Am Mittwoch erfolgte der Startschuss für die ORF-Wahl am 10. August mit der Ausschreibung des ORF-Chefpostens durch Stiftungsratsvorsitzenden Norbert Steger (FPÖ). Deren Text enthält keine Neuerungen gegenüber jener von vor fünf Jahren außer dem Datum: Gesucht wird „der Generaldirektor_die Generaldirektorin“ ab 1. Jänner 2022 und für fünf Jahre.*(Korr. s. Textende)
Die Anforderungen an Bewerber für den Spitzenjob, der etwas über 400.000 Euro jährlich bringt, sind eher allgemein: „Umfassende Kenntnisse“ der Unternehmensführung und elektronischer Medien sowie die Befähigung für komplexe Führungsaufgaben werden erwartet. Auch ein Konzept zur mittel- und langfristigen Entwicklung des ORF ist Bedingung.
Die Ausschreibung wurde am Mittwoch auf der ORF-Homepage sowie in den Tageszeitungen Standard, Presse, Wiener Zeitung, Neue Zürcher Zeitung und Frankfurter Allgemeine publiziert.
Indiskretion garantiert
Dass sich jemand aus dem deutschsprachigen Ausland bewirbt, erwartet aber kein Branchenkenner ernsthaft – die machtpolitischen Spiele um den Job sind bekannt. Zudem ist Indiskretion garantiert – kein Top-Manager kann es sich leisten, dass sein Name mal so durch den Blätterwald raschelt.
Auch wenn die machtpolitischen Vorzeichen anderes verheißen, ist der rote ORF-Chef „zuversichtlich, dass ich eine Mehrheit haben werde“, sagte Wrabetz im APA-Interview am Mittwoch. Er sieht Parallelen beim legendären bürgerlichen ORF-Generalintendanten Gerd Bacher, der während der Amtszeit von Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) am Küniglberg herrschte. „Ich hoffe, dass angesichts der derzeitigen Diskussionen um Postenbesetzungen im Land eine Sachentscheidung getroffen wird – nicht nach ,Freundeskreislinien‘ und nicht in Abstimmung mit der Politik“, so Wrabetz. Vergangene Wahlgänge lassen aber nicht darauf schließen.
Auch ORF-Redakteursvertreter Dieter Bornemann hält diesen Zugang für realitätsfremd. Nicht die besten Ideen seien entscheidend dafür, wer im ORF-Chefsessel sitze, sondern Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), sagte er in der Dankesrede für den Concordia-Preis am Montag. Immerhin gibt es eine relative ÖVP-Mehrheit im 35-köpfigen Stiftungsrat und bei manch Unabhängigen scheint es türkis durch.
Wrabetz und dessen Hang zur schmerzbefreiten Personalentscheidung kennend, mahnte Bornemann aber auch gleich seinen Chef. Der will sofort nach der Wahl personelle Weichen beim neuen Herzstück der ORF-Information, dem „Multimedialen Newsroom“, stellen. Wenn, so Bornemann, „Führungsfunktionen nicht nach Qualifikation, sondern nach politischer Farbenlehre besetzt werden“, dann sehe er dort „keine große Zukunft für den Journalismus im ORF.“
Die Ausschreibung für den ORF-Chefposten endet am 28. Juli. Bis 3. August können Stiftungsräte Bewerber nachnominieren. Das kommt vor: Wrabetz spielte diesen Schachzug bei seiner ersten und erfolgreichen Kandidatur gegen Monika Lindner.
Der 61-Jährige wird, nach dem Frühstart bei der Kandidatur, die Bewerbung spät abgeben, sagte er dem KURIER. Womit Konkurrenten länger im Unklaren bleiben. Unter diesen könnte ORF1-Channel-Managerin Lisa Totzauer sein, die überlegt. Die häufig gestellte Frage vermittle ihr aber: „Eine Sehnsucht nach einem jüngeren, bunteren, frischeren ORF ist doch vorhanden.“ An der Gerüchtebörse wird am ehesten Roland Weißmann, ORF-Vizefinanzdirektor und Chefproducer Fernsehen, als Gegenkandidat gehandelt – möglich, dass er dem einst erfolgreichen taktischen Beispiel von Wrabetz folgt.
*Korrektur: Die an der Stelle getätigte Formulierung war falsch ("einzig, dass gegendert wird und nun „der Generaldirektor_die Generaldirektorin“ ab 1. Jänner 2022 und für fünf Jahre gesucht wird, verweist in die Jetztzeit). Bereits in der Ausschreibung 2016 wurde gegendert: "Der Generaldirektor / die Generaldirektorin". Die tatsächlich einzige Änderung: Die Bewerbung muss nun im pdf-Format sein, 2016 war auch noch Excel erlaubt.
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