Kralicek geht essen: Das Schwimmbadbuffet

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass das Schwimmbadbuffet die Skihütte des Sommers ist?
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Ja, es ist ein unpassender Zeitpunkt, über Skihütten zu schreiben. Aber ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass das Schwimmbadbuffet die Skihütte des Sommers ist? Diese scheinbar so ungleichen Lokaltypen haben mehr gemeinsam, als man denkt. Beide sind Saisonbetriebe und extrem wetterabhängig: keine Skihütte ohne Schnee, kein Schwimmbadbuffet ohne Sonne. Beide sind kulinarisch tendenziell der bodenständigen Küche verpflichtet, um es vorsichtig auszudrücken. Beide werden ausschließlich von Menschen frequentiert, die gerade Sport getrieben haben.

Dass viele von ihnen nicht besonders sportlich aussehen, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sie 1) eher „Sport“ betreiben und 2) eben gerade dort sitzen, wo sie sitzen, und das essen, was sie essen. Als Wiedergutmachung für eine Portion Fleischlaberln mit Pommes, Berner mit Pommes oder Schnitzel mit Pommes muss man schon wirklich viele Längen schwimmen (oder, im Fall der Skihütte, nach dem Essen sofort die Liftkarte verbrennen und auf Tourenskilauf umsteigen).

Das Schwimmbadbuffet ist das einzige Lokal, in dem Pommes sogar als Hauptspeise durchgehen; Gerichte ohne Pommes hingegen werden in einem Schwimmbadbuffet grundsätzlich nicht angeboten. Angeblich wurde es im Freibad von Kirchschlag in der Buckligen Welt einmal versucht, aber das hat dann halt niemand bestellt. Im Schwimmbadbuffet ist eben vieles erlaubt, was sonst verboten ist; nicht nur ungesunde Ernährung. Einige zivilisatorische Basics sind hier vorübergehend außer Kraft gesetzt: In jedem anderen gastronomischen Betrieb etwa würden Gäste, die nur mit einem knappen Höschen bekleidet sind oder unter Umständen auch gar nichts anhaben, umgehend des Lokals verwiesen; im Schwimmbadbuffet hingegen wäre man schon mit einem Langarmhemd overdressed. Das Rauchverbot wird hier noch länger keine Rolle spielen – und zwar ganz unabhängig davon, ob gerade ein Kettenraucher ein führendes Regierungsamt bekleidet oder nicht. In aller Regel ist das Schwimmbadbuffet nämlich ein Freiluftbetrieb: Gastgarten oder gar nicht. Einen Indoor-Bereich gibt es meist keinen, und wenn doch, dann befindet man sich mit großer Wahrscheinlichkeit in einem Hallenbad.

Nach dem Essen soll man nicht gleich ins Wasser springen, das könnte den Kreislauf überfordern. Kinder wollen von dieser ehernen Baderegel nichts wissen, man muss sie jedes Mal wieder daran erinnern. Erwachsene verhalten sich da viel vernünftiger – und bleiben nach dem Essen noch auf ein Getränk im Buffet. Manche verbringen sicherheitshalber gleich den ganzen Nachmittag dort. Wobei auch das in der Hitze des Sommers nicht ganz ungefährlich ist: Es droht Dehydrierung. Erfahrene Schwimmbadbuffetgäste achten deshalb strikt darauf, dem Körper ausreichend Flüssigkeit zuzuführen. Der typische Stammgast bestellt einen Spritzer nach dem anderen – „aber sommerlich!“ Gemeint ist damit ein sogenannter „Sommerspritzer“, in dem sich mehr Soda als Wein befindet. Sich so etwas freiwillig zu bestellen, klingt fast schon nach Kasteiung. Dabei geht es nur darum, den von der Sonne geschwächten Körper mit einem scheinbar alkoholfreien Getränk in die Irre zu führen. Der Effekt ist erstaunlich: Man trinkt mehr, es fühlt sich aber wie weniger an. Das Schwimmbadbuffet ist eben kein Lokal, sondern ein Lebensgefühl.

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