ORF-Millionen und Co: Privatsender wenden sich an EU-Kommission
Das neue ORF-Gesetz ist noch nicht beschlossen, bereitet der EU-Kommission aber bereits jetzt einige Arbeit. Nach den Zeitungsverband VÖZ hat am Freitag der Verband der Privatsender (VÖP) seine Bedenken per Brief in Brüssel deponiert, wie dem KURIER nun bestätigt wurde.
Demnach halten die Privatsender die neue Finanzierung mit dem ORF-Beitrag für alle Hauptwohnsitze für genehmigungspflichtig durch EU-Kommission. Dieser bringt dem ORF mehr Geld in die Kassen als der GIS-Beitrag bisher, obwohl der Beitrag günstiger (15,30 statt 18,59 Euro) wird. Das liegt daran, dass 525.000 Haushalte und 100.000 Unternehmen zusätzlich zu Zahlern werden. Für 200.000 „Radio-Haushalte“ wird es teurer. Beim VÖP spricht man von einer Ausweitung der Einnahmen aus Beiträgen um mehr als 10 Prozent.
Durch die Kompensation des Wegfalls des Vorsteuerabzugsrechts aus dem Budget erhöht sich diese Ausweitung sogar auf gut 25 Prozent. Dem ORF wird der nämlich aus dem Budget mit jährlich 70 bis 90 Millionen bis 2027 kompensiert. Die Umstellung der Finanzierung zusammen mit der Erweiterung des Programmauftrags im Online-Bereich müssten in Brüssel notifiziert werden, meint man beim VÖP.
Zu viele Millionen
Diese Kompensationen erhält der ORF zusätzlich zu 710 Millionen Euro aus dem ORF-Beitrag. Diese Summe bemisst sich aus den durchschnittlichen Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags von 2024 (ca. 683 Mio. Euro) bis 2026 (ca. 743 Mio. Euro). Vorgesehen ist laut neuem Gesetz nun: Übersteigen die Einnahmen durch den ORF-Beitrag die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags (wie 2024), sollen die Mittel wie bisher einer Widmungsrücklage und in einem weiteren Schritt einem Sperrkonto zugeführt werden. Steigen die Nettokosten, kann der ORF darauf zurückgreifen.
Und das kann man schaffen. Etwa durch verstärkte Digital-Aktivitäten. Ein kleines, aber für den ORF feines Detail hat hier die Aufmerksamkeit der Privatsender ebenfalls erregt: Bislang muss der ORF, wenn er neue Angebote auf den Markt bringen will, eine sogenannte Auftragsvorprüfung bei der Medienbehörde durchführen lassen. Sie beurteilt, grob gesprochen, ob das Vorhaben einen relevanten Beitrag zum öffentlich-rechtlichen Auftrag leistet und ob die Auswirkungen auf die nationale Wettbewerbssituation vertretbar sind. Mitunter bestehen ORF-Konzepte diese Prüfung nicht.
Die schwarz-grüne Regierung zeigt sich jetzt aber im neuen ORF-Gesetz in diesem wesentlichen Punkt sehr generös: Die Vorprüfung soll für alle neuen oder geänderten Online-Angebote (mit Ausnahme von online-only Angeboten) nämlich ausgeschlossen werden. Das berührt nun Punkte wie die geplanten Änderungen bei orf.at. Die „Überblicksberichterstattung“ soll dort künftig maximal 350 Artikel pro Woche umfassen, wobei vor allem Video forciert werden soll. Auch die längere Bereitstellungsdauer von Sendungen online etwa in der TVthek (künftig zumeist sechs Monate) sowie Online-First-Produktionen und das Online-Kinder-Fernsehen sollen ohne vorherige Auftragsvorprüfung angeboten werden dürfen. Bei etwas Kreativität ist noch mehr – wenn auch kein Online-Sender – möglich.
Zu große Freiheiten
Das alarmiert die Privatsender. Das Beihilfenrecht verpflichte den Mitgliedstaat dazu, neue wesentliche Angebote vor ihrer Einführung einem nationalen Beurteilungsverfahren zu unterwerfen, meint der VÖP. Da es im Online-Bereich zu einer deutlichen Ausweitung des Auftrags für den ORF und damit des künftigen Angebots kommt, verlange das EU-Recht die vorherige Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, so die Sicht der Privatsender. Der Gesetzgeber vertritt jetzt allerdings die Auffassung, dass eine „präzise Abgrenzung“ des Auftrags genügt, um eine Auftragsvorprüfung auszuschließen. Damit erspart man sich die Gefahr, sich bei der Medienbehörde eine Abfuhr zu holen.
Auf die Beschwerde der Zeitungsverlage hatte das Medienministerium unter Susanne Raab (ÖVP) „sehr gelassen“ reagiert und gemeint: „Die neue Finanzierung des ORF ist aus Sicht des Verfassungsdienstes aus mehreren Gründen jedenfalls mit dem Beihilfenrecht der EU vereinbar.“ Nun wird die EU-Kommission erneut auf das ORF-Gesetz gestoßen. Das könnte der Entspanntheit am Ballhausplatz noch abträglich sein. Eine förmliche Beschwerde könnte nämlich nach der Beschlussfassung noch folgen.
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