit meinem Aufsichtsrat. Die meisten Beschlüsse fallen einstimmig. Darüber hinaus ist noch wichtig festzuhalten, dass alle Beschlüsse rechtsgültig sind. Der Gesetzgeber hat jetzt Zeit, bis März 2025 jene Adaptionen vorzunehmen, die er für richtig hält.
In der ÖVP, die im Übrigen nicht sehr glücklich mit Ihnen sein soll, denkt man laut über eine große ORF-Reform samt neuen öffentlich-rechtlichen Auftrag nach. Das würde dann genau der Vorwahl-Phase passieren. Wird Ihnen schon Angst und Bang?
Zunächst möchte ich festhalten, dass es nicht mein Job ist, Parteien glücklich zu machen. Tatsache ist, dass vieles mit einer einfachen Parlamentsmehrheit geändert werden kann. Ich verweise aber darauf, dass der ORF einen sehr ausgewogenen Programmauftrag hat. Wir leben überdies in einer Zeit der Polarisierung. Es gibt viele Diskussionen innerhalb der Gesellschaft, und der ORF ist eine der wenigen verbliebenen großen Klammern dieser Gesellschaft. Der ORF erfüllt damit einen wichtigen gesellschaftlichen Auftrag und um den bemühen wir uns tagtäglich. Eine beliebige Neudefinition des Auftrags im Sinne eines Zurechtstutzens des ORF wäre wohl auch nicht im Sinn des VfGH, das klingt im Erkenntnis durch.
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Es droht breite Koalition aus Politik und Privaten gegen den ORF
Die privaten Medien, die von der wirtschaftlichen Situation ziemlich gebeutelt sind, fordern allerdings weitere lenkende Eingriffe seitens der Regierung. Die FPÖ schießt ohnehin ständig quer. Muss der ORF da nicht eine breite Koalition gegen sich und für eine Redimensionierung fürchten?
Wenn man sich leicht fürchtet, dann sollte man nicht ORF-Generaldirektor werden. Es spricht gerade für die Relevanz am heimischen Medienmarkt, dass immer wieder über den ORF diskutiert wird. Das ist auch legitim. Genauso hat natürlich der Generaldirektor des ORF und dessen Belegschaft dasselbe Recht darauf hinzuweisen, welch wichtige Funktionen der ORF für den Medienmarkt, aber auch für die Gesellschaft hat. Der ORF erreicht täglich mehr als 6,4 Millionen Menschen in Österreich mit seinen Angeboten und ist damit Marktführer. Das ist ein Erfolg, den er seinem Publikum zu verdanken hat. So gesehen müssen wir uns auch nicht zu Tode fürchten, sondern können mit berechtigtem Optimismus und großem Know-how in allfällige Diskussionen gehen.
Geboren1968 in Linz, startete Roland Weißmann 1995 als Journalist im ORF NÖ. Dann Leitungsjobs bei Ö3, in der Radio-Info und NÖ. Ab 2010 Büroleiter Finanzdirektion, dann Chefproducer und Leiter ORF-Player.
Am 10. August 2021 wurde er von Stiftungsräten von ÖVP, Grünen, FPÖ sowie Unabhängigen als Nachfolger des Amtsinhabers und Konkurrenten Alexander Wrabetz für fünf Jahre zum ORF-Chef gekürt.
Immer wieder, fast schon rituell, wird verwiesen auf frühere Misserfolge von ORF1 und dass ohnehin nur internationales Programm dort laufe. Die FPÖ schlägt vor, ORF1 zuzusperren. Was hieße das?
Ich bin ein großer Verfechter der Meinungsfreiheit, aber ich muss die Meinung nicht teilen und das aus gutem Grund nicht: ORFeins ist der zweiterfolgreichste TV-Sender in Österreich nach ORF2 und und ganz klar öffentlich-rechtlich positioniert. Österreichische Filme und Serien, produziert von der heimischen Filmwirtschaft, in die der ORF jedes Jahr mehr als 100 Millionen investiert, österreichisches Kabarett und Comedy, österreichische Unterhaltung und natürlich Sport, haben ihre Heimat in ORFeins, zudem eigene News und Doku-Formate. ORFeins ist sowohl in der Zielgruppe 12 Jahre und älter als auch bei der jungen Zielgruppe allein so groß wie die drei größten heimischen Mitbewerber zusammengerechnet. Das sage ich nicht selbstgefällig, sondern ganz im Gegenteil, wir sehen das als großen Auftrag.
