Klien: Böhmermann-Show "mit sehr viel Schmerzen" gesehen
„Klingt eindeutig super, oder?“, sagt Volkmar Klien.
„Ja! Wenn man Fan von Tierquälerei ist“, antwortet Peter Klien. „Klingt ein bissl so, als würde den Hühnern der Hals umgedreht.“
Die beiden Brüder sprechen seit Jänner in der Ö1-Radiosendung „Neue Musik im Härtetest“ über zeitgenössische Musik. Der eine, Komponist und Uniprofessor in Linz, spielt zentrale Werke der Moderne vor und erklärt deren Bedeutung. Der andere, ein bekannter TV-Komiker, sagt spontan und frei heraus, wie das auf ihn wirkt. Ohne Respekt vor Namen wie Boulez, Cage oder Ligeti.
Das ungefilterte Schimpfen befreit die Beschäftigung mit den Tonkonstruktionen von strengem Ernst und öffnet Barrieren. „Ich versuche, mich dem mit aller Offenheit zu nähern“, sagt Peter Klien. "Es ist nicht so, dass ich Vorurteile breittreten möchte. Die Reise war durchaus spannend.“
Diese Reise führte bisher über 19 Serienfolgen, die auch als Podcast verfügbar sind (oe1.orf.at/archiv/klienundklien). Am Ende jeder Sendung wird der musikalische Härtegrad bestimmt: Von 1 („geht wie Butter ins Ohr“), bis zu 10 („wirklich unhörbar“).
Härte und Hinterseer
„Ich finde Härte ja großartig“, sagt Volkmar Klien. Er ziehe Musik vor, „die etwas von einem will“. Dazu gehöre auch eine gewisse Anstrengung.
„Es gibt Freunde der Blasmusik und von Hansi Hinterseer. Und es gibt Leute, die nur Bach oder Mozart mögen“, sagt der Komponist. „Oft ist Musik hören nur Bestätigung dessen, was man eh schon denkt. Neue Musik macht genau das absichtlich nicht.“ Wenngleich die Szene oft wie eine verschworene Gemeinschaft wirkt, sei aber „mehr möglich, als man glaubt“, sagt er. „Da gibt's wildeste Verbindungen mit Black Metal und Noise.“
Trotzdem „ist es unwahrscheinlich, dass sich eine Gruppe ganzkörpertätowierter Metalfans zu Wien Modern verirrt,“ sagt Peter Klien.
Volkmar Klien: „Aber die siehst auch nie beim Schubert-Abend, was schade ist.“
Da sind sich die Brüder zur Abwechslung einig.
„Früher haben wir über Musik eigentlich nicht gestritten“, sagt Volkmar (Jahrgang 1971). Die beiden und ihr Bruder Michael, ein Choreograf, hörten „in der Volksschulzeit eher Beatles und ABBA, aber auch ,Sport und Musik’ auf Radio Wien“, erzählt Peter (Jahrgang 1970).
Live auf der Bühne
Am Dienstagabend (1. Juni) hieven die „Klien-Brüder“ das von Ö1-Musikredakteur Rainer Elstner entwickelte Konzept erstmals auf die Bühne. Im Wiener RadioKulturhaus werden die beiden live von Musikern des RSO Wien vorgetragene Stücke besprechen. Ab 19.30 Uhr kann man das auf radiokulturhaus.orf.at im Video-Livestream verfolgen. Auf Ö1 ist der Mitschnitt am 17. Juni (19.30 Uhr) zu hören.
Bei der Bühnenversion soll auch das Publikum eingebunden werden. „Mir ist nur wichtig, dass die Komponisten nicht persönlich anwesend sind“, scherzt Peter Klien. „Sonst bin ich mir nicht sicher, ob ich nicht körperlich bedroht werde und das möchte ich eher vermeiden.“
Zukunft für "Gute Nacht Österreich"?
Keine Angst vor direkter Konfrontation hatte der Satiriker als TV-Außenreporter bei „Willkommen Österreich“. Auch in seiner eigenen Late-Night-Show „Gute Nacht Österreich“ sparte er nicht mit Kritik an Österreichs Politik. Wobei: „Alles, was wir damals an Politiker-Chats erfunden haben, als schrille Comedy, hat sich ja in Wirklichkeit als noch viel ärger herausgestellt“, sagt er.
Diesen Jänner wurde aber auf ORF1 vorerst der Stecker gezogen, obwohl „Gute Nacht Österreich“ mit neuem Freitags-Sendeplatz zuletzt „sensationell funktioniert hat“, wie Klien sagt.
