Wrabetz rechnet sich Mehrheit im ORF-Stiftungsrat aus
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sieht seine Chance für eine Wiederwahl bei der ORF-Wahl im August trotz bürgerlicher Stiftungsratsmehrheit intakt. "Ich bin zuversichtlich, dass ich eine Mehrheit haben werde", sagte er im Interview mit der APA. Tritt das ein, möchte er Managerinnen für digitalen und kulturellen Change installieren und den Frauenanteil in den Landesdirektionen erhöhen. Wrabetz ist seit 2006 Generaldirektor im ORF.
"Ich hoffe, dass angesichts der derzeitigen Diskussionen um Postenbesetzungen im Land eine Sachentscheidung getroffen wird - nicht nach 'Freundeskreislinien' und nicht in Abstimmung mit der Politik", zeigte sich Wrabetz optimistisch. Der Vorsitzende des ORF-Redakteursrats Dieter Bornemann erachtete diese Vorstellung bei der Verleihung der Concordia-Preise am Montagabend als realitätsfremd. Nicht die besten Ideen seien entscheidend dafür, wer im ORF-Chefsessel sitze, sondern Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
"Man wird es diesmal ja sehen. Man kann davon ausgehen, dass alles rund um die Abstimmung breit diskutiert werden wird. Auch wenn man jetzt versucht, die öffentliche Diskussion über allfällige Kandidaten sehr kurz zu halten. Es wäre ein gutes Zeichen vonseiten der Politik, eine Sachentscheidung zu gewährleisten", so der amtierende ORF-Generaldirektor. Unter umgekehrten politischen Vorzeichen habe es das bereits gegeben, als der bürgerliche Gerd Bacher während der Amtszeit von Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) ORF-Generalintendant wurde.
Ganz normal
Sein Verhältnis zu Kurz beschreibt er als "ganz normale, professionelle Zusammenarbeit", die im vergangenen Jahr "etwas intensiver ausgefallen ist, weil es darum ging, das Land medial gut durch die Pandemie zu führen". Dieter Bornemann habe es gut formuliert. "Wir sind nicht das PR-Medium der Regierung und nicht die Kampfplattform der Opposition. Wenn man auf dieser Basis mit der Politik spricht, funktioniert es gut", meinte der ORF-Chef.
Nicht den Tatsachen entspreche laut Wrabetz der Eindruck eines Teils der Bevölkerung, dass sich die ZiB1 zur Regierungssendung und die ZiB2 zur Oppositionssendung entwickelt haben. "Man sieht auch bei der ZiB2, dass Oppositionspolitiker hart interviewt werden und in der ZiB1 unangenehm über die Regierung berichtet wird."
Prinzipiell befürworte er einen "Wettbewerb der Ideen und Konzepte" für die ORF-Wahl. Auch als Bewerber oder Bewerberin aus dem ORF müsse man sich nicht fürchten. Im Falle einer Wiederwahl wolle er zwei "ganz entscheidende Funktionen" schaffen: eine Managerin für digitalen Change und eine für kulturellen Change im Unternehmen. Dafür fasse er eine weibliche Besetzung ins Auge, die durchaus ORF-extern sein könne. Auch sein künftiges vierköpfiges Direktorenteam solle sich zu 50 Prozent aus Frauen zusammensetzen. Den derzeitigen rund 20-prozentigen Frauenanteil bei den Landesdirektoren würde er "zumindest steigern" wollen.
Farbenlehre
Unabhängig von seiner Wiederwahl wird Wrabetz "rasch nach der Geschäftsführerwahl" die zahlreichen Führungspositionen für den im Entstehen begriffenen multimedialen Newsroom besetzen. Auch hier strebt er einen 50-prozentigen Frauenanteil an, wobei er nicht auf politische Farbenlehre achten will - wobei genau das die Redakteursvertreter befürchten. "Das sollte man tunlichst nicht tun. Es braucht Leute, die das Vertrauen der Redaktion und des Publikums genießen und die gezeigt haben, was sie können", versucht Wrabetz zu beruhigen.
Erst mit der Detailstruktur werde klar sein, welche Funktionen ausgeschrieben werden. Fest stehe, dass für manche künftige Position derzeit mehrere Personen zuständig sind. Der daraus resultierenden Verunsicherung mancher ORF-Journalisten wolle er mit möglichst raschen Besetzungen begegnen, um für Klarheit zu sorgen. "Auf jeden Fall" solle mit Beginn des nächsten Jahres die Struktur fest stehen.
Der bürgerliche "Freundeskreisleiter" Thomas Zach sieht den multimedialen Newsroom weiterhin nicht ausreichend vorbereitet. Ob das ein Stolperstein für die ORF-Wahl werden könnte? "Wir haben die beste wirtschaftliche Performance seit zehn Jahren, das beste programmliche Jahr seit vier Jahren, wir haben die Pandemie erfolgreich bewältigt, sind mit dem Bau des multimedialen Newsrooms im Plan und haben eine vom Stiftungsrat einstimmig beschlossene Strategie. Ich verstehe, dass man sich irgendwas suchen muss, dass man hinterfragen kann", so Wrabetz. Das sei auch gut so, weil man sonst zu selbstbewusst werde. Insgesamt sei die Diskussion im Stiftungsrat zum Newsroom positiv verlaufen.
ORF-Gesetz im Verzug
Weit weniger positiv sieht er, dass Gerald Fleischmann, Kanzlerbeauftragter für Medien (ÖVP), eine ORF-Gesetzesnovelle zuletzt für Herbst 2022 als realistisch eingeschätzt hat. "Es kann nicht sein, dass man sagt, jetzt passiert wieder eineinhalb Jahre nichts", meinte der ORF-Generaldirektor, der eine Novelle dringend etwa für die volle Entfaltung des ORF-Players benötigt. "Nach der Wahl sollte man rasch zu einem Ergebnis kommen. Ziel ist, dass der ORF-Player mit Jahresbeginn 2022 steht, und das ist sicher möglich. Es ist keine Raketenwissenschaft."
Noch vor dem Start des ORF-Players "unmittelbar vor oder nach der Wahl" soll die ZiB auf Tiktok starten. Auch ein multimedialer Programmschwerpunkt zur Rolle Europas in der Welt ist noch heuer geplant. Im nächsten Jahr soll ORF 1 mit Comedy und Satire gestärkt werden. Der Sender, der quotentechnisch stark auf den Besitz von Sportrechten angewiesen ist, solle erhalten bleiben. "Es wäre nicht zielführend ORF 1 aufzugeben. Der Blick auf einen linearen Sender muss sich aber ändern. Man muss nicht jede Tages- und Nachtzone verteidigen und um Marktanteile kämpfen", erklärte der ORF-Chef.
Die Zusammenarbeit mit privaten Marktteilnehmern könne er sich als "Streamingkooperation" vorstellen. Von einem "Austro-Player" halte er aber nichts. "Wir können es schaffen, uns untereinander stärker zu vernetzen. Denkbar wäre, über den ORF-Player etwa zu Angeboten von krone.tv oder Puls 4 zu kommen und natürlich auch umgekehrt", stellte der ORF-Generaldirektor in Aussicht.
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