Die Kritik kommt immer wieder – alles nur Folklore?
Inzwischen ist da durchaus Folklore dabei – denn wer das aufmerksam verfolgt hat, hat feststellen können, dass das Programmschema von ORFeins zwischenzeitlich massiv überarbeitet wurde. Das sieht völlig anders aus als noch im Frühjahr. Fünf der sieben ORFeins-Hauptabende werden heute mit Eigen- oder Co-Produktionen bespielt. Zweimal in der Woche gibt es internationale Blockbuster und die kommen beim Publikum, das muss man einräumen, auch sehr gut an. Wir haben seit einem Jahr keine neuen Sitcom-Rechte mehr erworben und die branchenüblich längerfristigen Verträge sind am Auslaufen. Große Shows wie „Dancing Stars“ erreichen in ORFeins ein Millionenpublikum. Das gilt auch für die großen Sportevents. Wir sind zum Glück noch in der Lage, dass wir weiter große heimische und internationale Sportrechte bieten können, in die wir 100 Millionen jährlich investieren. Also ich kann nur sagen, ORF eins ist unverzichtbar, für die Filmwirtschaft, die Sportverbände, aber vor allem fürs österreichische Publikum.
ORF-Kooperationen mit ServusTV sichern Fans Premiumsport im Free-TV
Bei der Fußball-Europameisterschaft, für die sich Österreich qualifiziert hat, schaut der ORF in die Röhre.
Das stimmt einfach nicht. Von 51 EM-Sielen sind mindestens 20 in ORFeins zu sehen. Hier, wie in anderen Sportarten, teilen wir uns die Sportrechte aus Kostengründen. Es wird ja immer wieder gefordert, der ORF solle kooperieren. Dazu habe ich mich und hat sich meine Geschäftsführung immer bekannt und wir machen das im Sportbereich intensiv. Man muss sich da schon vor Augen führen: Um Sportrechte gibt es ein Wettbieten am Markt. Gleichzeitig müssen wir sehr sorgsam mit den Gebührengeldern umgehen. Der ORF wurde sogar schon – erfolglos - geklagt, weil er angeblich Rechte zu teuer erworben hätte. Dieser Spagat ist schwierig. Es ist nun so, dass ServusTV schon vor Jahren die Fußball-EM gekauft hat und der ORF, weil wir kooperieren, Lizenznehmer ist. Bei der Fußball-WM im Vorjahr war es genau umgekehrt. Das macht Sinn für alle Beteiligten und vor allem für die heimischen Fußballfans, männlich wie weiblich, weil sie alles im frei empfangbaren Fernsehen sehen können. Und wir führen nun auch Gespräche darüber, dass der ORF ein Österreich-Match zeigen kann. Was mir an der Stelle auch wichtig ist: Der aufstrebende Frauenfußball hat seine Heimat im ORF; Liga-Spiele, EM und WM waren bzw. sind hier zu sehen. Auch mit unseren künftigen Kooperationen geben wir dem Frauenfußball den Stellenwert, den er verdient. Darauf sind wir als ORF zurecht sehr stolz.
Nicht minder wichtig ist die ORF-Information, die mitten in ihrer multimedialen Neuaufstellung steht. Aktuell läuft die Ausschreibung der Chefredaktionen und der Stellvertretungen und das erstaunlich ruhig. Die starten bei einem Dienstantritt frühstens mit 1. Dezember und noch nicht eingespielten Abläufen quasi direkt hinein in den Vorwahlkampf - hat man sich im ORF damit zu lange Zeit gelassen?
