Der neue ORF-Chef und sein Arbeitsprogramm: "Weißmann muss liefern"

Auf die neue ORF-Führung unter Roland Weißmann warten jede Menge Herausforderungen. Und die Zeit drängt, die Konkurrenz bremst
Stiftungsräte bescheinigen "richtigen Fokus". Aber Sorge um Digitalisierungsstrategie. Nach dem Sommer drohe "Fallbeil über ORF-Player".

Mit einem Schwerpunkt auf neue Programme, dem geplanten Streaming-Angebot ORF-Player sowie der Ankündigung eines Relaunches von ORF1 hat der neue Generaldirektor Roland Weißmann bei einem Journalistengespräch seine fünfjährige Amtszeit eingeläutet. Der Start scheint geglückt, der Druck auf die völlig neue ORF-Chefetage bleibt aber hoch.

„Keine 100 Tage Schonfrist“ will ihr etwa SPÖ-Freundeskreis-Leiter Heinz Lederer einräumen. Denn „Weißmann hat alle Schalthebel in der Hand, und ich erwarte, dass er sie auch sofort nutzt.“ Er sei ja bereits Teil der ORF-Führung gewesen. Als positiv wertet Lederer, dass „Weißmanns Wille erkennbar ist und er einen kooperativen Führungsstil anschlägt, der Direktoren Raum lässt, zur eigenen Entwicklung.“

Der SPÖ-Vertreter sieht aber bereits zwei Probleme am Horizont: „Weißmann ist – nicht von mir, aber von vielen anderen – gewählt worden, um das Zukunftsprojekt ORF-Player samt dafür notwendiger Gesetzesnovelle auf den Weg zu bringen. Da gibt es inhaltlich wie zeitlich aber kaum noch Spielraum. Da muss Weißmann liefern.“ Spätestens nach dem Sommer falle „sonst das Fallbeil über dem Player und damit der ORF-Digitalstrategie. Und eins ist klar: Weißmann ist vom ersten Tag an als Alleingeschäftsführer verantwortlich für das, was im ORF passiert oder unterlassen wird.“

Lederers Pendant bei der ÖVP, Thomas Zach, meint hingegen: „Der Fokus der neuen ORF-Führung stimmt – oberste Priorität muss für uns das Programm haben, genau das sehe ich adressiert.“ Das gelte auch für das große Zukunftsthema, die Digitalisierung. „Das sind klare Ansagen des Generaldirektors und kein Rätselraten“, gibt es Unterstützung für den Nachfolger von Langzeit-General Alexander Wrabetz, der im Sommer von einer Mehrheit vor allem von regierungsnahen Stiftungsräten gekürt wurde.

Konkurrenz

„Weißmann hat betont, dass der ORF digitaler, jünger, diverser und weiblicher werden soll. Diese Schwerpunktsetzung halte ich für richtig“, erklärt denn auch Grünen-Vertreter Lothar Lockl. „Wir stecken in Österreich und Europa mitten in einer Medien- und Technologie-Revolution. Goggle, YouTube, Facebook & Co. bauen Ihr Angebot ständig aus. Der ORF muss sich dieser Konkurrenz stellen, auch um für jüngere Menschen attraktiv zu bleiben.“

Bei allen notwendigen Umbaumaßnahmen in den kommenden Jahren sei eines zu berücksichtigen, betont Lockl: „Die Stärke des ORF ist sein öffentlich-rechtlicher Auftrag, seine Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit. Diese Stärke gilt es inmitten dieser Medien- und Technologie-Revolution weiter abzusichern und auszubauen.“

Nicht für Weißmann gestimmt hat im Sommer die blaue Riege im Stiftungsrat. Deren Freundeskreis-Chefin Barbara Nepp bescheinigt dem neuen General nun jedenfalls eine funktionierende Kommunikation. „Über Personalentscheidungen et cetera hat er mich immer am Laufenden gehalten, bezüglich eines Termins sind wir noch in Abstimmung.“ Seiner Funktionsperiode sieht Nepp fürs erste optimistisch entgegen: „Ich freue mich auf jeden Fall über Veränderung im ORF und bin zuversichtlich, dass Weißmann sein Amt unparteiisch und unabhängig ausführen wird und als Chef des mächtigsten Medienunternehmens des Landes seine Führungsaufgabe, auch im Sinne des ORF-Gesetzes, wahrnimmt.“

ORF-Prekariat

Naturgemäß eine etwas andere Sicht auf die Dringlichkeiten im ORF hat der Betriebsrat. Für den Zentralbetriebsratsvorsitzenden und Stiftungsrat Stefan Jung liegen sie auf der Hand: „Das ist zunächst diese ominöse Organisationsanweisung für den neuen ORF-Newsroom, wo noch vieles im Unklaren ist.“ Hier werden ab Juni nahezu sämtliche Info-Teile der ORF-Sender zusammengeführt. Was noch fehlt, ist eine offizielle Hierarchie, die naturgemäß ein Politikum darstellt. Wobei Weißmann schon vor der Wahl erklärt hat, vorerst an den bisherigen Chefredakteuren festzuhalten.

Wichtig ist dem ORF-Betriebsratschef auch ein Thema, das in der Öffentlichkeit selten registriert wird: prekäre Arbeitsverhältnisse im ORF. „Der Zusage durch den alten wie neuen Generaldirektor muss rasch eine Sanierung folgen“, fordert Jung. Nach zwei Jahren Pandemie sei zudem eine klare Homeoffice-Betriebsvereinbarung wichtig. „Meiner Einschätzung nach sind dem Generaldirektor diese Problemfälle und deren Dringlichkeit bewusst.“

Mitte März wird Weißmann erstmals als ORF-Chef vor den Stiftungsräten stehen – und sich von ihnen schon wieder verabschieden. Denn deren vierjährige Funktionsperiode läuft aus – und damit steht auch hier eine Neubesetzung an, politisches Tauziehen inklusive.

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