Schuh geht essen: Ein kleiner Italiener

"Für mich beginnt nach Linz der Biermeridian", schreibt Schriftsteller Franz Schuh.
Franz Schuh

Franz Schuh

Eine Geschichte über kleine und große Lokale habe ich selbst erlebt. Ich war in einem Wiener Heurigen, wo die Leute biedermeierlich zusammensaßen, als wär’s ein Film von Franz Antel. Da sah ich, dass ein Seitenblicke-Team hinter einer Gruppe her war, die hörbar aus Bayern stammte.

Es war eine Versammlung einiger Eigentümer von Biergärten aus München. Einem dieser Herren stellte der Gesellschaftsreporter die Frage: „Was sagen Sie, wenn Sie diesen Heurigen mit Ihrem Biergarten vergleichen?“

Der Mann war verlegen. Er war spürbar unglücklich darüber, dass er die Erwartungen des Fragestellers nicht erfüllen konnte: „Das kann man ja nicht vergleichen. Ich hab’ an einem Sonntag in meinem Garten 3.500 Leute sitzen ...“ Vielleicht erzählt diese Geschichte auch etwas über den Wein und das Bier und über das Format der Geselligkeiten, das von diesen Getränken begünstigt wird.

Für mich beginnt nach Linz der Biermeridian. Wels zum Beispiel – da spricht die Fremdenverkehrswerbung zu Recht vom „Biergarten im Herzen von Wels.“ Gemeint ist der Gastgarten des „Gösser Bräus.“ Er gilt „als einer der herrlichsten in ganz Österreich“ und bietet Platz für 400 Personen.

Das kommt an die Profis in München nicht heran, aber es ist schön, einer von 400 zu sein und an einem Sommernachmittag im Schatten der Bäume ein Bier zu trinken, das für den Wirt, wie es heißt, „ein Kulturgut“ ist. Während im Herzen des Weinviertels der Wein bereits namentlich pulsiert und während in Wien der Wein sogar dazu dient, die Existenzfrage zu stellen („Es wird a Wein sein, und mir wer’n nimmer sein“), bestelle man im „Gösser“ „ein langsames Krügel“: Es fließt langsam ins Glas und macht herrlichen Schaum.

Wenn ich in Wels die Masse scheue, gehe ich zu einem kleinen Italiener. „Ein kleiner Italiener“ stammt aus einem Schlager , den einst Conny Froboess sang. Seinerzeit waren es noch zwei: „Zwei kleine Italiener / Vergessen die Heimat nie / Die Palmen und die Mädchen / Am Strande von Napoli.“

So sang man, als der Tourismus die Sehnsucht nach dem Süden zu organisieren begann. Conny sang aber nicht von der aufdringlichen Sehnsucht der Nordmenschen nach dem Süden, sondern von Italienern, die aus Italien nicht rauswollten, die in der Fremde sich nach Napoli, genauer: nach Tina und Marina, sehnten.

Die Eigentümer des sehr feinen Lokals in Wels (Ringstraße 15) sind ein Paar, das zur einen Hälfte aus Italien kommt: Giancarlo Pasenti, der Koch, kommt aus Italien, Simone Hufnagl hat ihn dort kennengelernt. Sie ist aus Wels, und ihrer beider „Osteria da Nonna Nena“ wirft ein Licht darauf, dass in modernen Zeiten Paare auch eine Arbeitsgemeinschaft bilden.

Das Lokal ist klein, man hat das Gefühl, „privat“ da zu sein. Auch der Garten im Sommer bietet Zuflucht vor der Hitze wie ein privater Schrebergarten. Aber das Essen ist groß, ich bin mit der Speisekarte noch nicht durch, weil ich immer wieder haben will, was ich eh schon hatte: Pasta „Bronte“ mit Pistazien, Tagliata di manzo, Wolfsbarsch in Salzkruste ...

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