Nachdem ich selbst Mitarbeiter der ORF-Information war, kann ich einschätzen, was das bedeutet: Das Zusammenführen aller Teile in eine multimediale Information ist ein sehr großes Projekt. Das, was über Jahrzehnte gelernt und hervorragend funktioniert hat, muss nun neu aufgestellt werden. Der Punkt ist da also nicht, ob das um ein paar Monate früher oder später startet, sondern dass neue Strukturen für eine multimediale Zusammenarbeit erarbeitet wurden, die funktionieren müssen. Wir haben im Jänner mit den ersten Workshops zur neuen Struktur begonnen. In der Folge gab es auch viele Abstimmungsnotwendigkeiten und Gespräche mit Betriebsrat und dem Redaktionsrat. Ich meine aber, dass das Mehr an Zeit der Sache gut tut - Speed kills wäre hier nicht das richtige Motto. Die Bewerbungsfrist für die neuen Chefredaktionen endet am Donnerstag und dann werden wir das rasch umsetzen.
Apropos Super-Wahljahr: Wie wird der ORF nach dem Ende der Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA weiter vorgehen? Hochrechnungen wird man auch künftig brauchen.
Es gibt dazu eine eigene Arbeitsgruppe. Mir ist an der Stelle wichtig festzuhalten, dass es in der Vergangenheit immer eine tadellose Zusammenarbeit mit SORA gegeben hat. Aus den bekannten Vorfällen ist mir aber ein Weiter-wie-bisher nicht mehr möglich erschienen. Wir werden in Kürze mit einer ganz transparenten Vergabe die Wahltagsforschung des ORF auf neue Beine stellen.
Auch SORA hat sich neu aufgestellt, kann die sich wieder bewerben?
Da muss man SORA fragen. Ich lege Wert darauf, dass wir eine transparente Ausschreibungspolitik verfolgen und wir werden zeitgerecht eine Entscheidung haben, so dass unsere Zuschauerinnen und Zuschauer, so wie sie es bisher gewohnt sind, eine tadellose Wahlberichterstattung im ORF verfolgen werden können.
Die multimediale Umstellung betrifft auch Hauptabteilungen und Ressorts und das läuft nicht friktionsfrei. Nun hat Radio-Außenpolitik-Chef Hartmut Fiedler das Handtuch geworfen – aus „Hoffnungslosigkeit“, wie er in einem Korrespondenten-Schreiben zitiert wurde. Sind Sie alarmiert?
Ich beschäftigte mich mit jeder Stellungnahme einer Redakteurin oder eines Redakteurs, weil mir das wichtig ist. Ich bin auch ein großer Freund der Transparenz. Aber wenn es Probleme gibt, soll man die als erstes intern besprechen. Nur so kann es Lösungen geben. Was die Email mit diesem Zitat betrifft, wurde im Nachhinein festgehalten, dass es keines des Ressortleiters war und das Zitat dem Verfasser der Mail zuzuschreiben ist. Aber wenn es Kritik gibt, muss man sich der Kritik stellen und das passiert ja auch auf der Ebene Chefredaktion und Ressortleitung. Es ändert das jetzt auch nichts am weiteren Vorgehen – die Leitungsfunktionen der neuen multimedialen Ressorts werden in den nächsten Wochen ausgeschrieben.
Sie sind – ein Erbe der Ära Wrabetz - auch Info-Direktor. Sie haben angekündigt, dass sie sich die Struktur der Geschäftsführung bzw. die Geschäftsverteilung nach zwei Jahren mal anschauen wollen. Es tut sich ja viel, auch technologisch. Haben Sie das Hinterfragen schon begonnen?
Wir hinterfragen ständig die Strukturen. Das ist ein Gebot der Zeit. Wir haben in den vergangenen Monaten schon den multimedialen Newsroom aufgesetzt, den Sport bereits multimedial umgestellt, derzeit läuft die Neuaufstellung der Information und wir arbeiten gerade an der Umsetzung einer multimedialen Wissenschaft. Noch folgen wird auch die multimediale Kultur. Das heißt auch, in diesem Haus ist sehr viel in Bewegung und wir managen die Veränderungen aktiv. Manches war ja vor knapp zwei Jahren, beim Antritt dieser Geschäftsführung, noch nicht vorherzusehen - der ORF-Beitrag, die Digital-Novelle, auch Dinge im technologischen Bereich. Zum aktiven Management gehört aber, dass man eines nach dem anderen portionsweise abarbeitet, wer den Mund zu voll nimmt, wird sich sonst verschlucken. Die Zeichen im ORF stehen, auch strukturell, weiter auf Erneuerung und Veränderung.
ORF-Führung und ihre Aufgaben sind nicht in Stein gemeißelt
Auch in der Geschäftsführung?
