ORF-Verhandlungen: mehr Gebühren, weniger Werbung, Streit ums Digitale
In dieser Woche wird die Koalition die Verhandlungen über die ORF-Finanzierung und Digital-Novelle abschließen. Davon geht man bei Grünen wie auch ÖVP aus. Die Nervosität ist dementsprechend allseits hoch, sehr hoch sogar. Ganz besonders am Küniglberg. Nichts fürchtet man in dieser heiklen Situation dort mehr als die eigene Mitarbeiterriege.
So lässt sich jedenfalls eine Mail von Sender-Chefin Doroteja Gradištanac an alle FM4-„Mitarbeiter/innen“ lesen. Sie spricht darin vom „unmissverständlichen Auftrag“ von Generaldirektor Roland Weißmann, in Bezug auf den ORF und die laufenden Verhandlungen sich „zu keinerlei Kommentaren dazu, persönlichen Einschätzungen, Jokes oder zu sonstwas hinreissen zu lassen.“ Weiter heißt es da: „Persönlich würde es mich nicht wundern, wenn in dieser schwierigen Zeit Zuwiderhandeln disziplinär geahndet wird.“ Sie hofft, dass „allen die Wichtigkeit der Loyalität zum Unternehmen in Zeiten wie diesen klar ist.“
Mehr Zahler
Denn für den ORF geht es um viel: von bis zu 740 Millionen im Jahr 2024 ist die Rede. Die „ORF-Beitrag“ genannte Haushaltsabgabe soll dem Vernehmen nach ab 1. Jänner bei 15,30 Euro monatlich (statt bisher 22,45 Euro für TV+Radio) für alle liegen. In den Berechnungen geht man von 400.000 Haushalten aus, die künftig neu als Zahler dazukommen, sowie von 150.000 Firmen. Das bringt dem ORF statt 676 Millionen (2022) 710 Millionen Euro. Je nach Definition bei den Firmen könnten es bis zu 740 Millionen werden.
Der ORF bekommt mit dem „Beitrag“ die Netto-Kosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags abgegolten. Was zu viel ist, kommt auf ein Sperrkonto. Die weitere Festsetzung des „ORF-Beitrags“ soll offenbar wieder zu den Aufgaben des ORF-Stiftungsrats zählen. Wie die Kontrolle dessen aussieht, ist noch nicht bekannt.
Im Gegenzug bekommt der ORF eine Deckelung der Online-Werbung (zuletzt etwa 18 Mio. Euro) und Radio-Werbung (etwa 60 Mio.) verpasst. Letztere soll von täglich 172 Minuten auf 155 Minuten sinken. Deren Durchrechnungszeitraum wird auf monatlich umgestellt. Das kostet viele Millionen und hilft privaten Radios.
Schieflage
All das fehlt im Privat-TV-Bereich komplett. Und im digitalen Bereich wird der ORF künftig so viel mehr Spielraum bekommen, dass die Schieflage auf dem österreichischen Medienmarkt noch verstärkt werden könnte. Soweit durchgesickert ist, gibt es keine Deckelung der Artikel-Zahl auf orf.at, wie etwa von den Verlegern dringend eingefordert und von ORF-Chef Weißmann selbst vorgeschlagen.
Festgeschrieben wird nur, dass 70 Prozent des Inhalts auf orf.at Bewegtbild sein sollen und nur noch 30 Prozent Text. Das öffnet der Manipulation des Umfangs etwa durch zugekaufte Bewegtbild-Inhalte Tür und Tor, wird befürchtet. Einziges Zugeständnis der Politik an die privaten Medien hier: Begriffe wie „zeitungsähnlich“ oder „Überblicksberichte“ sollen im Gesetz präzisiert werden.
Ohne Grenzen
Digital-only-Content soll gar nicht begrenzt werden, heißt es. Der ORF könnte damit im digitalen Raum künftig tun und lassen, was er will und in der Folge „Beitrags“-Erhöhungen damit begründen. Im Sinne von „digital first“ sollen überdies TV-Inhalte 24 Stunden vor Ausstrahlung online verfügbar sein dürfen.
Für Kinder- und Jugendprogramm wird ein Online-Channel geschaffen werden. Sport+-Inhalte sollen, heißt es, teilweise auf ORF1 bis 2026 zu sehen sein und danach auf dem geplanten ORF-Player. Weitere digitale TV-Kanäle sollen dem ORF untersagt werden. Die Catch-up-Frist (für dzt. die TVthek) soll auf 30 Tage (bisher 7 Tage) ausgeweitet werden, bei manchen Inhalten sogar auf ein halbes Jahr.
Verordnete Transparenz
Kritisiert wird im Umfeld privater Medien fehlende Transparenz bei den Verhandlungen. So soll keine strukturierte Zusammenschau der geplanten Gesetzesänderungen vorliegen. Apropos Transparenz – aus Verhandlungskreisen hört man, dass das Finanzministerium die jährliche Veröffentlichung der Manager-Einkommen in anonymisierter Form fordert. Auch verpflichtende Sparvorgaben für Personal- und Sachkosten könnten wie schon 2010 kommen. Weiter ein Thema sind zudem die privilegierten Uralt-Verträge. Für deren „Eindampfen“ will die Koalition die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen.
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