Der Fall Suhrkamp: Schlimm, aber nicht hoffnungslos

Der Fall Suhrkamp: Schlimm, aber nicht hoffnungslos
Das renommierte deutsche Verlagshaus Suhrkamp hat Chancen, die Krise zu bewältigen.

Der Suhrkamp Verlag verlegt keine Bücher, sondern Autoren. Das ist der programmatische Leitgedanke des traditionsreichen Verlagshauses.

Das 1950 gegründete Unternehmen zählt zu den wichtigsten deutschsprachigen Verlagen. Kein anderes Haus hat nach dem Zweiten Weltkrieg so viele bedeutende Schriftsteller und Philosophen verlegt, darunter Hermann Hesse, Bert Brecht, Theodor W. Adorno, Christa Wolf, Thomas Bernhard, Max Frisch oder Uwe Johnson.

Nun steht das Haus Suhrkamp vor dem Abgrund. Es hat sich für insolvent erklärt, obwohl es mit seinen laufenden Geschäften gar nicht zahlungsunfähig ist. Dahinter steckt ein erbitterter Streit unter den Gesellschaftern.

Schutzschirmverfahren

Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz hält heute 61 Prozent der Anteile, der Unternehmer Hans Barlach den Rest. Barlach war 2006 mit seiner Medienholding gegen Berkéwicz’ Willen eingestiegen und wollte in der Geschäftsführung mitreden. Der Verlag lehnte ab, es begann ein jahrelanger Rechtstreit. Hohe Außenstände – zuletzt eine Zahlungsverpflichtung von zwei Millionen an Barlach – rückten Berkéwicz in die Nähe der Entmachtung.

Am Montag beantragte Suhrkamp ein sogenanntes Schutzschirmverfahren. Es handelt sich um eine Vorstufe des Insolvenzverfahrens. Damit soll der Verlag unter eigener Regie saniert werden. Die Überlebenschance ist real: Der vom Gericht im Schutzschirmverfahren ernannte Generalbevollmächtigte Frank Kebekus kündigte in der Zeit einen Umbau des Unternehmens an. Er hält es für möglich, den Streit zwischen den Gesellschaftern durch einen Umbau der Rechtsform zu beenden.

Maßstäbe

Dem 160 Seiten dicken Katalog für das zweite Halbjahr 2013 merkt man nicht an, dass sein Herausgeber in seiner Existenz gefährdet ist. Peter Handke, Mario Vargas Llosa oder Jorge Semprún werden darin angekündigt; in der berühmten Reihe edition suhrkamp, der Avantgarde des Programms, erscheint Neues von Jürgen Habermas und Peter Sloterdijk.

Die regenbogenfarbene Reihe liefert seit 50 Jahren wichtige Beiträge zur gesellschaftlichen Diskussion. Indem Suhrkamp zeitgenössische Philosophie verlegte und damit einem breiten Publikum zugänglich machte, schuf der Verlag Maßstäbe.

Kein Wunder, dass Verlagsgründer Peter Suhrkamp und sein Nachfolger Siegfried Unseld, der 1952 in den Verlag eintrat, zu beinahe mythischen Figuren der deutschen Literaturszene wurden. Nach Unselds Tod 2002 begann der Machtkampf um die Verlagsspitze, den Unselds Witwe, die Ex-Schauspielerin und Suhrkamp-Autorin Berkéwicz, gewann. Sie machte sich später mit einem Umzug des Verlagssitzes von Frankfurt nach Berlin unbeliebt. Tenor: Sie ruiniere das Erbe ihres Mannes.

Veruntreut

Als der Hamburger Medieninvestor Hans Barlach 2006 Anteile an Suhrkamp erwarb, ging es richtig los: Er wollte im Verlag mitreden, deckte Berkéwicz mit Klagen ein, unter anderem, weil sie Firmengelder veruntreut haben soll. Im Dezember wurde Berkéwicz per Gerichtsbeschluss als Geschäftsführerin abberufen, sie legte Berufung ein. Mehr als 70 Autoren ergriffen Partei für sie. Doch die Suhrkamp-Chefin kassierte weitere Niederlagen. Im März wurde die von ihr geführte Familien-Stiftung zur Zahlung von 2,2 Millionen Euro aus dem Bilanzgewinn 2010 und den Erlösen aus dem Verkauf des Frankfurter Verlagsgebäudes an Barlach verpflichtet.

Der Fall dürfte schlimm, aber nicht hoffnungslos sein: „Grabreden“, so der Befund der Süddeutschen seien jedenfalls „verfrüht“.

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