Böhmermann als "Impuls aus dem Ausland"
Dass er gerade in politisch turbulenten Zeiten dieses Werkzeug nicht zur Verfügung habe, „hat natürlich schon wehgetan“, sagt er. Da betrachte er auch ein Satire-Produkt wie Jan Böhmermanns Österreich-Special auf ZDF „mit sehr viel Schmerzen, weil ich es auch als meine Aufgabe sehe, so etwas zu zeigen“. Zu Böhmermanns viel diskutierter Abrechnung mit der heimischen Politik nach Ibiza sagt Klien: "Natürlich ist es immer mit einer gewissen Gefahr verbunden, wenn man sich aus dem Ausland sozusagen in die Innenpolitik eines Nachbarlandes einmischen möchte. Aber nachdem ich das ja mit Ungarn auch sehr erfolgreich gemacht habe, finde ich es schon gut, dass in einer Zeit, in der in unseren Medien so eine Satire auf Pause ist, ein derartiger Impuls aus dem Ausland kommt."
Andererseits habe er die Auszeit aber „auch einmal genossen“ und sei „gut erholt für neue Abenteuer“. Kommendes Jahr soll es laut öffentlichen Bekundungen aus dem ORF weitergehen. Derzeit stehe und falle vieles mit der ORF-Wahl im August. „Es gilt, ein bisschen geduldig zu bleiben“, sagt er, „aber ich bin sehr zuversichtlich“. Sollte es wider Erwarten keinen Neustart geben, werde er Angebote anderer Sender – die es gebe – prüfen.
Publikum hat gefehlt
Für eine Neukonzeptionierung der Show nennt Klien jedenfalls als „unabdingbar“: „Es braucht mehr Interaktion und Bewegung.“ Die Sendung habe sehr darunter gelitten, dass keine Zuschauer da waren. "Publikum sorgt natürlich für Stimmung vor Ort. Da wird man Wege finden müssen, um ein bisschen mehr Leben und Abwechslung ins Studio zu bringen."
Es sei auch "sicher ein Fehler" gewesen, seine Außen-Reportagen als "für mich wichtiges Format" nicht von Beginn an breiter in der Show einzubringen, meint er. Als er dies beheben wollte, seien die Kontaktbeschränkungen durch Corona wieder dazwischen gekommen.
Vieles sei "natürlich eine Frage des Budgets", meint Klien. "Es wird halt auch gern vergessen, dass wir im Vergleich mit ähnlichen deutschen Shows ein Viertel des Budgets haben. Von den amerikanischen Shows möchte ich gar nicht reden."
Partner "Dossier" losgelöst
Ob die Rechercheplattform Dossier dann noch an Bord sein könnte, ist fraglich. "Sie haben sich aufgrund dessen, das Ihnen diese Sendung weggebrochen ist, dazu entschieden, ihr ganzes Arbeitsmodell zu ändern", sagt Klien. Durch Abo-Aufrufe konnte die Plattform in kurzer Zeit sehr viele Abonnenten dazu gewinnen. Klien: "Dadurch haben sie sich jetzt eine wirtschaftliche Grundlage geschaffen, die sie loslöst von Auftragsproduktionen und ich denke, dass das für Dossier auch eine Befreiung war dahingehend, jetzt einfach ihr eigenes Produkt in den Vordergrund zu stellen. Daher weiß ich nicht, wie sehr sie selber überhaupt interessiert sind, sich weiterhin ans Fernsehen zu binden."
Hoffen, dass Regierung hält
Klien hofft, dass die politische Situation nicht so bald komplett aus dem Ruder lauft. „Also wenn es im Herbst Neuwahlen gibt, und ich noch nicht on air bin, dann wird es natürlich langsam unerträglich." Aber einstweilen glaube er das nicht. "Es müsste ja einer der beiden Regierungspartner das Handtuch werfen. Ich glaube aber, dass es für beide derzeit mehr Nachteile als Vorteile bringen würde. Insofern werden sie mit fest zusammengekniffenen Zähnen der Dinge harren und sich ins nächste Jahr schleppen.“
Also beißt man noch einmal in die Schweinsstelze und stoßt mit Mineralwasser auf die Koalition an?
Klien lacht und sagt: „Ja, sie werden miteinander leider kein Bier trinken. Das ist ja der eigentliche Skandal, dass sich die Regierung traut, sich ins Schweizerhaus zu setzen, ohne ein einziges Glas Bier zu trinken. Das sind natürlich die Dinge, die die Menschen am meisten enttäuschen.“
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