Es ist nichts in Stein gemeißelt. Gewisse Veränderungen kann die Geschäftsführung allein entscheiden. Änderungen bei der Geschäftsverteilung in den Direktionen brauchen hingegen die Zustimmung des Stiftungsrats. Und da gilt das, was ich schon vor knapp zwei Jahren gesagt habe: Wenn wir das Gefühl haben, es ist notwendig, etwas zu verändern, werden wir das angehen. Das betrifft auch allfällige Adaptionen in den Geschäftsführungsbereichen.
Es birgt schon eine gewisse Ironie in sich: Gerade die Neueinführung des ORF-Beitrags führt nun dazu, dass nach dem Bund auch mehrere Bundesländer – zuletzt Wien – von ihrem GIS-Körberlgeld abrücken. Es wird also für viele Menschen deutlich billiger. Einige wenige Bundesländer sind noch nicht so weit. Werden Sie sich dort dafür einsetzen?
Also, das liegt nicht wirklich in der Hand des ORF. Ich halte mich wie beim Gesetzgeber auch bei Landesregierungen und Landtagen mit Ratschlägen via Medien zurück. Wichtig ist im Zusammenhang mit dem ORF-Beitrag aber, dass es für mehr als drei Millionen Menschen tatsächlich billiger wird - mit nur mehr 15,30 € statt 18,59 Euro monatlich. Für den ORF wiederum bringt das eine nachhaltige, weil planbare Finanzierung. Wir sind aber weiterhin zur Wirtschaftlichkeit und zur Sparsamkeit verpflichtet. Und die Sparansage für den ORF von 320 Millionen ist eine sehr harte. Es ist für den ORF wie für die gesamte Medienbranche ein wirtschaftlich schwieriges Jahr. Die Mehrerlöse, die in der Vergangenheit medial kolportiert worden sind, wären schön, sind aber nicht wahr.
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Die beim ORF-Beitrag vor allem zum Handkuss kommen, sind junge Menschen, die eher Streaming-Plattformen konsumieren, als dass sie fernsehen. Am ehesten kommt ihnen der ORF da mit dem Player, nunmehr ORF ON genannt, entgegen. Was passiert wann und wie? Was man mitbekommt, ist, dass schon Produktionen für den Start von ORF ON zurückgehalten werden.
Richtig ist, dass wir junge Menschen künftig über Streaming erreichen können und dürfen. Auch wenn die Diskussionen um ORF ON schon Jahre laufen, den tatsächlichen Startschuss konnten wir erst mit dem Beschluss der Digital-Novelle im Parlament geben. Erst da war fix, was der ORF an neuen digitalen Angeboten wird machen dürfen. Und das zusätzlich zum klassischen Programmangebot im TV, im Radio und auf der blauen Seite orf.at. Wir werden am 1. Jänner ORF ON starten und werden sukzessive Programme dort aufbauen. Viele unserer Erfolgsproduktionen werden künftig ein halbes Jahr lang online abrufbar sein, statt bisher nur sieben Tage. Dokumentationen oder Produktionen im neuen Kinderkanal auf ORF ON sogar länger. Und natürlich wird es Produktionen geben, die online-first rausgehen.
Die Erwartungen sind schon einigermaßen hoch.
Wir werden alle Details zum Start von ORF ON rechtzeitig bekannt geben. Evolution statt Revolution ist angesagt. Wir werden sehr user-zentriert vorgehen, das Programmangebot auf ORF ON mit spezieller Marktforschung entsprechend entwickeln. Auch die internen Strukturen werden angepasst. Wir werden sehen, was beim Streaming – möglicherweise anders als im linearen Fernsehen – gut bei den Nutzern ankommt und werden darauf sehr rasch reagieren. Also, der 1. Jänner ist der Start von ORF ON und nicht das Ende der Entwicklung. Wir sind mitten in der Transformation vom Broadcaster zur Plattform.
Öffentlich-Rechtliche wollen einander künftig online verlinken
Ist angedacht, sich zum Beispiel mit deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern intensiver auszutauschen, ob nun wegen Programmen oder auch Know-how?
