Raab geht essen: Nara

"Wer dieses Lokal betritt, steht sofort inmitten der äußerst gepflegten Großküche, kann das emsige Treiben beobachten", schreibt Autor Thomas Raab.
Thomas Raab

Thomas Raab

So unromantisch es auch klingen mag, aber Essengehen kann einfach nur bedeuten: sich abends hundemüde auf das Sofa schleppen, einen Anruf tätigen und warten, bis der Lieferservice seine Styropor-, Papp- oder Plastikbehälter serviert. Außer natürlich dieses Sofa steht inmitten einer Kleingartensiedlung, wodurch der ganzen Geschichte eine nicht zu verachtende interkonfessionelle Dimension zuteilwird. Diverse Fahrer nämlich, wie z.B. der Herr Mohamed, der Herr Chesus oder der Atheist Pepi aus Siebenhirten sind da trotz Navi und völlig unterschiedlicher Glaubensrichtungen allesamt mit derselben Kirche ums Kreuz unterwegs. Ergo: warmes Sushi, weiches Tempura, kalte Pizza und ein saftiger Karton. Folglich fahr ich selbst, starte die Vespa, fühle mich umgehend ein paar Jahre frischer, und los geht der Spaß. Der unschätzbare Vorteil daran: Die Lokalitäten der Zusteller können mit eigenen Augen besichtigt werden, und Adressen sind mir schon untergekommen, die maximal als Blitzdiät vor dem Strandurlaub empfohlen werden können.

Völlig anders das Restaurant Nara in der Einsiedeleigasse 7, 1130 Wien. Ein wahrer Glücksfall. Nicht des 10-prozentigen Rabatts bei Selbstabholung wegen (ein schöner Nebeneffekt), sondern weil hier einfach alles stimmt. Wer dieses Lokal betritt, steht sofort inmitten der äußerst gepflegten Großküche, kann das emsige Treiben beobachten, während unentwegt das Telefon läutet, und allein das ist ein Bekenntnis zur Ehrlichkeit, denn wirklich nichts passiert hier hinter verschlossenen Türen. Meist ist der umtriebige Chef Kis Li Chen selbst anwesend, ein wahrer Sir, der sich dank seiner Ernährungsumstellung zu einem Modellathleten entwickelt hat. Entsprechend wird hier auch gekocht. Frisch, knackig, gesund. Ein absolutes Muss sind als Vorspeisen die scharfe Lemongrass-Suppe, die Satey-Spieße, die Riesengarnelen Tempura, und wer den Natsu Salat mit Lachs-, Thun- und Butterfisch bestellt, bekommt gleich einen Vorgeschmack auf die Königsdisziplin dieses Lokals. Der Fisch. Als warme Variante à la Red Salmon Curry schon ein Gedicht, zeigt er dann im roh verarbeiteten Zustand seine wahre Stärke, denn die Maki-Kreationen hier sind eine Sensation. Rainbow Maki auf Lachs-Avocado-Oshinko Basis zusätzlich belegt mit nach Farbe angeordneten Fischsorten / Surf & Turf Maki, mit Garnelen Tempura & Rinder-Carpaccio, dazu Rucola & Senf- Mayo Sauce / Vulcan Roll / Tuna Tartar Roll / Samurai Maki, usw., und nun auch noch Kreationen ohne Reis. Schlichtweg genial.

Und ganz unter uns: Wer wie ich als Kind einer Großfamilie noch weit vor Kenntnis der Grundrechnungsarten hurtig ein Ganzes in mehrere Teile zu trennen imstande war, dem geht es dann vielleicht wie mir, wenn (kürzlich erlebt) in einem angesehenen Innenstadtlokal als Beilage zum Steak unverschämt überteuerte Hauspommes in einer Menge serviert werden, die püriert kein halbes Hippglas füllen und unserer Jüngsten noch im zahnlosen Alter einen gewaltigen Lachkrampf verpasst hätten. Die reinste Verhöhnung ist das. Bei Nara aber gibt es nicht nur den spürbaren Respekt vor den Gästen, sondern etwas zu essen für sein Geld. Und ja, wenn dann die Kinder schlafen, meine Frau und ich auf dem Sofa bei „Modern Family“ die Reste genießen, hat das durchaus mit Romantik zu tun ...

Restaurant Nara
Einsiedeleigasse 7, 1130 Wien
Tel. 01/879 45 68, sushi.at, facebook.com/naravienna

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