ORF-Novelle „zerstört Medienvielfalt und damit demokratische Basisvoraussetzungen“

ORF-Novelle „zerstört Medienvielfalt und damit demokratische Basisvoraussetzungen“
Medien-Manager Michael Grabner rät zu Nachdenkpause. Pläne der Koalition bedeuten „sehr langsames Todesurteil für den Bezahlauftritt privater Medien".

Die Verhandlungen über die ORF-Finanzierung via Haushaltsabgabe sowie die Digitalnovelle sind in der Zielgeraden und lassen zunehmend Emotionen hochkochen.

Eine klare Meinung zu den Plänen von ÖVP und Grünen äußert Michael Grabner, langjähriger Medien-Manager im In- und Ausland, im Interview mit dem Standard: „Kommt das ORF-Gesetz samt Digitalnovelle wie jetzt geplant, ist das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein sehr langsames Todesurteil für den Bezahlauftritt privater Medien.“ Und er betont: „Was man da vorhat, zerstört die Medienvielfalt und damit demokratische Basisvoraussetzungen der nächsten zehn Jahre – und ist kaum noch umzukehren.“

Medienvielfalt absichern

Der Medienberater, der u. a. der erste Geschäftsführer der Mediaprint von KURIER und Krone war, sieht die Printbranche vor „einer Vielzahl von Herausforderungen“: Die früher sehr rentablen Printabonnements gehen zurück. Die Digitalabos sind, unter anderem durch den ORF, ganz, ganz schwer zu verkaufen. Die Redaktionen und die Verlage müssten erst lernen zu vermarkten. Zudem seien die Medien konfrontiert mit internationalen Social-Media-Angeboten, die sehr viel Aufmerksamkeit binden. Und zum vierten gebe es eine massive Teuerungswelle auf allen Ebenen. „All das bedeutet eine sehr schwierige ökonomische Situation.“ Und: „Das exzellente, kostenlos zugängliche Angebot des ORF, das künftig durch eine Abgabe für alle finanziert werden soll, verengt den Spielraum für andere Medien so stark, dass man notwendige große Redaktionen nicht finanzieren kann“, meint Grabner.

Er bekenne sich klar zum ORF. „Je kleiner ein Kulturraum ist, desto größer muss die Förderung von medialem Tun sein, sonst kann sich der Kulturraum nur schwer entwickeln.“ Aber er betont auch: „Wenn man Medienvielfalt nicht wirtschaftlich absichert oder ihr die Möglichkeit zur medienwirtschaftlichen Entfaltung gibt, dann wird es schwierig“, verweist er u. a. auf die USA, wo trotz großem Markt nur mehr eine Handvoll Print-Verlage aktiv sind.

Probephase für Gesetz

Grabners Rat zur aktuellen Situation: „Man muss das gerade verhandelte Gesetz stoppen und neu überdenken. Sonst wird die Diskussion noch dümmer, als sie derzeit schon ist.“ Der langjährige Manager des Holtzbrinck-Konzerns (Die Zeit, Handelsblatt)  schlägt vor, Medienökonomen beizuziehen, „die sagen können: Was kann man finanzieren – und was nicht? Bei der Gelegenheit sollte man auch diese österreichischen Blödheiten von öffentlichen Inseratenbuchungen als inoffizielle Medienförderung hinterfragen.“

Sein radikaler Vorschlag Richtung Gesetzgeber: „Ein neues ORF-Gesetz kann nur für einen klar begrenzten Zeitraum gelten – für zwei Jahre als eine Art Probephase, und nach drei Jahren wird es neu überarbeitet.“ Die Medienbranche verändere sich so schnell und technologisch tiefgreifend, dass ein Gesetz für ein oder zwei Jahrzehnte völlig absurd wäre.

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