Der Vorteil des ORF ist, dass wir durch die langjährigen Kooperationen und über den Verbund der EBU schon sehr viele Kontakte haben. Gespräche mit ARD und ZDF, aber genauso mit dem Schweizer Fernsehen laufen. Wir wollen verstärkt kooperieren etwa über Verlinkungen und Empfehlungen, um online mehr öffentlich-rechtliche Programm-Qualität abrufbar machen zu können. Das halte ich für ein wichtiges Asset über Grenzen hinweg. Es waren erst jüngst Vertreter der ARD in Wien. Die Zusammenarbeit hat schon begonnen.
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Gibt es eine gemeinsame Vorstellung davon, wie weit sie reichen kann – oder wettbewerbsrechtlich darf?
Die Vorstellungen sind grenzenlos, prinzipiell. Aber natürlich geht es auch immer um Lizenzrechte und Territorien. Nicht geben wird es, auch wenn manche davon träumen, einen deutschsprachigen öffentlich-rechtlichen Einheitsplayer. Die Plattformen der jeweiligen Sender sollen ihre speziellen Assets beibehalten, aber durch leichtere Vernetzung sollen die Grenzen einfacher zu überwinden sein. Ein Beispiel: Ist jemand ein Freund des Neujahrskonzerts soll er über Verlinkungen und Empfehlungen sehr einfach zu Klassik-Produktionen auf Plattformen der deutschen Sender oder in der Schweiz kommen können. Genau so etwa auch bei Dokumentationen. Das gilt natürlich auch für den neuen Kinderkanal auf ORF ON. Darüber hinaus kooperieren wir mit Funk, dem jungen Content-Netzwerk von ARD und ZDF. Also auch da können wir dank der Digital-Novelle für den ORF eine engere Zusammenarbeit zum Nutzen unserer künftigen User eingehen. Wir hoffen, dass wir da im nächsten Jahr einiges an Kooperationen werden präsentieren können.
ORF ON auch als Spielplatz für private Medien
Der ORF ist auf Joyn von Puls4/ATV vertreten. Ist das umgekehrt bei der Plattform ORF ON dann auch angedacht?
Wir kooperieren tatsächlich viel mit privaten Medien. Das betrifft ja nicht nur Joyn oder den Sport. Die ORF-Radios sind jetzt z. B. auch auf dem Radio-Player, der Radio-App der Privaten, zu finden. Im Rahmen des neuen ORF-Gesetzes wird es auch Möglichkeiten für private Medien geben, auf ORF ON in Erscheinung zu treten. Wie, das ist noch in Erarbeitung. Die Grenzen der Kooperationsmöglichkeiten setzen die Gesetze. Mir ist schon klar, ORF und private Medien hatten und haben vielleicht auch noch eine emotional schwierige Phase durch die Verhandlungen über das ORF-Gesetz. Jetzt muss es aber einen Schritt weiter gehen.
Ich begrüße deshalb die Initiative von Medien-Ministerin Susanne Raab, die jüngst beim Produzententag angekündigt hat, dass einen Runden Tisch zur künstlichen Intelligenz geben soll. Wenn es die Einladung gibt, werden wir uns sehr gern beteiligen. Ich halte das Thema Künstliche Intelligenz insgesamt für den großen Game-Changer auch in der Medienwelt. Die Frage ja oder nein, stellt sich da gar nicht mehr, sondern nur mehr wie oder wie nicht. Das Thema ist ja schon seit einigen Jahren virulent, es ist durch ChatGPT öffentlich breit bekannt geworden. KI wird natürlich starke Auswirkungen auf den Journalismus haben. Das kann nur nach klaren Spielregeln stattfinden und der Mensch wird hier nie wegfallen. Andererseits eröffnet KI dem ORF z. B. im Bereich Untertitelung neue Möglichkeiten. Wir können das Programmangebot des ORF auch mit Einsatz von künstlicher Intelligenz schneller und sehr weitgehend barrierefrei machen. Die Möglichkeit zur Kooperation besteht also in vielen Bereich, jetzt muss nur insgesamt wieder von allen Teilnehmern des österreichischen Medienmarkts der Blick nach vorne gerichtet werden. Die Situation ist für alle schwierig, das ist verstanden. Jetzt gilt es die vielen gemeinsamen Herausforderungen am Medienmarkt gemeinsam anzugehen.
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