Die ersten Geigen zu führen und zuweilen auch alle Instrumentengruppen, sei eine der Hauptaufgaben erfährt man von beiden. Das ist zuweilen hart, aber möglich. Das Wichtigste sei das Vermitteln zwischen Dirigent und Orchester, konstatiert Danailova. Da geht es um Praktisches, Bogenstriche zu klären, den musikalischen Charakter eines Stücks, und als Konzertmeister müsse man eine Brücke zwischen Dirigent und Orchester sein, führt Sorokow aus und ergänzt, dass es immer zwei Konzertmeister gibt. Das sei notwenig, weil den ersten nicht alle im Orchester sehen können. So würden die Impulse vermittelt werden.
Gibt es einen Trick, dass man vom Orchester richtig wahrgenommen wird? „Man muss sich im Prinzip auf sich konzentrieren und darauf, was man mit seinem Spiel im Detail und im Ganzen erreichen möchte. Je deutlicher dieser Gedanke ist, desto besser für alle Spieler, die können dann das perfekt nachvollziehen und mitmachen“, erklärt Danailova.
Was aber, wenn ein Dirigent nicht deutlich führt?
„Dann müssen die Impulse vom Konzertmeisterpult kommen“ stellt Sorokow klar. Ist es also gar kein Mythos, das Orchester sich mehr nach ihrem Konzertmeister als nach dem Dirigenten orientieren? „Ein großes Themas“, sagt Danailova, über das es keine konkreten Aufzeichnungen gebe. „Es kann sein“ führt Danailova aus, „dass der Dirigent unerfahren ist und nicht so oft die Gelegenheit hatte, ein Stück zu dirigieren. Wenn es das Orchester sehr gut kennt, kann man helfen, indem das Orchester entschlossen spielt und der Konzertmeister anführt. In diesem Fall ist das ein ernst zu nehmendes Signal in Richtung des Dirigenten auf das er reagieren müsste.“ Heißt das, dass ein Konzertmeister eine Aufführung auch retten muss? „Der Konzertmeister ist auch dafür da, damit so eine ,Rettungsaktion’ gar nicht zu Stande kommt und die Schwierigkeiten aufgelöst werden, bevor sie entstehen.
Trotzdem gibt es gelegentlich Abende, vor allem in der Oper, wo den Impulsen des Konzertmeisters gefolgt werden muss, da sonst keine andere Orientierung möglich ist. Es ist der Wille des Orchesters, sich hauptsächlich nach seinem Konzertmeister zu orientieren statt nach einem Dirigenten und der Wille des Konzertmeisters, der bereit ist quasi die ganze Führung im Laufe des Abends zu übernehmen – eine ziemliche Aufgabe für die beiden Seiten. Natürlich gibt es auch hin und wieder Fehler, die einem Dirigenten im Konzert auch passieren können, besonders beim auswendig Dirigierten, das ist dann leichter aufzufangen“, erklärt Danailova.
Diplomatisches Geschick
Was aber, wenn der Dirigent auf seiner eigenen Lesart beharrt, wenn um jeden Preis seine Vorstellung durchsetzen will, die in manchen Fällen so gar nicht mit den Wiener Klang zu vereinbaren ist? „Jeder Dirigent hat seine Vorstellung und die stimmt oft nicht mit der des Orchesters überein“, berichtet Sorokow, „Da muss diplomatisches Geschick vorhanden sein. Wenn die künstlerische Stimmung kippt, ist das gefährlich, denn dann kann es nicht zu einem großen Ergebnis kommen“. Das heißt, man muss eine Balance finden, „Man versucht, zwischen Dirigent und Orchester zu vermitteln. Das ist das Spannende“, weiß Sorokow aus Erfahrung. Es sieht es auch als eine seiner Aufgaben, dass man „unabhängig vom Dirigenten eine bestimmte Klangkultur pflegt. Es gehört dazu, dass man einen bestimmten Klang pflegt, dass man mit der Gruppe arbeitet, dass es das Geschmeidige bewahrt“, führt Sorokow aus und ergänzt: „Manche Dirigenten erwarten, dass bestimmte Dinge von uns kommen.“
Dazu kommt noch, dass solistische Qualitäten gefordert sind. Paradebeispiele sinfonische Dichtungen von Richard Strauss, allen voran „Ein Heldenleben“, wo die Geige der Gefährtin des Helden ihre Stimme verleiht. Auf die Interpretation mit Philippe Jordan blickt Sorokow noch heute gerne zurück. Fragt man ihn nach den Höhepunkten, dann dieses Stück. Viel „schlimmer“ seien indes die kurzen solistischen Passagen, jene Soli, die für gar nicht als solche wahrgenommen werden, wenn die Geige plötzlich allein übernimmt, berichtet Danailova. Das Schönste jedoch sei, wenn alles funktioniert und eine Magie auf der Bühne und im Graben entsteht. Da hebe das Orchester, das Ensemble, der Dirigent ab, schwärmt Danailova.
Bleibt noch eine der oft gestellten, ungeklärten Fragen: Worüber sprechen Konzertmeister und Dirigent meist nach dem Konzert, wenn sie einander vor dem Publikum die Hände schütteln? Übt man aneinander Kritik, lobt man einander? Was will der Dirigent meistens wissen? Ob er gut war? „ „Wo man nach der Aufführung einen guten Wein bekommt“, scherzt Danailova und räumt mit allen Fantasien auf, für mehr als sich gegenseitig zu danken, sei da keine Zeit. Sorokow berichtet: „Wenn es gelungen ist, dann teilt der Dirigent das mit dem Konzertmeister. Man freut sich gemeinsam über das Ergebnis. Das sind immer die schönsten Momente“.
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