Raab geht essen: Voll Holler

Schon beim Eintreten schlug mir ein vielversprechend uneitles Ambiente entgegen, eine urige Gemütlichkeit.
Thomas Raab

Thomas Raab

Nun denn: Auf ein Neues. Diesmal jedoch bis zum bittersüßen Ende. Denn alle vergleichbaren Ausflüge brachten bisher immer die Einsicht: Schad’ um den wertvollen Platz hier. Wenn schon Kritik, dann erfreuliche. Ergo gab es zum Beispiel keine Kolumne namens „Neni am Naschmarkt“. Neni, eine weltweit anerkannte, recht passable Marke, sogar als „Fast Food“ in unzähligen Supermärkten erhältlich, trotzdem: In meinen deutlich mehr an Inbrunst gewöhnten Geschmacksnerven blieb der Funkenflug aus. Was möglicherweise an meiner Frau Simone liegt. Wenn sie ans Werk geht, schmeckt man aus den Linsen, Kichererbsen, Süßkartoffeln, Melanzani, ... zusätzlich zum Orient die Liebe heraus, auch zu den Gewürzen, den Gästen, dem Kochen an sich. Besser lässt es sich diesbezüglich einfach nicht speisen, so meine Vermutung.

„So ein Vollholler“, werden Sie nun vielleicht denken. Und wissen Sie was: Sie haben recht. Es geht noch besser. Logisch in der Hollergasse 9. Gelesen hab ich oft schon davon, bzw. gehört: „Was, du kennst die Hollerei nicht!“ Und nun stand sie erneut in den Medien, als beliebtestes Wirtshaus 2020 (Rudolfsheim-Fünfhaus). (2019 als innovativstes sozial engagiertes Unternehmen Wiens; 2018 als Goldener Schani.) Jetzt heißen Auszeichnungen natürlich nix. Mit einem Michelin-, oder Falstaffguide in der Tasche essen gehen, kann enttäuscht und hungrig direkt zum Würstelstand führen.

Logisch wollte ich mir die Sache nun genauer ansehen. Und schon beim Eintreten schlug mir ein vielversprechend uneitles Ambiente entgegen, eine urige Gemütlichkeit. Die alte original Bretschneider-Schank, darunter der Parkettboden, rundum vertäfelte Wände, mitten drin helle Holzmöbel. Hier wird mehr Wert auf Sein, als auf Schein gelegt. Kein Blendwerk, alles echt, ungekünstelt. So wie auch das faszinierende Gastronomen-Ehepaar Margit und André Stolzlechner. Tausendsassa. Visionäre. Wenn Kunst, dann als Gemälde an den Wänden des Restaurants und gegenüber in der Hollerei Galerie. Jetzt weiß ich natürlich nicht, ob alle jene Menschen, die aus Liebe zur Kunst eine eigene Galerie betreiben, ebenso das Kochen als solche betrachten. Kunst. Bei den Stolzlechners jedenfalls landen auch auf den Tischen wahre Meisterwerke. Sie werden staunen. Beginnen Sie unbedingt mit einer Gustovariation: hausgemachter Humus und gemischte Antipasti, Falafel und Brot/Orientalisches Taboulé/feine Artischocken-Quiche, Oliventapenade, Kräuterpesto/Indische Samosa, sprich handgemachte Teigtaschen mit Erbsen, Ingwer & Kartoffeln gefüllt dazu Kimchi-Kraut und süßsaurem Chutney/Steirischer Quinoa mit karamellisiertem Ziegenkäse, gegrilltem Kürbis & Nuss. Ich hab noch selten so viel grandios abgeschmeckte Köstlichkeiten auf einem Teller serviert bekommen. Danach als Hauptspeise ein rotes Thai Curry zum Niederknien (Süßkartoffeln, Karotten, Erbsenschoten, Ingwer, Tofu, junger Spinat) und ein betörendes Bulgogi, übersetzt: Feuerfleisch. Hier hebt sich die Hollerei endgültig über alles Gewöhnliche hinweg, denn das Fleisch nennt sich Pullet-Chunks und besteht aus Erbsen. Wer den üppigen Burger bestellt, bekommt ein Quinoa-Bohnen-Laibchen, und wer den Schweinsbraten sucht, wird ihn nicht finden.

Die Hollerei ist ein vegetarisches Restaurant, und ich behaupte, das mit Abstand beste in Wien. Hier fehlt es an nichts, nur an dem zu Tode gebackenem Grauen. Das bittersüße Ende war übrigens ein Espresso ganz nach meinem Geschmack und eine Dessert-Variation, ich, ich ... muss jetzt aufhören. Hunger ...

Hollerei
Hollergasse 9, 1150 Wien
Tel. 01/ 892 33 56, hollerei.at
Geöffnet täglich, Mo. bis Fr. von 11 bis 23 Uhr, Sa. 9 bis  23 Uhr, So. 9 bis 15 Uhr

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