Rabinowich geht essen: Rumtrüffeln mit Schneehaube

Wenn die Gartenzwerge Schneehaube tragen und im Prater jedes Ästlein auch, steigt der Appetit auf Wärmendes, Sämiges.
Julya Rabinowich

Julya Rabinowich

Wenn diese Zeilen heute Sonntag erscheinen, haben die Lokale in Wien noch immer zu. Aber bevor diese Zeilen erscheinen konnten, musste ja vorausblickend noch gespeist, verschlungen und gekostet werden, und die Lokale waren noch immer zu. Das führte zu einem gewissen Dilemma, vor allem, weil justament am Verkostungstag die weiße Hölle in Wien ausbrach, eine unberechenbare Naturkatastrophe, die völlig unvorbereitet auf das Land getroffen hatte, alles ummantelte, verstummen ließ (bis auf die Autofahrer), während das Chaos so unerbittlich wie grausig seine Weg bahnte – kurzum, es schneite. Im Dezember.

Wer hätte das nur ahnen können! Wenn die Gartenzwerge Schneehaube tragen und im Prater jedes Ästlein auch, steigt der Appetit auf Wärmendes, Sämiges.

Und vor allem: möglichst nicht durch lange Transportwege wieder Ausgekühltes. Aus diesem Grund (und aus angemessener Faulheit) wurde das geringste Übel gewählt, den zu durchpflügenden Schneematsch im Auge. Glücklicherweise liegt das sehr Gute auch heute noch nah: Der wunderbare Italiener Federico II hielt seine Küche für verzweifelte Lukullische geöffnet, mit derzeit gekürzter Karte zwar, aber mit was für einer Karte! Der Familienbetrieb bietet unter anderem hauchzartdünne Pizza an. Auch eine mit wildem Thymian, Büffelmozzarella und Artischocken, die einen innerlich direkt nach Rom teleportiert, in den Schatten des Kolosseums, in eine Trattoria und zu einem glutäugigen Kellner. Federico bietet auch eine Reihe von gefühlvoll umgesetzten Klassikern von diversen Nudelgerichten bis Branzino, begleitet beispielsweise von hervorragender Focaccia mit Rosmarin. Diese katapultiert einen zuverlässig mitten in mediterrane Gärten ... ach lassen wir das, es schneit ja in Wien, an Mediterranes ist derzeit kaum zu denken. Aber wenn es schon kalt und winterlich ist, dann muss man auch das zelebrieren! Was wäre dazu nicht besser geeignet als Steinpilze, die den Altweibersommer in sich aufgesogen haben, um dessen Hitze nach und nach in den klammen Leib abzustrahlen? Und was gesellt sich so wunderbar anschmiegsam und passend zu diesen Steinpilzen? Natürlich Trüffel. Gehobelte, schwarze Trüffel, herrlich helle sautierte Steinpilze und vereint in einer wunderbar cremigen Sauce auf Tagliatelle, und diese wiederum so al dente wie wahrhaft italienisch!

Das Vergnügen hat zwar seinen Preis, aber es lohnt sich. Nun sitzt man da, Sommer und Herbst auf der Zunge, Schneetreiben im Fenster, dazu der Schein der Kerzen, das leise leicht beleidigte Schlürfen des Gegenübers, das eigentlich eine ebenso sämige Carbonara haben wollte, aber durch einen verhängnisvollen Irrtum (die Autorin nimmt diese schwere Verantwortung auf ihre zarten Schultern, ohne vor ihr zurückzuschrecken) leider eine Bolognese bekam, die zwar ebenfalls überzeugend war, aber halt leider eine Bolognese. Als Dessert hätte Federico neben dem obligaten Tiramisu übrigens etwas auf der Karte gehabt, das einen auf der Stelle ins mediterrane – nun ja, Sibirien katapultieren hätte können: eine mit Wodkazitroneneis gefüllte Zitrone.

Diese hoben wir uns lieber für Sommerbegegnungen auf.

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