Was macht eigentlich ... eine Filmeditorin?

Julia Drack ist Filmeditorin: "Man sieht wenig Tageslicht. Das ist das Harte an dem Job"
Julia Drack ist Filmeditorin und sitzt sehr viel in einem dunklen Raum vor dem Computer: "Man sieht wenig Tageslicht"

Früher hieß der Beruf Cutter oder Cutterin – doch diese  Bezeichnung ist nicht mehr zeitgemäß. Heute sagt man Editor oder Editorin.

Gemeint sind damit jene Menschen, da während und nach  einem Film- oder Fernsehdreh in einem dunklen Raum sitzen, endlos Material sichten und es dann zu einer Geschichte  zusammenfügen. Dieser Prozess nennt sich Schnitt oder Montage; er bestimmt Rhythmus und Tempo eines Films und trägt ganz entscheidend zu dessen Gelingen bei. Nicht umsonst gibt es die Redewendung, dass „ein Film im Schnitt gerettet“ wurde.

Julia Drack ist von Beruf Editorin. Sie hat an der Filmakademie in Wien und an der Filmuniversität Potsdam-Babelsberg ein Schnittstudium absolviert und  über mehrere Jahre  als Schnittassistentin von Oscarpreisträgerin Monika Willi Erfahrungen gesammelt. Heute arbeitet Drack vorwiegend an Kinospielfilmen, ist aber auch im Dokumentarfach oder im Fernsehbereich tätig. Zuletzt schnitt sie Sudabeh Mortezais dokumentarisch gefärbten Spielfilm „Europa“; oder das noch in  Postproduktion befindliche Spielfilmdebüt „How to be normal“ von Florian Pochlatko.

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Wenn sie sich im Schneideraum  befindet, vergisst Julia Drack völlig auf die Zeit: „Man sitzt sehr viel am Computer und sieht sehr wenig Tageslicht. Das ist das Harte an dem Job. Wenn am Nachmittag der Magen anfängt zu knurren, merkt man erst, wie viel Zeit schon wieder vergangen ist. Editing ist  intensive Computerarbeit: Man ist völlig konzentriert und im Flow.“

Therapeutin, Mutter, Editorin

Die besten Voraussetzungen für diesen Beruf?

„Ich finde, es kommt weniger auf das Technische an, denn das ist nur ein Werkzeug, das man  lernen muss“, meint Julia Drack. Die Liebe zum Geschichtenerzählen sei entscheidend. Dafür  brauche man sehr viel Einfühlungsvermögen und Empathie, um  die Figuren eines Films  nachvollziehen zu können: „Man  muss auch menschlich gut mit  Regisseuren umgehen können“, fügt sie hinzu und muss lachen: „Man ist ein bisschen Therapeutin, ein bisschen Mutter – und halt auch Editorin.“

Aber das  Klischee, dass  Editing ein „typischer Frauenberuf“ sei, stimme  nicht mehr, findet die 1978 in Scharnstein geborene Oberösterreicherin: „Das ist mittlerweile total durchmischt. Das Gehalt ist aber  immer noch am niedrigeren Gehalt von Frauen angepasst.“  

Hinter einer Minute Film steckt eine Stunde Arbeit, lautet eine alte Faustregel. Bei einem Kinofilm dauert das Editing in der Regel 16 Wochen und mehr, beim Fernsehen ist die Zeit knapper bemessen; da müssen acht Wochen für 90 Spielminuten reichen. Während beim Kino die Arbeit  meist sehr eng mit der Regie verläuft („Das ist ein schöner, gemeinsamer Prozess. Da kann man sehr viel ausprobieren“), ist das Editing von einem TV-Film aufgrund eingeschränkter Produktionsbedingungen meist schon einsamer.

Rohschnitt

Ihre eigenen Vorbereitungen für ein neues Projekt beginnt Julia Drack mit einem intensiven Studium des Drehbuchs – „damit ich genau weiß, wo die Geschichte hingeht und wie die Figuren funktionieren.“ Schon während der Dreharbeiten  beginnt sie das Material zu sichten und nach „Best of“-Momenten zu sortieren. Daraus wird dann Szene für Szene der erste Rohschnitt zusammen gebaut: „Danach beginne ich am Fluss des Films zu arbeiten. Dabei gleiche ich den Rhythmus der Szenen an, nehme erste Kürzungen und Vereinfachungen vor und lege Layout-Töne und Musiken an.“

An diesem Punkt des Schnittprozesses stößt meist der Regisseur oder die Regisseurin dazu. Gemeinsam wird überprüft, welche Sequenzen gut funktionieren, oder welche ausgetauscht oder verkürzt werden müssen: „Manchmal verschwinden sogar ganze Szenen, wenn es die Dramaturgie des Films verlangt.“

Erst wenn beide – Editorin und Regie – das Gefühl haben, dass der Film gut funktioniert, wird Feedback von außen geholt. Denn wenn man mehrere Wochen und Monate an einem Film gearbeitet hat, fehlt die nötige Distanz: Da tut ein frischer Blick gut. Wenn dann der finale Bildschnitt „gelockt“ ist, geht der Film weiter in die Ton-Postproduktion.
 

Durchhänger

Zu den haarigsten, weil entscheidendsten Momenten des Schnitts gehört der Einstieg in einen Film: „Der Anfang verlangt immer die meiste Diskussion. Da wird am meisten herumprobiert und experimentiert, denn der Anfang funktioniert ganz selten so, wie man es sich im Drehbuch vorgestellt hat.“

Gerade im Fernsehen wird ganz besonders auf zügige Einstiege wert gelegt – da muss nach spätestens fünf Minuten die erste Leiche her.
Der zweite neuralgische Punkt in der Montage eines Films findet im zweiten Drittel statt: „An dieser Stelle gibt es oft einen Hänger: Alles wirkt lang und läuft Gefahr, dass es fad wird“, so die Editorin: „Man muss sich überlegen, wie man die Spannung bis zum dritten Akt des Films hält.“  

Final Cut

Die letzte und somit endgültige Szenenmontage eines Films nennt man übrigens Final Cut. Die ist – gerade in Amerika – meist den Produzenten vorbehalten; der oder die Regisseurin kann nicht selbst bestimmen, wie ein Film geschnitten wird – und ist dementsprechend unglücklich. In Deutschland sei es mittlerweile auch normal, dass der Final Cut bei den Produzenten liege, erzählt Julia Drack: „Und bei den Streamingdiensten sowie: Jemand macht Regie, dann wird ihm oder ihr das Material weggenommen, und der Showrunner macht alles fertig.“

In Österreich  ist das meist noch anders: „Hier herrscht noch die Tradition, dass Regisseure geehrt  und akzeptiert werden. Es ist gewollt, dass deren Vision das letzte Wort hat. Aber das ist im deutschsprachigen Raum eher außergewöhnlich.“  

 

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