SPÖ-Stiftungsrat Lederer: „Regierung hat ORF-Gesetz vermurkst"

David Bohmann
Bei der Haushaltsabgabe vermisst er „jegliches soziales Herzblut“ von Schwarz-Grün. Fordert vom ORF programmliche Neuerungen in Fernsehen und Radio

Mit einer Erfolgsmeldung (aus Unternehmenssicht) kann ORF-Generaldirektor Roland Weißmann kommende Woche vor die 35 Stiftungsräte treten. Nach zähen Verhandlungen soll die Haushaltsabgabe, wie berichtet, Anfang Juli beschlossen werden. Nur eitel Wonne erwartet Weißmann im obersten ORF-Aufsichtsgremium trotzdem nicht.

„Die Verhandlungen um den ORF-Beitrag waren, zugegebenermaßen, eine gelungene Kür von Weißmann“, sagt SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer. „Jetzt ist dringend die Pflicht zu erledigen – vom Generaldirektor, aber auch von den Direktoren. Die Legitimation für den neuen Beitrag kann nur sein, dass der ORF die Bevölkerung entsprechend programmlich breit und gut versorgt – mit Information, Unterhaltung, Sport, Kultur. Und das trotz laufender Einsparungen.“ Weshalb Lederer im Übrigen die wiederholten Sparaufforderungen von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) während der Verhandlungen als „frivol“ bewertet.

Zu dieser „Pflicht“ gehören für Lederer nun eine Programmreform und eine Radio-Flottenstrategie, die diesen Namen verdienen. „Ich vermisse bei dieser Geschäftsführung programmliche Neuerungen, die mir dringend notwendig erscheinen – in der Information, bei Diskussionssendungen und vor allem auch im Unterhaltungsbereich.“ Es gebe da gut beschäftigte Berater, „ich will jetzt endlich Ergebnisse sehen.“  

Rascher, konkreter, präziser

Er erwarte deshalb bereits für den nächsten Stiftungsrat am Donnerstag, dass Direktoren bzw. die Direktorinnen ihre Programmpläne und strategischen Überlegungen präsentieren. „Rascher, konkreter, präziser“ sei das Gebot der Stunde. „Wenn ein Landesstudio Niederösterreich binnen weniger Wochen vorhüpfen kann, wie man sich öffnet, wie man auf die Menschen zugeht und sie einbindet und wie man das auch bei der jungen Zielgruppe macht, dann kann man das auch auf österreichweiter Ebene in Fernsehen und Radio erwarten“, meint der rote Vertreter im obersten ORF-Aufsichtsgremium. In St. Pölten startet der neue, vor kurzem berufene ORF-Landesdirektor Alexander Hofer beispielsweise eine „Sommertour“ durch 30 Orte in 30 Tagen.

Die Regierung habe das ORF-Gesetz „vermurkst“, sagt Lederer. So vermisst er beim neuen ORF-Beitrag „jegliches soziales Herzblut“. Es sei weiter viel zu kompliziert, sich vom Beitrag befreien zu lassen. Geringverdiener zu sein, reiche allein weiterhin nicht. „Das trägt die Handschrift einer Regierung, die nicht sehen will, wie die Menschen unter Inflation, Teuerung, unter Sprüngen bei den Mieten leiden.“ Damit habe sich Schwarz-Grün auch ganz bewusst der Möglichkeit beraubt, die Zustimmung anderer Parteien zu bekommen, meint der SPÖ-Rat.  

Komplett vermisse er die Stärkung des kleinen Medienstandortes Österreich durch die neue Gesetzgebung, sagt Lederer. „Das ist ja auch eine Identitätsfrage und auf die wurde keine Antwort gefunden.“ Stattdessen habe „die Regierung mit ihrer Vorgangsweise die Medienbranche in Minenfeld verwandelt. Das hat die Akteure mehr geteilt, als geeint.“ Das zeige auch die Anrufung der EU-Kommission durch die Verleger.

Auf Augenhöhe

Ein gemeinsames Vorgehen gegen die chinesischen und US-Tech-Konzerne sei nun weiter weg denn je. Dabei habe es unter Weißmann-Vorgänger Alexander Wrabetz bereits einige konkrete Vorschläge wie eine Log-in-Allianz gegeben. „Das wurde von der Regierung an die Wand gefahren, da wurden, auch psychologisch, regelrecht Barrieren aufgebaut. Er fordere deshalb Weißmann auf, gleich am Tag nach dem Gesetzesbeschluss auf Verleger, auf Privatsender, auf die anderen Stakeholder im digitalen Bereich zugehen. „Das muss auf Augenhöhe geschehen, etwas, was die Regierung völlig vernachlässigt hat.“

Mit den Einnahmen aus dem neuen ORF-Beitrag „werden die Bäume auch weiterhin nicht in den Himmel wachsen“, ist Lederer überzeugt. Dass Mehr-Einnahmen aus dem Beitrag auf ein Sperrkonto gehen, hat für mich etwas von Gängeln des ORF durch die Regierung, eine Zensurmaßnahme.“ Der ORF müsse jedenfalls deshalb auch in der Produktion alles heben, was die Digitalisierung an Einsparungsmöglichkeiten bringe. „Es geht nicht nur um ,Green Producing’, sondern auch um kostengünstiges Produzieren und das so, dass es den Ansprüchen des ORF-Publikums genügt. Da vermisse ich jegliche Schwerpunktsetzung.“

Wichtig für eine künftige Akzeptanz des ORF-Beitrags wird aus Lederers Sicht die Arbeit der Ethikkommission unter Ingrid Deltenre, ehemalige Generaldirektorin der European Broadcasting Union. „Es ist - besser früher als später und das freiwillig - zu zeigen, wo sich der ORF zurücknimmt.“ Das gelte für die Nebenbeschäftigungen – Vorlesungen, Vorträgen, Gastmoderationen - genauso wie für die Regelung der Social Media-Auftritte. Da müsse spätestens in der ersten Herbstsitzung etwas am Tisch liegen. „Das muss vom ORF kommen, bevor es von einem nächsten Gesetzgeber kommt“, unterstreicht Lederer.

 

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