Was ist eigentlich der ORF-Stiftungsrat?
Der Stiftungsrat ist das oberste ORF-Aufsichtsgremium und entspricht bei Aufgaben und Haftung einem AG-Aufsichtsrat. Er bestellt alle fünf Jahre den ORF-Generaldirektor und die Direktoren. Er besteht aus 35 Mitgliedern, die dem Prinzip nach weisungsfrei sind. Ihre Tätigkeit ist ein Ehrenamt. Sechs Mitglieder stellen die Parlamentsparteien, neun entsenden die Bundesländer sowie die Bundesregierung, sechs kommen aus dem Publikumsrat und fünf vom ORF-Betriebsrat.
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Was ist der ORF-Publikumsrat?
Die 30 Mitglieder des Publikumsrats vertreten die Interessen der Hörer und Seher. Beschickt werden sie von gesetzlich festgelegten Interessensvertretungen sowie vom Bundeskanzler durch Institutionen nach Ausschreibung. Der Publikumsrat kann Empfehlungen abgeben und entsendet sechs Stiftungsräte.
Welche Probleme sehen die Höchstrichter?
Der Verfassungsgerichtshof sieht „Verstöße gegen das Unabhängigkeits- und Pluralismusgebot“ und einen übermäßigen Einfluss der Regierung. Verfassungswidrig ist etwa: Im Gegensatz zu Parteien oder Publikumsrat darf derzeit die Regierung neun Stiftungsräte benennen. Beim Publikumsrat ist u. a. die Bestellung von 17 Mitgliedern „so weitgehend in das Belieben des Bundeskanzlers ... gestellt“, dass Unabhängigkeit und Pluralismus nicht mehr gewährleistet sind.
Hat es sich die Regierung gerichtet?
Schwarz-Grün hat den bisherigen Spielraum genutzt. Die derzeit gültige Fassung des ORF-Gesetzes stammt aber von 2001 (ÖVP-FPÖ-Koalition). Der Besetzungsmodus der Gremien darin ist eine Fortschreibung von 1984 (SPÖ-FPÖ-Koalition).
Müssen die Gremien nun aufgelöst werden?
Der Verfassungsgerichtshof hat dem Gesetzgeber eine Frist für eine Neuregelung und in der Folge Neuaufstellung der Gremien bis 31. März 2025 eingeräumt. Bis dahin sind sie weiter im Amt. Würze gibt dem Ganzen, dass 2024 Nationalratswahlen angesetzt sind. Da ist Populismus Trumpf. Ein über die „Reparatur“ des Gesetzes hinausgehender Wurf – etwa Neufassung des öffentlich-rechtlichen Auftrags – wäre möglich, aber komplex.
Ist die ORF-Führung immer noch rechtmäßig?
Ja. Die auf fünf Jahre befristeten Verträge der ORF-Führung laufen normal weiter. Allerdings besteht die Möglichkeit einer vorzeitigen Abberufung bei Inkrafttreten des dann in Teilen neuen ORF-Gesetzes. Dies hatte die schwarz-blaue Regierung 2001 festgelegt.
Hat das Erkenntnis des VfGH Auswirkungen auf die Einführung des ORF-Beitrags mit Anfang 2024?
Nein. Aber immerhin führt dessen Einführung dazu, dass immer mehr Bundesländer auf ihre bisher mit den ORF-Gebühren eingesammelten Abgaben verzichten.
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